A. Gerold
Hund und Jäger
zeigt sich seine A n l a g e zur Schärfe schon sehr früh, nur weiß er damit noch wenig
anzufangen. Es ist deshalb ein schwerer Fehler, wenn man einem noch zu jungen und
unerfahrenen Hund Gegner verschafft, die ihm üble Lektionen erteilen können. Wird ein
junger Hund, der in ererbter Wut eine Katze anfällt, von dieser schwer geschlagen, so
verschafft ihm das einstweilen die Überzeugung, daß es klüger ist, Katzen entweder ganz
in Frieden zu lassen, oder aber er wird künftig große Vorsicht walten lassen und einer
Katze nur nacheilen, wenn und solange sie vor ihm flüchtet. Stellt sie sich, wird er sie
umtanzen, verbellen und nicht wissen, was er sonst anfangen soll. Man hat damit einen
Steller erzogen statt eines Würgers. Bis sich eine solche innere Schlappe des Hundes
wieder ausgleicht, können J a h r e vergehen. Man muß dem Hunde zur Entwicklung seiner Anlagen Zeit lassen, auch zum Ausreifen seiner Schärfe. Überdies soll man die richtige Entwicklung seiner Schärfe fördern und für zweckmäßige Gelegenheiten sorgen. Im Revier wird der Hund bald lernen, daß streunende Katzen sein Freiwild sind. Sieht man so eine Streunerin auf Schußentfernung, wird sie natürlich im Knall bleiben. Sie ist dann gut für einige Bringübungen. Ist sie für einen Schuß zu weit und sind einzeln stehende Bäume oder Baumgruppen in der Nähe, zeigt man dem Hunde die Katze, wenn er sie nicht schon selbst eräugt hat, und hetzt ihn mit dem Befehl "Faß!" nach. Die verfolgte Katze benützt die nächste Gelegenheit um aufzubaumen. Der Hand wird die Katze verbellen, ja er wird sogar — natürlich vergebens — versuchen, den Baum zu erklettern. Von selbst herunterkommen wird die Katze bestimmt nicht. Man hat Zeit, während der Hand tobt, in normalem Tempo näherzukommen und die Sünderin aus der Astgabel, meist nahe am Stamm, wo sie sich gedrückt hat, mit einem Schuß herunterzaholen. Anfangs kommt man zuverlässig auf den Kopf ab. Der Hund darf sie dann zausen und bringen. Wiederholen sich solche Ereignisse im Revier, so steigern sie die Schärfe ungemein; und zwar viel mehr, als wenn man mit dem Hunde Wutexerzitien vor eingegitterten oder gar nur ausgestopften Katzen veranstaltet. Freilich kann man den Katzenhaß des Hundes steigern, wenn man Kisten mit einer durch Doppelgitter geschützten Katze verwendet, wobei die Kiste sinnreiche Einrichtungen hat, die den Hund ärgern und reizen. Aber damit ist wenig oder nichts erreicht. Selbst wenn ein Hund gegenüber einem wehrhaften Kater vor Haß zu zerspringen droht, ergibt sich daraus noch lange nicht seine Fähigkeit, einen verwilderten Kater zu fassen und zu erledigen. Haß und angewandte Schärfe sind zweierlei. Überdies sorgen Katzenerlebnisse im Revier ganz |
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wird dann noch eine rasche Würgearbeit zu leisten haben, bevor er sie bringen kann. Dabei
wird es zwar manchesmal eine kleinere oder größere Schramme setzen, aber der Hund wird
daraufkommen, wie er seinen Feind am raschesten erledigt, er sammelt Erfahrungen und
gewinnt an Geschicklichkeit und Schärfe. Er formt sich allmählich eine gewisse
Angriffstechnik, die ihm sehr zu statten kommt und die sein Selbstvertrauen hebt.
Verschieden gute Schüsse werden dem Hunde Gelegenheit bieten, eine gesteigerte
Abwehrkraft zu bewältigen. Dann wird es sich eines Tages ereignen, daß eine wildernde
Katze nicht mehr Zeit findet, im Felde eine Deckung oder eine Möglichkeit zum
Aufbaumen zu erreichen. Sie wird sich stellen. Der scharfe, inzwischen erfahren gewordene
Hund wird dann nicht mehr fackeln, sondern den Revierschädling blitzschnell fassen und
abwürgen, flott bringen und sauber abgeben, wie er es gelernt hat. Ist ein Hund einem wehrhaften Kater gewachsen, dann wird er auch mit dem weniger wehrhaften Reineke keine Balgerei mehr nötig haben, vorausgesetzt, daß er schon weiß, was ein Fuchs ist. Nebstbei werden Kastenfallen allerlei liefern, was der Entwicklung der Schärfe des Hundes dienlich ist. Daß Katzen im Hause und im Dorf „tabu” sind, bringt man seinem Zögling schon in dessen Jugend bei. Wo in der Nähe von Gehöften die "jagdrechtliche" Stellung einer Katze fraglich ist, wird ein „Pfui! Fuß!” oder ein „Pfui! Platz!” für den Hund die Sachlage klären. Unsere klugen Hunde kommen bald darauf, was sie dürfen und was nicht. Raufereien mit Dorfkötern sieht ein Jäger begreiflicherweise ungern. Aber sie werden sich nicht immer verhindern lassen, besonders nicht zu den Zeiten der Hitze verschiedener Hündinnen. Schließlich haben selbst solche Raufereien noch etwas Gutes: der Hund bringt außer vermehrten Flöhen und einigen Schrammen auch eine erhöhte Wendigkeit und Geschicklichkeit heim, was wiederum seiner Schärfe zugute kommt. Wenn ein Hund im Feld eine Katze verfolgt, die ein Gehölz mit dichtem Unterwuchs annimmt, wird man besonders bei den großen Hunderassen mit Verdruß bemerken, daß selbst feinnasige und spursichere Hunde die Katzenspur dort verlieren, wo der Unterwuchs beginnt. Sie gehen wie verrückt zu freier Suche über, suchen von Baum zu Baum und finden dann schließlich doch jenen, auf dem sich die Katze gedrückt hat. Das hat seinen Grund nicht etwa in einer überzarten Wittrung einer Katzenspur, sondern darin, daß sich der Hund wohl oder übel daran gewöhnt hat, Katzen auf Sicht zu hetzen. Wer sich die Mühe nimmt, seinen Hund so wie bei Wild regelrecht auf Katzenspuren zu arbeiten, sowohl auf gesunden wie auch auf kranken, |
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Hunde fest verankert bleiben. Gefällt es ihm aber begreiflicherweise besser, etwa
auf der Suche oder bei ähnlichen Anlässen auf den Schuß n i c h t in die Platzlage
zu klappen, sondern zu äugen, wie sich das beschossene Wild verhält, nimmt er
sich somit diese Freiheit heraus, was immerhin mit Vorteilen verbunden sein kann,
so mag man ihn gewähren lassen, falls er nicht die Neigung zeigt, auf den Schuß
einzuspringen und dem Wilde nachzuprellen. Zeigt sich diese Untugend, was
nach mehrmaligem Besuch von Treibjagden leicht eintreten kann, dann wird eben
der Zügel ein wenig fester angezogen und es gibt wieder den Platzbefehl, bis der
Begriff sitzt. Hat ein nachziehender Vorstehhund oft erlebt, daß laufende Hühner am Ende eines langen Ackerstreifens aufstanden, bevor sein Herr herankommen konnte und daß er deshalb nicht zum Schusse kam, so k a n n dem Hunde eines Tages der Knopf aufgeben: er umschlägt die Hühner gegen den Wind, also o h n e Nase, und legt sie von der anderen Seite fest, wenn sie halten. Das ist eine Leistung des Verstandes, oder wie man es sonst nennen mag. Lehren kann man sie dem Hunde nicht. Man kann höchstens versuchen, den Hund einem anderen fermen Vorstehhunde sekundieren zu lassen, der dieses Kunststück aus eigenem fertigbringt. Das kann zum Ziele führen, aber auch nicht. Jüngere Totverbeller geben Hals, weil sie das so gelernt haben, oder aus Naturanlage. Ältere Hunde, die oft verbellt haben, kommen schließlich darauf, daß ihr Laut den Herrn heranruft. Sie wissen dann mit ihren Stimmbändern bewundernswert haushälterisch umzugehen. Der helle Kopf bogenreiner Stöberhunde und erfahrener Bracken ist bekannt. Sie wissen, worauf es ankommt. Daß Hunde auf Birsch und Ansitz ihren Herrn lautlos aufmerksam zu machen wissen, bewußt und mit Absicht, ist beinahe selbstverständlich. Ist ein Hund in dieses Entwicklungsstadium der Vollreife gelangt, so kann sich zwischen Herr und Hund bei verständnisvoller und gütiger Führung eine gute Kameradschaft entfalten, um nicht zu sagen eine Freundschaft. Dazu gehört aber nicht nur, daß ein Hund jeden leisen Wink seines Herrn versteht und daß es selten mehr gesprochener Befehle bedarf, um den Hund zu einer Leistung oder Unterlassung zu bewegen, sondern auch umgekehrt: daß der Herr die Wünsche seines Hundes versteht und sie, wenn es angeht, erfüllt. Man darf dabei überzeugt sein, daß jede pendelnde Bewegung seiner Rute ein Zeichen der Freundschaft und Liebe zu seinem Herrn ist. Und schließlich wird wohl jedem Weidmann von echtem Schrot und Korn ein treuer, zuverlässiger Jagdgefährte lieber sein als ein bloß willenloser Sklave. |
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