A. Gerold

Hund und Jäger


Teil 16
Von Seite 103, „3. Vorstehen.”
bis Seite 108, Ende „4. Quersuche”



3. Vorstehen.

    Junge Hunde stehen gewöhnlich alles vor, was sie noch nicht kennen, was sie in die Nase bekommen oder eräugen. Das hört aber bald auf mit zunehmendem Wissen um die Dinge der Welt. Deshalb muß die Vorsteharbeit mit dem Hunde systematisch durchgenommen werden, bis die Zeit dazu herangekommen ist; d. h. mit dem bereits „hasenreinen” Hund. Daß man mit einem Hunde, der nicht da ist, weil er soeben einem Hasen nachteufelt, nicht das Verhalten vor Hühnern durchexerzieren kann, leuchtet ein. Außerdem wird ein Hasenhetzer die Hühner ebenso herausstoßen wie die Löffelmänner. Die Hasenreinheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Vorsteharbeit. Gut ist es, wenn man die Abführung eines Hundes im Vorstehen während der Paarhühnerzeit durchnehmen kann; also im März und April,  b e v o r  die Hühner ihre Gelege bereiten. Felder und Wiesen,sind da noch betretbar und die Hühner halbwegs gleichmäßig über das ganze Feldrevier verteilt. Sie haben wenig Deckung, überdies zur Paarzeit eine stärkere Wittrung als sonst einzelne Hühner haben. Sie liegen fester als gewöhnlich und halten den Hund meist gut aus. Zu vermeiden sind, ehe der Zögling im Vorstehen einigermaßen ferm ist, Revierteile mit vielen Lerchen. Diese edlen Sänger haben auf die Hundenase eine ähnlich aufreizende Wirkung wie die Hühner. Sie scheinen eine ähnliche Wittrung auszuströmen, die den jungen Hund verwirrt.

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    Die ersten Arbeitstage mit dem Zögling, bei freier Suche im Felde, sind kein Vergnügen, denn sie beanspruchen ausgiebig die Gehwerkzeuge des Führers. Eine systematische Quersuche kann man ja einstweilen weder erreichen noch verlangen. Der Hund muß erst lernen, was er vor Hühnern  s o l l:  das Vorstehen nämlich. So muß man denn eben höchstpersönlich mit dem Schüler über die Felder stolpern.

    Man führt den Hund in freier Suche, bei der man ihn nicht zu weit hinausläßt, mit gutem Wind an Hühner heran, und läßt ihn dabei nicht aus den Augen. Zeigt er irgendein verändertes Verhalten, ein „Markieren” also, befiehlt man ihn sofort in die Platzlage: entweder durch einen Pfiff, nicht lauter als erforderlich, oder durch Hochheben des rechten Armes, falls der Hund zum Führer äugt. Dann geht man ruhig, nicht schneller als bisher, zum Hunde. Hinzu l a u f e n  darf man nicht, das würde ihn hitzig machen. Dann leint man ihn vorerst an, gibt ihm  r u h i g  den Befehl „Such weiter” und führt ihn langsam schrittweise an die Hühner. Streichen die Hühner ab, gibt man wieder den Platzbefehl. Nachfolgendes Lob und Belohnung ergänzen den Unterricht.

    Während des Abstreichens beobachtet man wenn möglich, wo die Hühner einfallen. Man weiß dann, wo man sie wieder zu suchen hat. Hernach führt man, immer gegen den Wind, den Hund wieder an die Hühner. Man läßt sich dabei die erforderliche Zeit. Die Luftwittrung frisch eingefallener Hühner, die ihre Schwingen an sieh gedrückt halten, braucht ungefähr eine Viertelstunde, um sieh der sie umgebenden Luft mitzuteilen. Brächte man seinen Hund zu früh an diese Hühner, so würde er sie, selbst mit bester Nase, meistens herausstoßen, ohne daß er Schuld daran trüge.

    In dieser Weise arbeitet man mit dem jungen Hunde weiter. Tage mit weichem Wetter, an denen die Luftwittrung besser hält und leichter wahrnehmbar ist für die Hundenase, sind nicht nur für die Anfangsleistungen des Hundes ersprießlicher als trockene windige Tage, sondern immer.

    Macht der Hund seine Sache gut, läßt man ihn bei der Suche nach und nach immer weiter vom Führer fort, ihn stets genau beobachtend. Markiert er, gibt man den Platzbefehl. Steht er vor, geht man, im Tempo wie sonst, auf den Hund zu. Wird er unruhig, befiehlt man ihn in die Platzlage. Wird er während der Suche überpassioniert, beruhige man ihn durch Zuspruch oder, wenn erforderlich, durch Platzbefehle und entsprechende Pausen.

    Stößt der Hund unversehens Hühner heraus, erhält er sofort den Platzbefehl. Ist man, mit unbeschwingtem Gange, beim Hunde angelangt, wird er angeleint, diesmal ohne Lob. Weiß oder vermutet

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man in unmittelbarer Nähe noch Hühner, läßt man ihn vorsichtig weitersuchen. Vor abstreichenden Hühnern befiehlt man den jungen Hund vorteilhafterweise stets in die Platzlage. Späterhin, was noch besprochen werden wird, mag man das auch anders halten.

    Steht der Hund schließlich ordentlich vor, was bei vielen Hunden schon nach einigen Tagen erreicht wird, muß man ihn dazu verhalten, daß er solange durchsteht, bis sein Herr herangekommen ist. Man läßt sich immer mehr Zeit, zum Hunde heranzukommen. Steht er fest, so ist es gut, das Wild gelegentlich zu umschlagen und es von der anderen Seite selbst herauszustoßen. Will der Hund nachprellen, erhält er den Platzbefehl. Stand er durch, wird er reichlich gelobt.

    Steht der Hund Lerchen vor, oder markiert er ihre Wittrung, tadelt man ihn jedesmal mit einem „Pfui, was ist das!”, oder mit dem Zuruf „Pfui! Vogel!”. Wiederholt sich das zu oft in einem Revierteil, sucht man zur weiteren Arbeit einen andern auf.

    Manchmal kommt es vor, daß der Hund bereits auf unwahrscheinliche Entfernungen vorsteht. Man meine deshalb nicht, einen Wunderhund zu haben. Der Hund steht in einem solchen Falle ein Geläufe oder eine Spur vor.

    Klappt das Vorstehen und auch das Durchstehen gehörig, geht man zu Versuchungen über und gibt beim Aufstehen der Hühner einen blinden Schuß ab mit darauffolgendem Platzbefehl. Manche Jäger wünschen nicht, daß ihr Hund auf einen Schuß in die Platzlage sinke. Sie wollen, daß der Hund, wenn gejagt wird, abgeschossenes Federwild fallen sehe, um es später leichter finden zu können. Dieser Wunsch ist nicht unberechtigt, aber seine Erfüllung ist beim jungen Hund, im ersten Feld und auch im zweiten, nicht empfehlenswert. Es ist gut, erst dem reifen und bereits erfahrenen Hunde, wie das später gesagt werden wird, solche Freiheiten zu gestatten. Er wird sie sich mit der Zeit schon selber nehmen und man läßt sie ihm dann angehen. Vorerst ist es gut und notwendig, den Schüler so fest in der Hand zu haben, wie das überhaupt möglich ist, ohne seine Jagdpassion zu ertöten.

    Für die Hühnersuche im Herbst mit dem jungen Hunde gilt das nämliche wie oben gesagt. Man darf seinen Schüler niemals mit einem anderen Hunde, der auch noch nicht ferm ist, gemeinsam führen. Hingegen ist die gemeinsame Suche mit einem  f e r m e n Vorstehhunde, der dem eigenen bekannt ist, kein schlechtes Schulungsmittel im Vorstehen, Sekundieren und Nachziehen, vorausgesetzt, daß der eigene Hund über die Anfangsgründe in diesen Fächern bereits hinaus ist. Dabei ist aber auf die Eifersucht der Hunde sehr zu achten.

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    Es gibt Hunde, die sich nicht bequemen können, ihre Nase hoch zu nehmen, die immer  n u r  mit tiefer Nase auf dem Boden suchen. Diese sind für die Vorsteharbeit ungeeignet. Sie können aber in der Schweißarbeit und als Verlorenbringer vorzügliches leisten und sind dementsprechend verwendbar.

    Technische Hilfsmittel, die man erfunden hat, um solche Hunde zum Hochnehmen der Nase zu zwingen, wie z. B. Storchschnäbel u. dgl., sind wertlos.

4. Quersuehe.
 
    Unsere hochgezüchteten Vorstehhunde haben wohl die ererbte Anlage, Wild zu suchen und dieses vorzustehen. Eine systematische, raumgreifende Suche aber muß ihnen erst angelernt werden. Denn so wie alles Niederwild im Felde vorwiegend in Furchen, Gräben und Rainen läuft, was ihm bequemer ist und bessere Deckung bietet, läuft auch der sich selbst überlassene Hund suchend längs der Furchen, und läßt den übrigen Teil der Äcker unabgesucht. Damit ist dem Jäger wenig gedient. Der Hund soll ja dem Jäger die Mühe ersparen, selbst die Äcker nach allen Richtungen abzustiefeln, um das Wild in den Deckungen zu finden.

    Bevor man dazu übergehen kann, dem Hund eine gerechte Quersuche beizubringen, muß man selbst wissen, was man vom Hunde fordern will, und wie man das erreichen kann. Eine fördernde Quersuche besteht darin, daß man selbst, ungefähr in der Mitte des Revierstreifens, den man absuchen will,  g e g e n  den Wind geht und den Hund v o r  sich nach rechts und links das ebene Gelände in einer Gesamtbreite von ungefähr zweihundert bis dreihundert Schritten flott absuchen läßt, also nach jeder Seite etwa hundert bis hundertfünfzig Schritte weit. Je schneller, flüchtiger die Gangart des Hundes ist, um so besser, jedoch mit einer wichtigen Einschränkung: der Hund darf nicht schneller arbeiten, als das die Güte seiner Nase erlaubt. Ist er flüchtiger, als seine Nase die Luftwittrung einfangen kann, so wird er das Wild herausstoßen und gar nicht zum Vorstehen kommen, ebensowenig wie der Jäger dabei zu Schuß.

    Wie schon im vorigen Abschnitt über das Vorstehen gesagt worden ist, muß der, selbstverständlich hasenreine, Hund im Vorstehen ordentlich abgeführt sein, womöglich auch im Nachziehen hinter laufenden Hühnern. Ihm eine planmäßige Suche beizubringen, ist an sich nicht schwierig, stellt aber an die Hinterläufe des Führers keine geringen Anforderungen; denn anfangs muß man selber tüchtig laufen, wo es erforderlich ist. Aber die Mühe lohnt sich in allen Feldrevieren, wo eine Suche überhaupt dafürsteht.

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    Mit dem Gesicht gegen den Wind — er kann auch schräg von rechts oder links kommen, worüber bei weichem Wetter der nasse Finger oder ein paar Züge aus dem Glimmstengel belehren — gibt man dem Hunde den Befehl „Such aus!”, wobei man den Ton auf das Wort „aus” legt, und weist ihm, nach Belieben mit dem rechten oder linken Arm, die Richtung, in der er suchen soll. Zugleich macht man ungefähr eine Viertelwendung und geht ein Stück in der selben Richtung, die man dem Hunde angegeben hat, hinter ihm her, aber immer mehr gegen die Windrichtung, so daß man mit der Suche ein Stück vorwärts kommt. Den Hund läßt man anfangs nicht so weit fort wie später bei zunehmender Übung, keinesfalls weiter, als man ihn erfahrungsgemäß in der Hand hat. Hat sich der Hund suchend, wobei anfangs ein halbwegs flotter Trab genügen mag, weit genug entfernt, ruft man ihn durch den Doppelpfiff oder falls er heräugt, durch den Armbefehl heran, macht eine Wendung in die entgegengesetzte Richtung, und beschleunigt das Tempo des Hundes dadurch, daß man selbst ein Stück läuft, nun vom Hunde weg in der anderen Richtung. Den herankommenden Hund muntert man durch den Befehl „Such aus!” zum Weitersuchen auf, zeigt gleichzeitig mit dem Arm in die neue Suchrichtung und geht oder läuft, wenn der Hund zu langsam ist, wieder ein Stück in der gleichen Richtung mit. Wem es mehr Vergnügen macht, beim Weitersuchen statt „Such aus” zu sagen „Such weiter”, kann sich das natürlich gönnen, dem Hunde ist es einerlei, und auch die Wirkung ist keine andere. Hat der Hund den ihm zugedachten Abstand vom Herrn erreicht, wiederholt man das vorige Manöver nach der anderen Seite und so fort. Wird der Hund zu langsam, besonders beim Wenden und Herankommen, läuft man immer selbst ein Stück, natürlich vom Hunde weg, in die gewünschte neue Suchrichtung. Der Führer stiefelt also anfangs in einer schmäleren Zickzacklinie gegen den Wind, während der Hund vor ihm eine weitaus breitere Schlangenlinie zurücklegt. Wird der Hund zu flüchtig oder droht er in einer Bodensenke zu verschwinden und den Augen seines Herrn unkontrollierbar zu werden, pfeift man ihn entweder heran, oder unterbricht seine ersprießliche Tätigkeit durch einen Platzbefehl. Wie weit man den Hund nach beiden Seiten jeweils hinauslassen kann, ohne daß er Dummheiten macht, wird man bald merken. Auf jeden Fall steigere man die Breite der Suche des Hundes nur allmählich. Steht der Hund vor, verhält man sich so, wie das im vorigen Abschnitte gesagt worden ist. Man geht langsam, im Tempo wie gewöhnlich, zum vorstehenden Hund und beruhigt ihn durch einen Platzbefehl, wenn es nötig wird.

    Ist der Hund wiederholt auf Wild zum Vorstehen gekommen, geht ihm immer mehr und mehr ein Licht auf, und seine Suche wird

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immer schneller und passionierter werden. Es ist nicht gut, den Hund während seiner flotten Suche unnötig zu bremsen. Nur wenn er beginnt, Wild des öfteren herauszustoßen statt vorzustehen, wenn er also anfangen sollte, überpassioniert und unachtsam zu werden, oder wenn man begründeten Verdacht hat, daß die Güte seiner Nase seiner Schnelligkeit nicht mehr entsprechen sollte, soll man das Tempo verlangsamen. Zu beachten ist, daß an windigen Tagen, besonders mit sehr trockener Luft, die Luftwittrung schlecht steht. An solchen Tagen muß man den Hund kürzer und langsamer arbeiten lassen.

    Mit zunehmender Erfahrung des Hundes erweitert man seine Suche allmählich bis auf die angegebene Breite oder auch etwas darüber. Im hügeligen Gelände wird die zulässige Breite der Suche durch die Sichtbarkeit des Hundes begrenzt.

    Begreift der Hund anfangs nicht sogleich, was man von ihm will, darf man nicht ungeduldig werden. Mit viel Geduld und richtig vorgenommenen Übungen wird ihm bald der Knopf aufgehen. Weil der Hund bei der Suche im Felde mit hoher Nase arbeiten soll, um die Luftwittrung so früh wie möglich auffangen zu können, soll man den Hund zuvor nicht allzu oft auf Schleppen arbeiten, also zum Tiefnehmen der Nase zwingen. Hat der Hund den Sinn der Suche begriffen, dann wird ihm damit auch schon der Unterschied zwischen Luft- und Bodenwittrung klar geworden sein.

    Schon bei der Arbeit im Felde wird man erkennen, wie wichtig es war, den Hund an leise erteilte Befehle zu gewöhnen, ihn feinhörend zu erziehen. Man vervielfacht dadurch die Reichweite seiner Befehlsgewalt. Man muß mit dem Hunde während der Suche in stetem Kontakt bleiben und der Hund muß das Gefühl haben, daß dies der Fall ist; daß er nicht machen kann, was er will. Durch die Suche im Felde darf der Hund nicht übermüdet werden; sonst versagt er selbstverständlich. An heißen, trockenen Tagen wird man, falls man lange im Revier bleiben will und es dort kein reines Wasser gibt, für den Hund eine ausreichend große Flasche mit Trinkwasser mitnehmen, damit er sich frischen kann.

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Diese Seite wurde am 26. Januar 2007 erstellt.