DIE GOLDWÄSCHERIN VON TRANDORF
Vor vielen Jahren standen am Großen Berg, nördlich von Trandorf,
drei Bauernhöfe, deren Besitzer sehr reich waren. Das Ansehen
dieser "Herrn von Trandorf" war so groß, daß der Pfarrer von
Meisling, zu welcher Pfarre Trandorf damals gehörte, nicht eher die
Sonntagsmesse beginnen durfte, bevor nicht einer der drei "Herrn
von Trandorf" anwesend war.
Zur Zeit des 30jährigen Krieges. als die Schweden in
unsere Heimat kamen, hatte die Bevölkerung arg unter der
Besetzung zu leiden. Die Feinde raubten und plünderten,
was sie vorfanden. Die Plünderer kamen auch zu den drei
entlegenen Gehöften und erhofften sich dort reiche Beute.
Doch die Herrn von Trandorf hatten vorgesorgt: Alle ihre
Schätze hatten sie in einem langen unterirdischen Gang
verborgen, der die drei Höfe verband. Aus Wut darüber,
daß die erhoffte Beute ausgeblieben war, steckten die
Schweden alle drei Höfe in Brand, sodaß sie bis auf den
Grund eingeäschert wurden. Die wehrhaften Männer wurden
mitgeschleppt; keiner von ihnen ist in die Heimat
zurückgekehrt. Die Frauen versteckten sich beim Herannahen
der Feinde in ihrer Angst in den unterirdischen Gängen.
Man nahm an, daß sie durch den eindringenden Rauch er
stickt seien. Die Höfe waren dem Verfall preisgegeben.
Viele Jahre später ging eine Frau mit ihrem siebenjäh
rigen Söhnchen auf eine Wiese am Großen Berge. Es war
an einem Karfreitag zu jener Stunde, da der Pfarrer in der
Kirche zu Trandorf die Passion betete, als dieFrau in ihrer
Nähe ein eigenartiges Plätschern vernahm. Sie ging dem
Geplätscher zu und entdeckte bald ein klares Wässerlein,
an dem eine weißgekleidete Frauengestalt saß und
herrliches Geschmeide von Gold im hellen Wasser wusch. Nun
wagte sich die Frau noch näher heran. Die geheimnisvolle
Goldwäscherin erblickte sie aber und verschwand blitzschnell
in einem Felsloch. Die Frau konnte ihre Neugierde,
geblendet von dem vielen Gold, nicht bezähmen und folgte
mit ihrem Söhnchen der geheimnisvollen Gestalt. Sie kam
in ein großes Felsgewölbe. Was sah sie dort? Ein
riesengroßer Bottich, gefüllt mit kostbarem Gold und Edelstein,
stand vor ihr . So schnell sie es vermochte, raffte sie von
dem Schatz in ihre Schürze, so viel sie konnte, und eilte
dann ins Freie. In ihrer Eile vergaß sie aber ihr Söhnchen.
Und als sie zurückeilte, um es zu holen, war der Fels fest
Verschlossen. Nun klagte und weinte sie bitterlich und
konnte keine Freude an ihrem Schatze finden. Jeden Tag ging sie hinauf
zum Fels und suchte nach ihrem Kinde -- vergeblich.
So verging ein ganzes Jahr. Am Karfreitag des nächsten Jahres stand
sie wieder vor dem Fels und weinte bittere Tränen. Doch plötzlich -- es
war um die neunte Stunde -- teilte sich das mächtige Felsgebilde und
ein großes Tor kam zum Vorschein. Durch dieses trat, gesund und
wohlbehalten, einen schönen Apfel in der Hand, ihr Söhnchen. Wie war
die Frau nun glücklich! Jetzt dachte sie nicht mehr an Gold und
Edelsteine, sondern nahm ihr Kind voll Freude und Glück in die Arme
und ging mit ihm heimwärts. Sie lebten froh und zufrieden -- auch ohne
Gold, denn dieses war inzwischen zu wertlosem Gestein geworden.
Ob die geheimnisvolle Goldwäscherin eine der Frauen war, die einst in
den Höfen am Großen Berg gewohnt haben?
Wer sie sehen will, der komme am Karfreitag nach Trandorf und gehe
um die neunte Stunde auf den Großen Berg.
Aufgezeichnet von Helga Göls. (1952). Überliefert von Herrn Ignaz Salzer, 75
Jahre alt, und Frau Pauline Salzer, 46 Jahre alt.
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