Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 5

Krankheit - Krieg
Hungersnot
Heft Nr. 5 (Doppelheft)

Teil 2

von Sage 8 bis Sage 16



8

DIE LEBENDE FACKEL

    Als im Jahre 1805 der Korse Österreich arg bedrängte und auch Niederösterreich im Verlaufe der Kämpfe in Mitleidenschaft gezogen wurde, kam es zwischen den verbündeten Österreichern und Russen einerseits und den Franzosen andererseits auch auf der Donauebene zwischen Dürnstein und Loiben zu erbitterten Kämpfen. Besonders das Dorf Unterloiben litt sehr unter einem wiederholten Besitzwechsel wahrend der Schlacht. Der größte Teil des Ortes sank in Schutt und Asche, während die Bewohnerschaft, welche nur teilweise geflüchtet war, von Freund und Feind außerordentlich drangsaliert wurde. So geschah es, daß der Schulmeister des Dorfes, als die Verbündeten den Ort in Besitz hatten, Geld zur Stelle schaffen sollte. Da er keines hatte und auch keines herbeibringen konnte, züchtigten sie ihn und wickelten ihn in Stroh ein. Um den Mann zu schrecken, zündeten sie dieses an, sodaß der Lehrer, mit Namen Paul Steinhauser, am ganzen Körper schwere Verbrennungen erlitt und in etlichen Tagen den Brandwunden erlag. Mit ihm gemeinsam haben noch mehrere Loibner, die den Brand ihrer Häuser löschen und damit verhindern wollten, ein gleiches Schicksal erlitten. Man bestattete die Toten nach dem Abzüge der Freunde und Feinde in ehrenvoller Weise und setzte ihnen ein schmiedeeisernes Kreuz, das als Besonderheit heute noch an der Kirchenmauer zu Unterloiben steht. Das Kreuz ziert eine kleine Figur, aus Blech geschnitten, die einen Menschen in Flammen gehüllt darstellt. Als man nach dem ersten Weltkriege im einstigen Kirchenfriedhof das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Krieges 1914-18 errichtete, setzte man das Kreuz dahin und hielt den Flammentod des Schulmeisters an der Mauer bei den Gedenktafeln bildlich fest.


Nach einer alten Dorfchronik Loibens (aus 1805).

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9

FLIEGENDER JÄGER

    Ein frommes Gedenken ehrt den toten Helden, der in des Lebens schönsten Tagen für sein Volk den Tod fand.

    Ein unheimliches Dröhnen erfüllte die Luft über dem im heiteren Sonnenschein liegenden Donautal der Wadiau, und ließ sie erbeben. Aufgescheucht flatterten die Vögel von Baum zu Baum, scheu, wie wenn sie Unheil künden wollten. Am Himmel zog gleich einem Schwarm Silberfischchen im blauen Äther ein feindlicher Bomberpulk von Ost nach West. Wieder einmal hatten die feindlichen Flieger die alte Kaiserstadt an der Donau mit verderbenbringenden Bomben belegt. Noch dröhnten im dumpfen Grollen die durch Zeitzünder zur Explosion gebrachten Sprengkörper in weiter Ferne. Da, ein kurzes heftiges Tak-Tak. - Dann wieder Stille. Doch was war das? Löste sich nicht aus des Himmels Bläue ein dunkles Etwas? Jagte nicht am sonnigen Firmament, Silberstreifen hinterlassend, etwas dem feindlichen Fliegerschwarm nach? Mit bangem Herzen verfolgte das Volk dies Geschehen. Da kam aus des Himmels weitgespanntem Bogen aufheulend ein Jäger herabgerast. Furchtsam suchten die Weiber und Kinder den schützenden Keller auf. Doch für diesmal brauchten sie keine Angst haben, denn das heransausende Flugzeug, das einen dunklen Streifen hinter sich ließ, war ein eigener Jäger, der seine letzte Fahrt inachte. Gespannt folgte das Auge Unerschrockener, die nicht in die Tiefe gekrochen waren, dem Ereignis. Kaum einige hundert Meter über dem Erdboden löste sich aus der herabrasenden Maschine ein dunkles Bündel, und dann noch eines. Sie fielen zur Erde, während die Maschine weiterstürzte. Sie zog hinweg über die Köpfe der Menschen und über eine Hügelkuppe. Da, ein lautes Krachen und Bersten, eine hoch aufschießende Feuersäule und dann Totenstille. Kein Dröhnen lag mehr in der Luft, kein Flieger zeigte sich mehr am Himmel. Alles atmete wieder tiefen Frieden. Nur hoch am Schloßberge zu Dürnstein stieg ein dunkler Qualm aus dem Felsgewirr und hie und da züngelte eine Flamme durch den quellenden Rauch. In diese Stille schrillte aufheulend die entwarnende Sirene vom Rathause in Dürnstein, vom gegenüberliegenden Rossatz, das Anschlagen der Glocken von Loiben. Dann setzte wieder ein langgezogener Sirenenton ein. Die Warnerin rief auf zur Hilfe. Man sah bereits über die Wunderburg zu Dürnstein Leute mit einer Tragbahre eilen. Sie wollten helfend beistehen. Doch ihre Hilfe kam zu spät. Wohl konnten sie dea Brand im Wrack des Flugzeuges löschen, aber der Flieger, der den stolzen metallenen Vogel einst führte, war nicht zu finden, selbst nicht die verkohlte Leiche. Man stieg wieder zu Tale. Als man ins Städtel kam, herrschte ein eifriges Reden vor den Häusern. Was gab es? - Ein Weinhauer hatte im Kellerberg ein Bündel gefunden und nicht weitab davon noch eines. Und auf diesem lag, innig damit verbunden, unter Weingerank, das blonde Haupt des jungen Fliegers. Der Sturz aus zu geringer Höhe hatte dem Schwerverwundeten den sicheren Tod gebracht. Zerschmettert lag er als kleines Bündel Knochen auf dem Boden des Weinberges.

    Kameraden aus dem Fliegerhorst zu Fels holten ihn heim. Nach Wochen kamen Fremde in das alte Städtchen und trugen ein Bild in den nahen Wald des Zimmertal, wo sie es an einem Baum im Talgrunde befestigten, während oben im Fels und Geröll die Trümmer des Flugzeuges von den Flammen zerfressen lagen.


Dem erzählenden Volke abgelauscht von R. Riedel, 1953.

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10

DIE TAPFEREN DÜRNSTEINER

    Als im Jahre 1741 im österreichischen Erbfolgekrieg ein großes Heer der vereinigten Bayern und Franzosen am rechten Donauufer herabgezogen kam, verbreitete sich blitzesschnell die Kunde vom heranrückenden Feind. Überall herrschte große Angst und auch Ratlosigkeit. Auch in das kleine Städtchen Dürnstein war die Schreckensbotschaft gelangt und der Rat der Stadt mit seinem Richter hatte sorgenvolle Stunden durchzumachen. Seit mehr als hundert Jahren hatte man keinem Feinde mehr im Städtel gegenübergestanden und die Mauern waren daher nicht im besten Zustand. Da war nun guter Rat teuer, aber er wurde gefunden. Der Richter Lackner und sein Ratsschreiber Simandl waren findige Köpfe und setzten in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit die ehemalige "feste Stadt" wieder in Bereitschaft. War das ein Hasten und Jagen, Tag lind Nacht wurde auf den Wehrgängen und an den Toren gearbeitet. Große Fuhren Holz wurden aus den Wäldern herangefahren und aus der "Röhrnboaz" wurden alle Brunnen röhre herangebracht. Und als der Feind tatsächlich erschien, war alles geschafft. Die Hakenbüchsen lagen auf den Mauern, in den Schießscharten drohten die "gähnenden Schlünde", die Feuerschlünde, und die Besatzung lief auf den Wehrgängen der Mauern ohne Unterlaß geschäftig hin und her. Schmetternde Hornrufe und Trommelwirbel schallten aus dem Städtel zum Feinde hinaus, der auch die unzähligen Kanonenrohre in den Scharten wahrnahm. Die Mauern waren dicht besetzt und weißbortige Federhüte bewegten sich, dem Feinde sichtbar, von Zinne zu Zinne. Im Glauben, daßdie Sladt stark besetzt sei, zog der Feind ab, ohne einen Angriff zu wagen. Der schlaue Richter hatte seine Heimatstadt mit Brnnnenrohren in den Schießschaten und rasselnden Häfen als Trommeln, sowie mit alten Federhüten als Soldatentschakos vor einem feindlichen Angriff bewahrt und gerettet.

Altes Volksgut. Gew.: Josef Maurer, Dürnstein. Aufz.: Riedel Rud. 1922.

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11

DER ERSCHLAGENE FEIND

    Als im Jahre 1809 abermals die Franzosen durch das Donautal als Feinde einherzogen, litt das Volk durch hohe erprefite Lieferungen sehr unter diesem feindlichen Einfall. Die Soldaten des Feindes fanden daher bei den Bewohnern nur Ablehnung. Manchmal mußten auch einzelgehende Franzosen für die Kriegslust ihres Kaisers büßen, denn die Bewohner erschlugen sie. So erzählte der alte Dürnsteiner Bürger Georg Kernstock, daß im Hause Nr. 33 zu Dürnstein ein Soldat erschlagen wurde, als er sich im Streuboden des Hauses verbergen wollte. Solange der Feind im Orte war, blieb das Opfer des Krieges in der Laubstreu des Bodens verscharrt und wurde erst nach dem Abzug der feindlichen Truppe bestattet. Die Waffen des Kriegers wurden vom Volke verborgen und erst viele Jahrzehnte hernach aufgefunden, nachdem darüber befindlicher Unrat sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt hatte. So fand sich das Gewehr im Hause Nummer 29 zwischen dem Gebälk des Daches.


Gew.: Georg Kernstock, Dürasieln, Aufz.: R. Riedel, 1922

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12

DAS RUSSENGRAB AM SCHLOSSBERGE

    Als im Jahre 1805 die Schlacht bei Dürnstein zwischen Franzosen einerseits und den verbündeten Russen und Österreichern anderseits im Loibnerfelde geschlagen wurde, fielen viele Soldaten von Freund und Feind im Felde vor Dürnstein und in den Bergen. So erlitt auch ein russischer Soldat auf dem Wege von Dürnstein nach Scheibenhof über den Schloßberg fern seiner Heimat den Tod, als eine französische Streife mit seiner Umgehungsabteilung ins Gefecht kam. Man bestattete ihn an der Stelle, wo er fiel. Viele Jahrzehnte später fand man seine Gebeine an der Stelle, wo man ihn begraben hatte. Ein kleines Eichbäumchen war sein Totenmal gewesen. Die Stelle nannte man immer das Russengrab beim Bannwaldgassel.


Gew.: Josef Mauerer d. Ä., Dürnstein Aufz.: Riedel R. Dürnstein 1920.

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13

DAS ZWEITE GESICHT

    Bei einem Weinhauer in der Wachau zu Wösendorf war einmal ein achtzehnjähriger gottesfürchtiger Hauersbursche aus Spitz als Knecht verdingt, der weder Freund noch Liebschaft kannte und selten ein Wort zu viel sprach, dafür aber desto öfters den Blick in das Ungewisse gerichtet, bei wachen Sinnen vor sich hinzuträumen schien.

    In den traurigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges war man auch in der Wachau voll Unheilsahnungen. Dies läßt die Aussage erkennen, die der vorgenannte Hauerbub namens Jakob Sältinger machte, der bei dem Hauer Wolf Stöller zu Wösendorf bedienstet, am 30. Mai 1642 vor dem Marktgericht des Tales Wachau machte. Dieser berichtete:

    "Dienstag, den 27. Mai, früh um sieben Uhr, als er zum Weingarten ins Hauen habe gehen wollen, sei ein alter grauer Mann in einem weißen Kleide unter dem Tore zu ihm gekommen und habe gesagt, er solle sein Arbeitszeug niederlegen und mit ihm gehen. So habe er seine Haue und den Weinzöger wieder in seines Herren Haus zurückgetragen und sei mit dem alten Mann fortgegangen. Darauf wären sie in eine große Stuben gekommen. Dort habe der alte Mann zu ihm gesagt, er solle zum Fenster hinausschauen. Als er wiederum hereingeschaut, habe der alte Mann ihn gefragt, was er gesehen hätte, worauf er geantwortet, er habe große Fässer voll Wein gesehen, welche verbällt gewesen sind. Auf die Weisung des Alten habe der Knecht zum ändern Fenster hinausgeschaut und viel Kriegsvolk gesehen. Beim Hinausblicken durch das dritte Fenster sei gar ein Stall voll Totenbahren sichtbar gewesen.

    Danach habe der alte Mann gesagt, der Bube soll ihm in seine Hand sehen. Er öffnete sie und bemerkte darin ein Häuflein Mehl und ein Häuflein Korn. Darauf hat jener gesagt, es werde das Getreide sehr teuer werden, vorher aber ein großes Sterben kommen. Daher solle er, der junge Knecht, den Leuten sagen, daß sie Buße tun, sonst werde Gott sie strafen. Es soll alles gut und wieder Glaubenseinigkeit werden. Geschehe es in diesem Jahre nicht mehr, dann im nächsten. Diese Zusammenkunft hätte von der Früh bis gegen zwei Uhr nachmittags gewährt. Darauf sei dem Jungen recht heiß geworden. Er sei müde und schwach gewesen, und er habe anfangs das Haus seines Herrn nicht finden können. Endlich habe er es doch wieder erkannt."

    Diese Angaben nahm das Gericht auf und heute erliegt noch die Urkunde im Archiv des Marktes Weißenkirchen.

    Der Bursche ging nach der Erscheinung anfangs seiner gewohnten Arbeit im Weingarten nach, trat aber trotz seiner Wortkargheit später als Mahner vor das Volk in Häusern und auf der Straße, wo er es fand, bis man es ihm verbot, dies zu tun.


Gew. und Quellenschrift: Urkunde im Markarchiv Weißenkirchen. Aufzeichnungen durch Dr. H. Plöckinger. Siehe auch "Frau Saga" von Franz Kissling, 2. Reibe, Nr. 80, Seite 70.

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14

FRANZOSENNOT IN EMMERSDORF

    Als die Franzosen im Jahre 1805 Österreich bekriegten, kamen sie auch in die Wachau. Bei der Nachricht vom Anrücken des Feindes packten die Emmersdorfer eilig ihre Habe und führten sie, auf Wagen verladen, in den tiefen Waldgraben, wo sich die Burgruine mit der alten Burgkapelle befindet. Den letzten Wagen erwischten jedoch die französischen Soldaten und hielten ihn an. Der Bauer, der ihn führte, war vor Angst fassungslos. Die Krieger beruhigten ihn aber und sagten zu ihm, daß sie ihm nichts anhaben wollten. Sie forderten ihn auf, umzukehren und ihnen Geld und Lebensmittel zu borgen. Sie halfen ihm umkehren, sodaß er mit dem Ochsengespann wieder gegen Emmersdorf zu fahren vermochte. Als sie umkehren halfen, bemerkten sie, daß der Bauer auf seinem Wagen keine Schätze und wertvolle Dinge verladen hatte, sondern nur reichlich für seinen Magen Vorsorge getroffen hatte. Sie entdeckten einen großen Hafen Streichkäse. Und da das Fuhrwerk einen schwarzen und weißen Ochsen als Zugtiere besaß, trieben sie mit Ochs und Käse Schabernack. Sie bestrichen den schwarzen Ochsen mit Streichkäse, sodaß der Bauer mit zwei weißen Ochsen die Heimfahrt antreten mußte. Sonst taten sie dem armen Manne nichts zu Leide.


Gew.: Oberl. Josef Brait, Emmersdorf. Aufgezeichnet 1925.

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15

DIE RACHE DER FRANZOSEN

    Im Jahre 1805 kamen die Franzosen nach Rantenberg nächst Emmersdorf und bezogen dort ihre Unterkünfte. Eines Abends kam ein französischer Soldat nach dem nahen Haidhof zum Winklerbauern. Er forderte Essen. Doch der Bauer war darüber ungehalten und schlug den Krieger, bis er fast leblos zu linden sank. Ohnmächtig warf er denselben auf das Feld und stellte eine Egge über den bewegungslosen Körper. Am nächsten Morgen war der Soldat verschwunden. Der Krieg ging zu Ende und Jahre des Friedens kehrten ein. Da unternahm Napoleon 1809 wiederum einen Kriegszug gegen Österreich. Der Bauer hatte das Geschehen von 1805 längst vergessen, da erschien eine Abteilung französischer Soldaten vor dem Haidhof und führte den Bauern vor seinen Hof, stellte ihn an sein Hoftor und erschoß den hartherzigen Mann. Das Anwesen wurde hierauf niedergebrannt. Der einst Geschlagene hatte fürchterliche Rache genommen.


Gew. und Aufz.: Obl. Josef Brait in Emmersdorf (1925).

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16

DER TOD DES FRANZOSENOFFZIERES

    Als einst im Jahre 1809 zu Gossam eine französische Soldatenabteilung eingelegt war, starb deren Kommandant. Man bestattete denselben in einem Grab am Hohlwege zwischen Gossarn und Grimmsing. Man setzte ihm einen Grabstein, der noch heute dortselbst steht. Von seinen einstigen Habseligkeiten blieb sein Säbel im Kaufmann-Hause zurück, der von den späteren Bewohnern des Hauses aufgefunden wurde. Der Sage nach hatte man ihn einst vor der nachforschenden Polizei im Dachgebälk versteckt; die bis 1815 die Nachforschungen nach dem Toten weitergeführt hatte.


Gew.: Bgm. Kaufmann aus Gossam. Aufz.: Obl. Josef Brait, Emmersdorf (1925).

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Diese Seite wurde am 15. Februar 2003 erstellt.