Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 5

Krankheit - Krieg
Hungersnot
Heft Nr. 5 (Doppelheft)

Teil 7

von Gedicht und
Sage 59 bis Sage 65


K R A N K H E I T   U N D   N O T

Erzitt're Welt, ich bin die Pest
ich komm in alle Lande,
und richte mir ein großes Fest,
mein Blick ist feuerfest
und schwarz ist mein Gewande.

Talein und -aus, bergan und -ab
ich mäh zur öden Heide
Die Welt mit meineme Wanderstab,     
und setz vor jedes Haus ein Grab
und eine Trauerweide.

Ich bin der große Völkertod,
ich bin das große Sterben.
Es geht vor mir die Wassernot,
ich bringe mir das teure Brot,
den Krieg tu ich beerben.


 

Von Ling

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59

DER MICHLACKER IN ÖTZ

In Ötz lebte einst ein armer Mann namens Michl, der einen Acker besaß. Der Mann mußte, da er krank war und nicht arbeiten konnte, Hunger leiden. Da traf er eines Tages einen Bauern, der einen Feuerfleck (auf der Herdplatte gebackene Teigflade) bei sich hatte. Michl hatte einen so großen Hunger, daß er nicht umhin konnte den Bauern zu bitten, daß er ihm den Feuerfleck gebe. Zu diesem sprach nun der Michl: "Gib mir Du diesen Feuerfleck, und ich gebe Dir dafür meinen Acker, den ich ja so nicht mehr bearbeiten kann, da ich krank und alt bin." Der Bauer war einverstanden und sie tauschten beide ihren Besitz, den Acker für den Feuerfleck. Seitdem heißt dieser Acker "Der Michlacker".


Gew.: Franz Gerhart in Ötz. Aufz.: Schulleitung Niederranna. 1952.

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60

DER LIEDERLICHE BAUER

    Als einst zur Zeit, als die Türken Wien belagerten, die Pest ins Land eingeschleppt wurde, erkrankten auch zu Jeitendorf viele Menschen an dieser schrecklichen Krankheit. Viele deckte schon das Leichentuch und noch mehr lagen krank darnieder. Vor allem erfaßte die Krankheit jene sofort, die in übergroßer Ängstlichkeit vor der Krankheit flohen und ihre kranken Hausgenossen im Stiche ließen.

    Ein ganz anderer Mensch war da der   G e s s l b a u e r,   der zu Jeitendorf seinen Hof hatte. Er war ein liederlicher und leichtlebiger Mensch, der trotz der schweren Not seine Wirtschaft vernachlässigte und den größten Teil des Tages im Wirtshaus zubrachte. Die Arbeiten in Haus und Hof mußte seine schwer geplagte Tochter verrichten, die vom frühen Morgen bis in die späte Nacht emsig tätig war. Allein bestellte sie das Feld, versorgte Vieh und Mensch, und kam daher mit der anderen Bewohnerschaft des Dorfes nicht in Berührung. Dies hatte ihr auch bisher die Krankheit vom Leibe gehalten. Ihr Vater dagegen lumpte unverdrossen im Wirtshaus weiter, als bereits dortselbst im Hause des Wirtes Weib und Kind der Seuche anheimgefallen waren. Betrunken torkelte er Tag für Tag heimwärts, und oft reichten seine Kräfte nicht mehr aus, um seinen Hof zu erreichen. Er schlief dann auf der Straße oder im Straßengraben, wenn er nicht ein noch weicheres Lager auf einem Misthaufen gefunden hatte. Manchmal war er sogar der Schlafgenosse eines bereits an der Pest Verstorbenen gewesen, der am Wege verschieden war. Wenn er so neben dem Toten erwachte, überlief es ihn wohl kalt, aber er hatte trotzdem Glück, denn er blieb bis nun gesund. Da schlug auch ihm sein Stündchen. - Eines Tages, als er abends aus dem Wirtshause heimkehrte, verspürte er eine ungewohnte Schwäche. Er drehte die Bank der Stube um, rief seine Tochter herbei und sprach zu ihr: "Miazl, i muaß iazt sterbn." Bei diesen Worten legte er sich auf die umgedrehte Bank und befahl seiner Tochter: "Spann den Bräunl an die Bankfüaß und zah mi zua Gruabn." Er schloß die Augen und war dahin für immer und ewig. Seine Tochter tat wie ihr befohlen und schleifte die Leiche auf der Bank auf den Friedhof. Dort begrub sie allein um die späte Nachtstunde ihren liederlichen Vater. So starb der Gesslbauer an der Pest.

    Viele Menschen mußten noch dem Schnitter Tod zu Jeitendorf ins Grab folgen. Und als dann die Seuche erloschen war, brachte man zu Erdweis, einem Nachbardorf, in dessen Kapelle ein Gedächtnisbild an, das an die schweren Tage der Pest mit folgendem Spruch erinnert:

"O milder und edler Stern
Die Pest vertreibe uns fern!"

    Heute betet noch das Volk des Dorfes zum heiligen Kajetan als den Pestheiligen, daß, er das Dorf vor dieser Seuche für immer schütze.


Aufgezeidmet von Joh. Klaus, Jeitendorf als Volksgut 1952.

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61

DAS SCHINDERPLATZL

    Vor mehr als hundertfünfzig Jahren, vermutlich um das Jahr 1700, wurde das Dorf Ostra von einer schrecklichen Viehseuche heimgesucht, die man die Rinderpest nannte. Wie einst zur Zeit der Pest der Mensch, starben jetzt die Haustiere des Menschen wie Fliegen dahin. Angst und Verzweiflung befiel die Bauern, die ihren Reichtum und Stolz innerhalb weniger Tage dahinsinken sahen. Kaum war ein Tier von der Krankheit erfaßt, als es schon zu kränkeln begann und nach wenigen Tagen verendete. Das Rindersterben war derart groß, daß die Bauern mit dem Verscharren des verendeten Viehes nicht mehr nachzukommen vermochten. Man grub im heutigen Gemeindewald von Ostra eine große Grube und warf die verendeten Tiere hinein. Dieser Platz im Walde hat heute noch den Namen "Schinderplatzl". Das Viehsterben ging ohne Unterlaß weiter und eines Tages waren im ganzen Dorfe nur mehr drei Rinder am Leben, die zwei Bauern eigen waren. Das Ereignis hatte die Bauern in Not und Elend gestürzt. Ihr Gebet blieb von Gott unerhört und eine Bittprozession konnten sie nicht unternehmen, denn sie durften ihr Dorf nicht verlassen, da, man befürchtete, daß die Krankheit verschleppt werden könnte. Da machten die Bauern in ihrer Not ein Gelübde, und zwar versprachen sie Gott, daß sie bei Erhörung ihrer Bitte, das Viehsterben abzuwenden, nie mehr an einem Freitag Mist führen wollten. Die schwere Viehseuche erlosch tatsächlich und fortab unterließen die Ostraer Bauern an Freitagen das Ausführen des Düngers. Heute sind die Bewohner des Dorfes aber ihrem Versprechen untreu geworden, denn seit ungefähr zwanzig Jahren erfüllen sie ihr Versprechen nicht mehr.


Gew.: Leopold Stöger, Ostra. Aufz.: Gottlfried Höllmüller, Ostra. 1952.

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62

DAS PESTWEIB

    In stiller Mitternachtsstunde wurde einst der Überführer von Kienstock in seinem Häuschen wachgerufen. ie Stimme kam vom ändern Ufer. Der Pflichtgetreue stand auf und rief hinüber: "Was willst Du um Mitternacht?" Es erfolgte, mit eindringlicher Stimme die Antwort: "Komme schnell herüber mit deinem Muzen, sonst ist es zu spät."

    Der Fährmann nahm seinen Pelz um und ruderte hinüber. Dort traf er einen einzigen Fremden, einen abgemagerten Mann. Ärgerlich beschimpfte er diesen, da er den Muzen verlangt habe, wo er doch allein sei. Der Unbekannte bestieg nun das Schiff. Beim Zurückfahren tauchte dasselbe aber immer tiefer ins Wasser, sodaß es bald bis zum Rande ging. Es war, als ob hunderte Leute in dem Boote wären. Dem Schiffer wurde ganz unheimlich und er war froh, als das Ufer wieder erreicht war. Nach dem Aussteigen sagte der Fahrgast: "Es wird nicht lange dauern, so ruft wieder jemand vom andern Ufer nach Dir, und zwar eine Frau, die Du überführen sollst. Bringst Du sie Über die Donau, dann ist es dein Unglück. Ich will Dir sagen wer ich bin und wer die Rufende sein wird. Ich bin der Tod und rufen wird die Pest." Der Fahrgast war nach diesen Worten verschwunden. Der Überführer war kaum eine Stunde in seinem Häuschen,als er auch schon wirklich ein Weib rufen hörte. Er gab keine Antwort, wie kläglich auch die Frau schrie. Da alles Jammern nichts half, ging das Pestweib stromabwärts weiter und kam nach Weißenkirchen. Dort kehrte es in jedem Hause, das ihm unterkam und offenstand, ein und überall starben die Leute. Der Markt wurde ganz menschenleer. Der schauerliche Gast zündete dann einen Misthaufen an und daraus entstand ein Feuer, welches den ganzen Ort einäscherte. Auch das Pestweib verschwand in diesem Feuer spurlos.

    Heute ist längst das Fergenhaus dahingesunken, verschwunden. An seiner Stelle steht ein schmuckes Haus, das an seinen ehemaligen Besitzer erinnert, der Rußkäfer hieß. Eine Inschrift besagt:


"1000 Johannes 700 Ruß 99 Käfer"


Gew.: Franz Pernauert Weißenkirchen. Aufz.: Dr. H. Plöcknger. 1926.

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63

PLUDERHOSEN

    Es sind schon viele hundert Jahre her, daß zu Unter-Wölbling die, Pest wütete. Auch im stillen Waldtal des Dunkelsteinerwaldes nächst dem vorgenannten Orte, wo sich heute die Häuserrotte "Pluderhosen" befindet, kehrte die Seuche ein. Viele Bewohner der Talsiedlung lagen krank darnieder und mancher hatte bereits sein Leben durch die Krankheit verloren. Um die Seuche auf die wenigen Leute der Rotte zu beschränken, verbot man denselben das Verlassen ihrer Behausungen. Doch war in den Speisekammern bereits das letzte Restchen aufgezehrt, als man noch immer, trotz des eifrigen Versprechens der Ortsbewohner, keine Nahrungsmittel aus dem Dorfe erhielt. Keiner wagte sich in den Bereich des Tales und man überließ die kranken Menschen ihrem Schicksal. Doch die Angehörigen der Pestkranken ließen diese in ihrer Pein nicht verderben, sondern besorgten die nötigen Nahrungsmittel. Wenn der Abend dunkelte und die Nacht ihren schwarzen Schleier über die Tannenwälder breitete, verließen die noch gesunden Leute der Siedlung ihre Heimstätten und wanderten über die Hügel nach entfernter gelegenen Ortschaften, wo sie niemand kannte. Dort besorgten sie Nahrung und kehrten dann wieder auf heimlichem Pfad zurück in das heimische Waldtal. Des öfteren kam es vor, daß sie von den Bauern und Händlern nach ihrer Herkunft befragt wurden. In diesem Falle gaben sie dahingehend Auskunft, daß sie den gutherzigen Menschen sagten, sie seien aus der "Pluderhosen". Diesen Ortsnamen aber kannte niemand und man war daher sicher, daß die Stelle, welche ihnen verboten hatte den Krankheitsbereich zu verlassen, keine Kunde von ihrem Treiben zu nächtlicher Stunde erhielt. Als die Pest aber erloschen war und die Irreführung ans Tageslicht kam, blieb der Häuserrotte aber der sonderbare Name erhalten. Fortab hieß daher die Siedlung im Waldtale nächst Unterwölbling "In der Pluderhose".


Gew.: Dir. Alois Pruckner, Paudorf. Aufz.: Dr. H. Plöckinger (1926).

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64

DAS PESTBRÜNDL

    Die Türken waren in die Flucht geschlagen, aber eine zweite Geißel hatte die Menschen, von Krems und Stein arg niedergeschlagen. Die Pest war in beiden Städten eingekehrt uud wütete nun unter der geplagten Bürgerschaft Gebete stiegen nus gläubigen Seelen in den Kirchen zu Gott und zu den Pestheiligen als Fürsprecher in schwerer Krankheit zum Himmel empor. Noch auf den Lippen der bereits Todgeweihten lag im stummen Gebete zu Kajetan, Rochus und Sebastian die letzte Hoffnung auf Erlösung von dieser Krankheit vor dem Hingang in eine Welt ohne Leid und Not.     Da geschah es eines Tages, daß ein Weinhauer in seinem Weinberg ein Brünnlein entdeckte, welches ein gar sonderbares Wasser spendete. Man trank es ansonsten nicht, denn es zog im Munde beim Verkosten so heftig, und wenn man es im Becher stehen ließ, so blieb ein schimmernder Rückstand darinnen, wenn das Wasser verdunstete. Das kranke Weib des Hauers, das schon mehr im Himmel als auf Erden weilte, trank mit gierigen Zügen das köstliche Naß und genas durch dieses von Tag zu Tag immer mehr, sodaß sich die frohe Kunde von der Heilkraft des Wässerleins mit Windeseile verbreitete. Von weit und breit strömte das Volk in den Weinberg, um den "kostbaren Balsam" um teuers Geld für die daheimliegenden Kranken zu erstehen. Die Pest nahm bald darauf ein Ende und man schrieb dem Wasser des Pestbründels Heilkraft zu. Als die Krankheit erloschen war, geriet die Wunderkraft des Brünnleins aber wieder in Vergessenheit. Doch wenn diese schreckliche Seuche erneut das Land heimsuchte, eilte die Bewohnerschaft immer wieder zum Wunderbrunnen und trank mit vollen Zügen. Nun ist aber das Brünnlein vergessen und man weiß es auch nicht mehr zu finden.


Aus Weißkerns Topographie von Niederösterreich Seite 330.

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65

DIE ERSTEN MENSCHEN VON
GOBELSBURG

    An der Kirche zu Gobelsburg künden alte Bildnisse von Begebenheiten, die uns mit der Abstammung der Menschen dieses Ortes bekanntmachen. Die Abbilder eines Mannes und einer Frau, die dortselbst zum ewigen Gedenken eingemauert sind, Adam und Eva, stellen die Stammeltern der ganzen alten Menschheit dar. Die Bilder eines Mannes und die zweier Frauen ebendaselbst sind zur Erinnerung an die Tage angebracht, wo jene aufs neue in diesem Orte die Abstammung der Menschen beeinflußten.

    Als nach schwerer Pestzeit einst in Gobelsburg nur mehr ein Mann und zwei Frauen am Leben geblieben waren, sorgten diese drei Menschen dafür, daß der Ort in seinem Fortbestand nicht litt. Die Nachkommen dieser übriggebliebenen Bewohner hüben also in diesen dargestellten Menschen ihre neuen Stammeltern zu erkennen.


"Frau Saga", Seite 18, Nr. 7 der 8. Reihe, entnommen.

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Diese Seite wurde am 15. Februar 2003 erstellt.