A. Gerold
Hund und Jäger
9. Entwieklung der Anlagen im noch nicht dressurfähigen Alter. |
Anlagen sind ererbte Fähigkeiten. Nicht vorhandene Anlagen können durch Wer also einen Welpen oder Junghund angeschafft hat und einigermaßen Zeit, Verständnis und Platz hat, dem sei dringend |
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angeraten, die vorhandenen Anlagen seines Zöglings anzuregen und ihre
Entwicklung zu fördern. Das läßt sich mit wenig Mühe durchführen und erleichtert
sehr die spätere Abführung. Und nicht nur das: die frühzeitige Entwicklung der
Anlagen ermöglicht auch eine spätere Vollkommenheit der Leistungen, die nur
durch die naturgegebene Ausbildungsmöglichkeit der Anlagen selbst begrenzt
ist. Die Förderung der angewölften Anlagen beim heranwachsenden Junghunde
geschieht ganz anders als bei der späteren Abrichtung. Sie läßt dem Welpen seine
kindliche Freiheit und sein Vergnügen, ja sie vergrößert dieses sogar, wenn sie
richtig durchgeführt wird. Sie darf vom Hunde nicht als lästig empfunden werden;
denn sonst macht er eben nicht mit. Und für irgendwelchen Zwang wäre er noch
zu unentwickelt. Mit der Pflege der Anlagen kann und soll man darum nicht früher beginnen, als sich diese Anlagen nach außen hin zu zeigen beginnen. Zuerst pflegen sich schon beim Welpen Nase und Bringfreude bemerkbar zu machen. Wenn der kleine Kerl im Hof oder im Garten eifrig herumzuschnüffeln beginnt, also bereits „Nase” zeigt, kann man ihm im freien, aber eingefriedeten Raume schon gelegentlich eine ganz kurze Futterschleppe machen. Sie besteht darin, daß man in Abwesenheit des Hundes zur gewohnten Zeit und an den gewohnten Platz statt der vollen eine leere Futterschüssel stellt. Dicht daneben sprengt man vom Inhalt der vollen ein wenig auf den Boden, handbreit davon entfernt wieder ein wenig und so fort bis etwa drei Schritte. Dann ruft man den Welpen. Freßlustig stürmt er heran und findet auf gewohntem Platze seine Schüssel leer. Er wird Enttäuschung zeigen. Nun sagt man ruhig "such, such", was der Hund natürlich nicht versteht. Aber man weist gleichzeitig mit der Hand oder dem Finger auf die neben der leeren Futterschüssel versprengten Futtertröpfchen. Der Hund wird seine Nase tiefnehmen und an den Tröpfchen lecken. Kommt er dann nicht von selber darauf, daß handbreit daneben wieder solche Tropfen sind, so zeigt man ihm auch diese wieder mit dem Finger, und so weiter, bis er an die volle Schüssel herangekommen ist und sich mit Vergnügen über deren Inhalt hermacht. Diesen nützlichen Scherz kann man täglich einmal oder doch mehrmals wöchentlich wiederholen, wobei man stets den gewohnten Ausgangspunkt, immer aber eine andere Richtung der Schleppe mit der vollen Schüssel am Ende wählt, weil sich der Hund sonst gar nicht mehr um die Schleppe bemühen würde, sondern gleich auf die |
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Welpe das begriffen, dann verlängert man die Schleppe, wenn der Platz das zuläßt,
allmählich zuerst um einen Schritt, dann immer um einige Schritte bis zu fünfzig
oder hundert Gängen, immer in anderer Richtung. Später erschwert man die
Aufgabe allmählich durch Krümmungen, Bogen und schließlich Haken. Auch ist
zu empfehlen, bis der Junghund den Gebrauch seiner Nase begriffen hat, die
Schleppe uni Gebüsche, Hausecken, Kisten oder Fässer u. dgl. herumzuführen.
Der Hund sucht und findet sehr bald die Schleppe und Ftitterschüssel allein. Hat
er Schwierigkeiten, so hilft man ihm durch Zeigen mit dem Finger auf die
Futtertropfen. Das Aufstellen der leeren Schüssel kann man unterlassen, sobald
der Hund begriffen hat. Wurde ihm eine solche Schleppe einmal zu schwer, so macht das nichts aus;
man erleichtert sie eben an den folgenden Tagen. Nebstbei bekommt der Welpe
durch diese kleinen Spielereien schon eine Vorstellung von dem Begriffe „such”, den er vorerst freilich nur auf seine
Futterschüssel beziehen wird. Dieser Begriff „such” läßt sich ein wenig später bei
der Anregung der Bringfreude, schon leicht und bequem erweitern. Die Bringfreude äußert sich beim Welpen als
Spieltrieb. Der Hund ist seiner Herkunft nach ein Hordentier. Er hat von Natur aus die Anlage, in Gesellschaft aufzuwachsen und sich in ihr
durchs Leben zu schlagen. Was er nicht gleich verschlingen kann, schleppt er seiner Meute zu. Und wenn er seine Beute nicht
tragen kann, weil sie zu schwer ist, ruft er die Seinen durch Lautgeben herbei. Das sind die entwicklungsgeschichtlichen Wurzeln der
Bringfreude und des Totverbellens. Totengräber, also Hunde, die erlegtes Wild, statt es zu bringen, zu verscharren trachten, sind aus der Art
geschlagen. Sie haben jene normale Anlage nicht, sie kann ihnen auch nicht
beigebracht werden. Man kann sie wohl dressieren, niemals aber zu zuverlässigen Verlorenbringern außerhalb der Sicht
ihres Herrn abführen. Beim an den Menschen gebundenen Hunde werden die Meutekameraden durch den Herrn ersetzt. Fast alle Triebe werden auf das Verhältnis zum Herrn übertragen. Von diesem erwartet sich schon der Welpe, sobald er von der Mutter entwöhnt ist, |
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selbständig machen sollen, sobald sie außer Sicht gekommen sind. Daraus ergibt
sich die ernste Tatsache, daß nur ein guter Jäger, was nicht „guter Schütze”
heißen muß, einen Hund gut führen kann. Beginnt ein Welpe das Erwachen seines Raubtierinstinktes zu zeigen, tollpatschig Käfern, Faltern, Fliegen, Sperlingen und dergleichen, auch kleinen rollenden Bällen aufzulauern und nachzustürmen, dann pflegt er auch schon alle möglichen erreichbaren Gegenstände im Fang herumzuschleppen, oft zum rechten Verdruß seines Abrichters, was man mit einem leise gezischten „Pfui!” und allenfalls einem kleinen Klaps auf die Hinterhand einschränken kann. Er trägt einen Gegenstand in die Nähe des Herrn, legt ihn vorsichtig hin und nimmt eine Stellung ein, die deutlich eine Aufforderung ist, mit ihm zu spielen. Geht man darauf ein, verschwindet er mit dem Gegenstande so schnell wie möglich, um ihn entweder wiederzubringen oder sich damit zu verkriechen und daran die Zähne zu prüfen. Ein „Pfui” wird das oft verhindern müssen. Schwingt man vor dem Junghunde, wenn er auf seine Art zum Spielen auffordert, ein Stück Holz einigemal hin und her und wirft es im Bogen fort, so wird er hineilen, es aufnehmen und damit herumstolzieren. Bringen wird er es wahrscheinlich nicht. Das ist auch gar nicht nötig. Man lockt den Hund heran, mit einem Stückchen Zucker oder einem andern Leckerbissen, woran er gewöhnt wurde, und es wird nicht lange währen, wird er die Entdeckung machen, daß er bei dem Wörtchen „bring”, das immer gleichzeitig mit dem Fortwerfen des Holzes zu sprechen ist, sich nicht nur das Vergnügen verschaffen kann, dem Holze nachzueilen, sondern daß er überdies noch einen Leckerbissen erhält, wenn er es zu neuem Spiele heranbringt. Dieses Spiel macht dem Hunde soviel Freude, daß man es oft wiederholen kann, ohne den Kleinen zu ermüden. Nur vergesse man bei dieser Unterhaltung niemals, daß diese Im vierten und fünften Monate schon ist es gut, den Junghund daran zu gewöhnen, alles in den Fang zu nehmen, was das Revier an kleinem Zeug liefert. Nußhäher, Krähen, Wiesel, Eichhörnchen, Iltis und so weiter, schließlich auch Fuchs und Katze soll der Junghund kennen lernen, und aufnehmen. Das kleine Zeug wirft man ihm genau so wie sonst das Bringholz mit dem Worte „bring”. Dabei |
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ist streng darauf zu achten, daß sich der Hund mit seiner „Beute” nicht
verkriechen kann, um sie zu zerrupfen. Man macht das alles immer nur im
eingefriedeten Raume. Bringt der Hund das Kleinzeug, dann lobt man ihn sehr,
belohnt ihn und das Spiel ist zu Ende. Man überlasse dem Hunde niemals das
Gebrachte zu weiterem Spiel. Er würde sonst zum Anschneiden verleitet werden. Ist die Örtlichkeit so, daß es schwer ist den Welpen daran zu hindern, sich mit dem Bringsel zu verkriechen und damit Unfug zu treiben, so empfiehlt es sich, den Bringgegenstand fest an eine genügend lange dünne Leine zu binden, das eine Ende in der Hand zu behalten und den Gegenstand wie sonst zu werfen. Wir bewahren so den Einfluß auf Hund und Gegenstand. Man zerre aber den Hund nicht mit dieser Leine und dem Gegenstande heran, sondern locke ihn wie sonst. Nicht selten wird ein Junghund davor zurückscheuen, manches Feder- oder Haarwild in den Fang zu nehmen. Krähen, Iltis, Wiesel, kurzum alle Stänker, besonders aber auch der erste Fuchs und die erste Katze werden auf den Hand Eindruck machen. Selbst Junghunde mit angewölfter Schärfe werden selten sogleich den Fuchs oder die Katze anfassen. Sie werden die Haare sträuben, winden, knurren und nicht leicht heranzubringen sein. Da wäre es zwecklos, ihn heranzulocken oder gar heranzuzerren. Nimmt man aber Fuchs und Katze bei der Lunte oder das gemiedene Kleinzeug an kurzer Leine und läuft damit vom Hunde weg, den Gegenstand auf der Erde nachschleppend, so wächst damit dem verdutzten Zögling der Mut. Er eilt nach und es wird nicht lang dauern, wird er im Spieltrieb den Gegenstand fassen und an sich zu bringen trachten. Bei dem nun folgenden „Tauziehen” zwischen Herr und Hund läßt man natürlich den Hund gewinnen. Das steigert sein Vergnügen beträchtlich. Fuchs oder Katze überläßt man ihm für eine Weile und kann dabei recht gut beobachten, wie es mit seiner erwachenden Schärfe aussieht. Ein gutes Spiel, um die Schärfe und das Selbstvertrauen des jungen Hundes anzuregen, bietet ein armlanger, haltbarer Fetzen. Schwingt man ihn niedrig vor dem Hunde, so wird dieser natürlich danach schnappen und sich daran verbeißen. Nun beginnt eine vergnügliche Balgerei um den Fetzen, bei der man schließlich den Hund als Sieger hervorgehen läßt. Damit sich der Hund mit dem Fetzen nicht verkriecht und ihn zerfasert, nimmt man ihm diesen nach beendetem Spiele sogleich wieder ab. Statt des Fetzens kannman späterhin auch haltbare Bälge benutzen oder das zusammengedrehte Tuch mit solchen umwickeln. |
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ohne wahrgenommen zu werden, und wartet. Das Gefühl der Verlassenheit
wächst mit zunehmender Dämmerung. Zuerst wird der Junghund versuchen sich
zu befreien. Das wird ihm nicht gelingen, weil er am Würgering (nicht Koralle!)
angeleint worden ist. Harthalsige Hunde geben selten gleich beim ersten
Versuch richtig Laut. Meistens wird es nur ein Winseln oder Jaulen sein, was
man vernimmt. Das mag fürs erstemal genügen. Man lobt den Hund und geht mit
ihm weg. Die nächsten Versuche an den folgenden Tagen kann man schon
verlängern. Vernimmt man Ansätze zum Halsgeben, nähert man sich dem Hunde
langsam mit dem wiederholten Zuspruche „gib Laut”, den der Hund ja noch
nicht versteht und darum nicht befolgen kann. Verschweigt der Hund, entfernt
man sich eben wieder wie zuvor und läßt den Hund an seinem Orte, bis man
seinen Hals vernimmt. Gibt er in seiner Sorge endlich halbswegs Laut, belobt,
belohnt und befreit man ihn aus seiner Lage. Diese Übungen setzt man täglich
fort. Je nach seiner Intelligenz und verhältnismäßigen Reite wird der Hund bald
begreifen, was man mit „gib Laut” von ihm will, und welche Vorteile für ihn damit
verbunden sind, wenn er Laut gibt. - Hat man den Hund auf diese oder auf eine
beliebige andere Art dazu gebracht, auf den Zuspruch Laut zu geben, ist die
Dauer des Lautgebens allmählich zu verlängern. Man erreicht das meistens und
am bequemsten durch einen vorgehaltenen Leckerbissen, dessen Aufnahme
man ihm vorläufig verweigert unter jedmaligem Zuspruche „gib Laut”, so oft er
verschweigt. Diese Übungen kann man zu jeder Tageszeit und an jedem Orte
durchführen. Man darf die Dauer des Halsgebens aber nur langsam steigern, um
den Hund nicht verdrossen zu machen. Im Verlaufe von zwei bis drei Wochen
läßt sich die Dauer des Geläutes sehr oft schon auf zehn Minuten und darüber
ausdehnen. Bei heranreifenden Stöberhunden, die sehr oft ohnehin einen lockeren Hals haben, ist es empfehlenswert, die Übungen im andauernden Lautgeben nicht zu übertreiben, es sei denn, man will sie zu sicheren Totverbellern erziehen. Neigen Stöberhunde, was mitunter vorkommt, zu sinnloser Kläfferei, so werden sie später oftmals weidlaut stöbern, d. h., sie werden beim Stöbern läuten, ohne auf einer Spur oder Fährte zu sein. Das aber sollen sie nicht. Sie sollen spur- und sichtlaut hetzen. Die Intelligenz der Hunde entwickelt sich am besten, wenn man sich viel mit ihnen beschäftigt und sie nach und nach mit allen Umständen und Örtlichkeiten vertraut macht, die für ihre spätere Abführung und Verwendung in Betracht kommen. Es ist selbstverständlich, daß sich Hunde im steten und richtigen Verkehr mit ihrem Herrn geistig rascher und besser entwickeln als solche, die ihre Tage allein in ihrem Zwinger verschlafen. Im Alter von etwa vier Monaten |
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