A. Gerold

Hund und Jäger


Teil 6
Von Seite 37, bis Seite 42



Allgemeines über den Hund.

1. Gebäude und Benennungen.

    Größe, Behaarung und Farbe der Hunderassen sind auf den Seiten 9 bis 11 angegeben. Aussehen und Gestalt im Gesamteindruck vermitteln die Bilder, die vor dem gestrengen Richter- und Züchterauge keineswegs als Idealtyp gelten wollen.

    Hier werden im folgenden die Benennungen der wichtigsten Körperteile des Hundes angeführt, samt jenen Fehlern, die das Gebäude eines Gebrauchshundes keinesfalls haben soll, weil sie seine Brauchbarkeit schmälern.

    K o p f:   Der Fang mit dem Gebiß hat Schneide-, Fang- und Reißzähne, Ober- und Unterlippen (Lefzen). Fehlerhaft sind Überheißer, bei denen die Zähne des Oberkiefers  ü b e r  jene des Unterkiefers greifen, desgleichen Unterbeißer, bei denen das Gegenteil der Fall ist. Beim Kreuzbiß kreuzen die Schneidezähne einander ungefähr in der Mitte. Beim normalen Gebiß stehen die Schneidezähne einander gegenüber. Die Augen müssen „geschlossen” sein, d. h., die Lider dürfen nicht so herabhängen, daß man die rote Bindehaut sieht, auch dürfen die Lidränder nicht gerollt sein, weil beide Fehler regelmäßig zu Entzündungen der Augen Anlaß geben. Der Behang ist, je nach den Rassenmerkmalen, hoch, mittel oder tief angesetzt. Die Nase mit der Nasenkuppe und dem Nasenrücken geht in den Stirnansatz über, an diesen schließt sich der Oberkopf mit dem Hinterhauptbein und weiter der Genickansatz mit dem Nacken.

    H a l s:   Der Hals mit Kehle und Kehlgang soll trocken, das heißt nicht faltig sein, keine Wamme haben.

    B r u s t k o r b:   Der Brustkorb soll entsprechend breit und tief sein, ungefähr bis zum Ellbogen hinabreichen, um für die Arbeit von Lunge und Herz genügenden Baum zu bieten. Unterhalb des Brustknorpels beginnt die Vorderbrust, an diese schließt sich die Unterbrust mit den Brustrippen.

    R ü c k e n:   Die Rückenlinie soll nicht zu stark gekrümmt sein, weder nach unten, noch nach oben (Katzenbuckel). Zwischen Nacken und Rückenbeginn ist der Widerrist. An dieser Stelle mißt man die

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Höhe (Größe) des Hundes. Vom Widerrist gegen die Rute zu erstreckt sich der Rücken. Er geht über die Nierenpartie in die Kruppe über. Beiderseits zwischen Nierenpartie und Kruppe liegen die Hüften (Hüftknochen), darunter die Weichen. Am Ende der Kruppe ist die Rute hoch oder tief angesetzt, je nach den Rassenmerkmalen. Darunter liegt das Weidloch. Die Geschlechtsteile heißen bei der Hündin Nuß oder Schnalle, beim Rüden Feuchtglied mit Kurzwildbret oder Gesehröte. Die Saugwarzen der Hündin heißen Zitzen, ihre Gesamtheit heißt Gesänge.

    V o r d e r l ä u f e:   Die Schulterblätter dürfen nicht steil gestellt sein; steile Blätter behindern die Flüchtigkeit des Hundes. Die Pfoten müssen rund und geschlossen sein, nicht länglich und locker (Hasenpfoten). Der Haupt- und die Zehenballen müssen hart und fest sein. Das nämliche gilt auch für die Hinterpfoten. Die Ellbogen dürfen nicht verdreht sein.

    H i n t e r l ä u f e:   Diese müssen gut gewinkelt sein, die Kruppe darf nicht steil abfallen (Kuhhessigkeit). Den obersten reich bemuskelten Teil der Hinterläufe nennt man Keulen.

    Unter Vorderhand versteht man den vorderen Teil des Hundes (Kopf, Hals, Nacken, Widerrist, Schultern und Vorderläufe), mit Hinterhand bezeichnet man den hinteren Teil des Hundes (Nierenpartie, Kruppe, Hinterläufe).

    Hunde äugen, vernehmen, winden, wittern oder holen sich den Wind. Sie baden, frischen sich, schöpfen, fressen, sie trachten sich abzustehlen oder zu drücken, wenn ihnen etwas Unangenehmes bevorsteht. Der Rüde deckt oder belegt die Hündin während der Laufzeit, der Hitze, wo sie färbt; sie hängen, beide bleiben eine Weile gebunden. Unbeliebte und unzeitgemäße Bewerber beißt die Hündin ab. Sie trägt oder ist trächtig. Nach etwa 62 Tagen wirft oder welpt sie. Die Welpen säugt sie. Der Hund geht, läuft, ist flüchtig, er hinterläßt eine Spur, die sich aus den Tritten zusammensetzt. Der Hund löst sich, er äußert die Losung, er näßt oder feuchtet. Unter dem Fell oder der Decke hat er Fleisch, den Kern. Er wird fett und verlegen, wenn ihn sein Herr (nicht „Herrl”) wintersüber hinter dem Ofen liegen läßt und gut füttert.


2. Wesen des Hundes. Seine Handlungen und deren Triebkräfte. Der
menschliche Einfluß darauf.

    Wer Hunde abrichten und abführen will, für den ist es gut und überaus nützlich, zu wissen, welche inneren Triebkräfte im Hunde wirksam sind, wie, seine Handlungen zustande kommen, welchen Einfluß ein Hundeführer darauf nehmen kann, welche Charakter-

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eigenschaften Hunde im allgemeinen haben und welche der abzuführende Hund im besondern hat.

    Ein Hund ist weder eine Maschine noch ein Automat, der auf einen bestimmten Hebeldruck bestimmte Handlungen ausführt. Der Umstand, daß ein gut abgerichteter Hund gewisse Befehle scheinbar automatisch ausführt, steht damit nicht im Widerspruch; doch darüber später.

    Um über das, was in einem Hunde vorgeht, ein klares Bild zu bekommen, und um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, sind keine spitzfindigen Grübeleien oder besonderen wissenschaftlichen Kenntnisse notwendig.

    Daß ein Hund Lust- und Unlustgefühle (Schmerz) hat, wird niemand bezweifeln. Einzig und allein aus diesen Gefühlen entspringt der Wille, entsprechende Handlungen auszuführen. Unlustgefühle wird der Hund beseitigen oder vermeiden wollen, Lustgefühle wird er beibehalten oder auch sich verschaffen wollen. Ob und wie ein Hund dann diese entsprechenden Handlungen ausführt, hängt von seinen Erlebnissen ab, also von seinen Erfahrungen. Diese Erfahrungen merkt er sich staunenswert genau. Und nicht nur das: er weiß die in seinem Gedächtnis aufgespeicherten Erfahrungen für seine Art sehr folgerichtig zu verwerten; oft genug zum Verdruß seines ahnungslosen Führers. Diese Fähigkeit mag man benennen wie man will, sie scheint dem Verstande gleich zu sein.

    Hunde haben auch die Fähigkeit, einfachere zielstrebige Handlungen zu verrichten. Der Hund hat also Absichten, Ziele, und kennt sie. Diese Ziele liegen oft genug außerhalb der Reichweite seiner Augen und Nase. Das kann jedermann leicht beobachten. Der Hund hat also die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen, das er irgendwie ähnlich wenigstens einmal schon erlebt hat, wovon er also eine Erfahrung besitzt, sei es eine gute oder schlechte. Solche Vorstellungen nun erwecken im Hund neuerlich jene Gefühle, angenehme oder schmerzliche, die er bei früheren gleichen oder ähnlichen Anlässen gehabt hat. Er erinnert sich, und zwar sehr genau. Solche Empfindungen, die im Hund durch seine Vorstellungen wieder auftauchen, seien hier der Kürze halber vorgestellte Gefühle genannt, im Gegensatz zu den im Hunde jeweils v o r h a n d e n e n  Gefühlen. Die vorgestellten Gefühle sind im Hundegehirn nicht weniger wirksam als die vorhandenen, sehr oft sogar übertreffen sie diese an Gewicht. Diese Wahrnehmung ist  d e r   S c h l ü s s e l   z u r   v e r s t ä n d n i s v o l l e n u n d   e r f o l g r e i c h e n  A b r i c h t u n g  und Abführung.

    Daß der Hund vorhandene Unlust- und Schmerzgefühle beheben will, ist ebenso selbstverständlich, wie er vorhandene Lustgefühle

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beibehalten will bis sie erlöschen.  V o r g e s t e l l t e   Lustgefühle will er sich  w i r k- l i c h  verschaffen, wenn er kann, und wenn ihn nicht  v o r g e s t e l l t e Unlustgefühle auf Grund seiner gesammelten Erfahrungen daran    h i n d e r n. V o r h a n d e n e Unlust- oder Schmerzgefühle des Hundes (Hunger, Durst, Juckreiz durch Insekten, Hitze, Kälte, Ermüdung usw.) wird ein Hundeführer beseitigen oder beschränken, so gut er es vermag.  W i r k l i c h e  Lustgefühle wird man gewähren, soweit sie sich in den Plan der Abführung fügen.V o r g e s t e l l t e  Lustgefühle (erwartetes Lob, Belohnung, Stillung der Jagdleidenschaft, Hasenhetzen, Abwürgen von Hausgeflügel usw.) sind teils erwünscht, teils sehr unerwünscht. Den   u n e r w ü n s c h t e n   kann man mit ihrer Erfüllung u n t r e n n b a r    v e r k n ü p f t e  Unlustgefühle entgegenstellen (Zwang, Strafe). Das geht natürlich auf Kosten der Tatkraft (Arbeitsfreude) des Hundes, ist aber unvermeidbar. Darum wird ein guter Hundeführer den Grad von Zwang und Strafe (vom leisen scharfen „pfui"” bis zum Schlag) nicht stärker als nötig bemessen. Wesentlich dabei ist, daß mit unerbittlicher Ausdauer und Konsequenz, was oft viel Selbstbeherrschung erfordert, dem Hund die Erfahrung und damit die Überzeugung beigebracht wird, daß die Stillung jener Lustgefühle   j e d e s m a l    und   u n t r e n- n b a r    mit bestimmten Unlust- oder Schmerzgefühlen verbunden ist. Das, lückenlos wiederholt, ist weitaus wirksamer als es Strafen mit Schockwirkung sind. Versagt aber der Hundeführer nur wenige Male, so gewinnt der Hund die Erfahrung, daß das vorgestellte Unlustgefühl auch ausbleiben kann. Es ist dann abgeschwächt oder ganz aufgehoben. Viele Mühe war dann vergebens; sie muß intensiver wiederholt werden.

    Ehe der Wille zu einer Handlung entsteht, werden im Hundegehirn die Gefühle gegeneinander abgewogen. Die stärkeren bestimmen den Willen. Wie sich dieser geheimnisvolle Vorgang abspielt, ist noch unbekannt.

    Erfahrungen, Gedächtnis und Verstand können die vom Hunde gewollten Handlungen fördern, abwandeln oder auch verhindern; niemals aber hervorrufen. Sonst wäre der Klügste stets auch der Tatkräftigste, was aber nicht der Fall ist. Der Wille des Hundes wird demnach durch die überwiegenden tatsächlichen und bloß vorgestellten Gefühle entschieden. Daß bloß vorgestellte Gefühle stärker sein können als vorhandene, kann man leicht bei vorgehaltenen Leckerbissen merken; die Vorfreude macht dem Hund sichtlich mehr Vergnügen als der kurze Augenblick des Verschlingens. Ebenso ist leicht zu beobachten, daß die Furcht vor Zwang oder Strafe den Hund mehr bedrückt, als ihn ein Schlag schmerzt. Dem Hundeführer ist es also in die Hand gegeben, erwünschte Lustgefühle und

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Anlagen (Bringfreude, Jagdpassion, Stöbern, Raubzeugwürgen, Buschieren, Wasserarbeit usw.) in erwünschte Bahnen zu lenken, sie zu fördern und durch damit verbundene, hinzukommende vorgestellte Lustgefühle (Lob, Belohnung) zu verstärken, unerwünschte aber zu unterdrücken und zu verhindern durch vorgestellte Unlust- oder Schmerzgefühle (Zwang, Strafe). Dieses Beibringen von vorgestellten Gefühlen ist ohne Übermüdung des Hundes so oft und immer wieder zu wiederholen, bis dem Hunde das Nützen dieser Erfahrungen zur Gewohnheit geworden ist. Dann wird im Hundegehirn kein spezielles Abwägen von „für und wider” mehr stattfinden müssen, sein Wille zur Ausführung der Befehle wird gewohnheitsmäßig vereinfacht und erleichtert, wie sich ja auch der Mensch, ohne speziell nachzudenken, meist darein fügt, Brauch und Sitte zu befolgen. Natürlich kann man nur solche Anlagen entwickeln und fördern, die der Hund  h a t,  denn mit dem bloßen Unterdrücken negativer Anlagen wird man nicht weit kommen. Daraus allein schon erklären sich Wichtigkeit und Bedeutung der Rassehundezucht mit im praktischen Jagdgebrauch stehenden Tieren. Abwegig wäre es, vom Hunde Gefühle zu erwarten, die er gar nicht haben und die man ihm auch nicht beibringen kann, weil ihm die  A n l a g e  dazu  f e h l t,   schon weil sie eine höhere Entwicklungsstufe oder gar die Aufnahmefähigkeit für moralische Erfahrungen voraussetzen würden. Ein solches Gefühl, das ein Hund gar nicht haben kann und das darum keine seiner Handlungen bewirken kann, ist das Pflichtgefühl. Leider kann man mitunter wahrnehmen, daß ein solches von einem Hunde erwartet wird; in rauhen Händen ein beklagenswertes Tier. Sehen Handlungen eines Hundes manchmal auch oberflächlich nach „Pflichtgefühl” aus, unterliegt man leicht einer Täuschung. Gibt ein wachsamer Hund Laut, wenn sich jemand fremder nähert, so entspringt dies seinem Mitteilungsdrang als ehemaliges Hordentier. Verteidigt ein guter Hund seinen Herrn und dessen Eigentum, ohne eigens dazu abgerichtet zu sein, so tut er dies aus seinem Eigentumsgefühl heraus. Denn der Hund ist zweifellos der Ansicht, sein Herr samt Besitz gehöre  i h m;  nicht etwa umgekehrt. Und damit hat er gar nicht so unrecht, von seinem Gefühlsstandpunkt aus; denn auch der Besitz eines Hundes verpflichtet.

    Für philosophische Betrachtungen über das Kausalitätsgesetz haben Hunde keine Anlage. Ursache und Wirkung verbinden sie unmittelbar, ohne darüber hinauszudenken. Sie beziehen jedes Ereignis (z. B. Schläge) auf ihre allerletzte Handlung (z. B. „Herankommen auf Befehl”) und ziehen daraus die Folgerungen. Das erklärt die Handscheu unrichtig behandelter Hunde. Ein solcher Fehler ist, wenn er begangen wurde, schwer zu verbessern. Am besten

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ist es immer, mit dem Hunde, wenn er Zwang oder Strafe erdulden mußte, was immer an der Leine durchzuführen ist, sofort einige Gehorsarnsübungen (Herankommen) vorzunehmen und sie stets durch reichliches Lob oder Belohnung zu beenden, um dem Hunde die Erfahrung beizubringen, daß die Strafe   n i c h t   mit der Ausführung des Befehls zum Herankommen zusammenhängt, So behandelte Hunde kommen stets schnell und freudig.

    Erwähnt werden soll noch, daß bei Junghunden, besonders bei Hündinnen, nicht selten eine befremdliche Erscheinung auftritt. Am Abend war das beste Einvernehmen zwischen Herr und Hund, am Morgen aber ist der Hund vergrämt, zeigt Angst und strebt sich zu verkriechen, ohne Übles getan zu haben. Er hatte S c h r e c k t r ä u m e   von seinem Herrn und Führer, die er in seiner Unerfahrenheit als Wirklichkeit nimmt. Solche Träume mögen oft auf das Konto überstrenger Behandlung zu buchen sein.

    Am besten ist es da, den Hund einstweilen unbeachtet zu lassen und künftig vorsichtiger zu sein. Er wird bald von selber wieder herankommen. Unsere hochgezüchteten Rassehunde sind feinnervig und intelligent. Mit zunehmender Erfahrung lernt der Hund bald, seine Träume von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Diesen Vorgang kann man abkürzen, wenn man gelegentlich lebhaft träumende Hunde weckt. Jene Erscheinung verliert sich mit vermehrter Erfahrung und der Reife des Hundes von selbst.

    Aus diesen Betrachtungen möge sich ergeben, daß man auf diesem Wege mit der Abführung schneller, sicherer und praktischer vorwärtskommt, als wenn man Hunde nach einer starren Schablone behandelt, was bei der großen Verschiedenheit der Fähigkeiten und Temperamente unserer Hunde immer mit Mängeln verbunden bleibt. Auch wird der Hundeführer selbst an bewußter und sachkundiger Arbeit am Hunde mehr Freude und Erfolge haben.

Welpen

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Diese Seite wurde am 26. April 2006 erstellt.