A. Gerold

Hund und Jäger


Teil 15
Von Seite 95 bis
Seite 103, Ende „2. Hasenreinheit”



Die Abführung im Felde.

1. Auf Gesundspuren; Hasenhetzen.

    Unbeschadet der sonstigen vielseitigen Verwendbarkeit der Vorstehhunderassen, ist ihr ureigenstes Arbeitsgebiet das Feld. Dort finden die Hunde die höchste Befriedigung ihrer Jagdleidenschaft, demnach aber auch den größten Anlaß zum Ungehorsam. Jagdpassion und Gehorsam sind, besonders zu Anfang der Führung im Felde, feindliche Brüder. Die nicht immer leichte Aufgabe des Führers ist es, diese beiden Gegensätze so auszugleichen, daß der  G e h o r s a m  des Hundes zwar  ü b e r w i e g t,  ohne aber dessen Jagdleidenschaft zu hemmen oder gar abzutöten. Ein Hund, der weit vor dem Jäger alles Wild herausstößt, mit dem ersten flüchtigen Hasen abgeht und erst daheim bei der Futterschüssel wiedergesehen wird, ist unbrauchbar. Ebenso unerwünscht ist ein Hand, der sich aus Angst, Fehler zu begehen und üble Folgen ertragen zu müssen, keine zehn Gänge vom Führer hinwegwagt und dem schon beim Anblick eines Hasen geradezu übel wird, weil er weiß, was nun nachfolgen kann. Er bietet überdies einen unerfreulichen Anblick. Man kann nämlich auch zu viel des Guten tun und einen Hund ü b e r  dressieren. Man wird also seinen Zögling gut im Auge haben müssen und sehr darauf achten,  w i e  er auf die erteilten Lektionen reagiert.

    Wurde für die Abrichtung der Grundsatz empfohlen, immer mit den leichteren Leistungen zu beginnen, schwierigere in Teilleistungen zu zerlegen, die ersten Übungen stets allein, dann erst, wegen der erschwerenden Ablenkungen, in der Umgebung von Menschen und Tieren durchzuführen, so wird der Hund im Felde an die größte Versuchung herangebracht, nämlich an Wild, an Spuren und Fährten. Das ist natürlich erst dann empfehlenswert, wenn man den Hund „in der Hand hat”, das will heißen, daß er, nebst der Leinenführigkeit, im Herankommen und im „Platz” gründlich abgerichtet sein muß. Ist das der Fall, so ist auch die Zeit herangekommen, dem Hunde einen Begriff davon zu geben, wozu er auf der Welt ist. Man macht ihn allmählich mit dem Wilde vertraut, sozusagen nebenbei auf Reviergängen, indessen man zu Hause und in wildleeren Revierteilen, mit der Abrichtung nach Maßgabe der wachsenden Fähigkeit des Zöglings fortschreitet.

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    Auch im Felde gibt es für den Hund zwei grundverschiedene Wittrungsarten: die Luft- und die Bodenwittrung. Sie stellen verschiedene Forderungen an den Hund. Bei seiner späteren Arbeit auf der Feldsuche soll der Vorstehhund das Wild suchen und dieses vorstehen. Das kann er erfolgreich nur mit „hoher Nase”. Diese läßt ihn die Luftwittrung auffangen. Andrerseits aber soll er als zuverlässiger Verlorenbringer nach dem Schuß nicht nur verendetes Wild bringen, sondern und vor allen Dingen krank geschossenes. Er hat es zu verfolgen, was er zumeist nur mit tief genommener Nase kann, zu fangen und zu bringen. Darüber wird noch in den folgenden Abschnitten die Rede sein.

    Ist man morgens mit dem Hunde im Revier, wenn die Spuren und Fährten zu Holze stehen, besonders dann, wenn die Wiesen tauschlägig sind und man die Spuren und Fährten an den dunkleren Streifen des abgestrichenen Taues  s e h e n  kann, wird man gut daran tun, seinen Zögling gelegentlich auf eine Spur oder Fährte anzulegen und ihr mit dem Hunde ein Stück nachzuhängen, wozu die verlängerte Führerleine genügt; jedoch nicht weiter, als man die Spur selber mit Sicherheit erkennen kann und höchstens bis zum Holze. Man legt den Hund mit freundlichem Zuspruche „such ... such ...” an. Hat er eine Strecke die Spur gehalten, und wenn es anfangs auch nur einige Schritte waren, wird der Zögling sehr gelobt und auch belohnt. Zu schnallen ist er dabei niemals, denn er soll ja jetzt nicht stöbern oder brackieren lernen.

    Rutscht irgendwo im Felde ein Hase ans der Sasse und geht ab, achtet man auf das Verhalten des Hundes, wenn dieser den Hasen gesehen hat. Zeigt sich der Hund sehr erregt, so befiehlt man ihm zu seiner Beruhigung „Platz”. Ist er ruhig, führt man ihn angeleint gelassen an die Sasse heran, gibt ihm ruhig den Zuspruch „Such”, und arbeitet mit ihm, wenn man sich über den Verlauf der Spur klar ist — wenigstens über deren erstes Stück — die Spur am Riemen aus, soweit das mit Sicherheit möglich ist. Hält der Zögling die Spur recht und eifrig, wobei man ihn sehr lobt, so kann man ihn gelegentlich i m   F e l d e  schnallen, für ihn möglichst unmerkbar durch einen Druck auf den Zangenkarabiner, und läßt ihn so auf der Spur weitersuchen. Verliert der Hund die Spur, was gewöhnlich schon beim ersten Haken der Fall sein wird, den der Krumme schlug, und beginnt der Zögling zu faseln oder den Kopf hochzunehmen, um nach dem Löffelmann auszuäugen, so ruft man den Hund heran. Arbeitet er die Spur allein weiter bis dorthin, wo sich der Krumme gedrückt hat, und genehmigt er sich von dort an eine fröhliche Hasenhetze — nun natürlich auf Sicht — so ist das kein großes Unglück. Im Gegenteil: hat man einen Zögling mit wenig Passion, so werden ihn einige

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Hasenhetzen im Felde auf den Schwung bringen und der Entwicklung seiner Jagdleidenschaft förderlich sein. Hat man aber einen temperamentvollen Hund, mit dem die Jagdleidenschaft durchgeht, der sich dann um seinen Herrn und dessen Befehle keinen Deut mehr kümmert, wird man gut beraten sein, wenn man künftighin alle Hasenhetzen zu verhindern trachtet, soweit das eben möglich ist. Das nämliche ist zu empfehlen, wo anzunehmen ist, daß mehrere Hasen auf engerem Raume ihre Sassen haben, und daß sie herausrutschen werden, während der Hund die eine Spur ausarbeitet. Der Zögling, der das eräugt, würde natürlich sofort die Spur Spur sein lassen und auf Sicht dem nächsten Krummen nachhetzen, was nicht der Zweck der Übung wäre.

    Bei all diesen kleinen Anleitungen des Hundes ist sehr darauf zu achten, daß immer der Gehorsam in allererster Reihe steht. Es ist darum gut, so oft der Hund allzu temperamentvoll wird, ihn durch einen Platzbefehl wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das bricht seine Jagdleidenschaft nicht, festigt aber seinen Gehorsam. Den Hund allzuoft auf gesunde Spuren und Fährten zu bringen, hat wenig Sinn; denn in diesem Stadium der Abführung ist es ja noch nicht möglich, dem Hunde den Unterschied zwischen gesunden Spuren und Wundspuren beizubringen. Das bleibt der späteren Führung überlassen. Man will ja seinem Hunde nur zeigen, was alles es für ihn geben wird und den Gebrauch seiner Nase schulen und anregen. Dem Hunde soll ja im Verlaufe der Abführung im Felde klar gemacht werden, daß er gesundes Wild nicht zu hetzen und zu fangen habe, sondern zu  z e i g e n.

    Macht der Hund Fehler, so korrigiert man sie in der Weise, daß man eben jene Übung, bei der der Hund versagt hat,  s o f o r t  durchexerziert. Kam der Hund auf Befehl nicht heran, so bekommt er keine Prügel deswegen; er würde diese ja auf das Herankommen beziehen und sich schon das nächstemal in Respektsentfernung von seinem Führer halten, also handscheu geworden sein. Man nimmt den Hund wortlos an die Langleine und übt mit ihm etwa ein dutzendmal in aller Ruhe das Herankommen, wobei der Hund jedesmal gelobt wird, wenn er seine Sache gut und schnell gemacht hat. Hat er dem Platzbefehle nicht gehorcht, dann wird  s o f o r t,  ohne daß man es mit der Galle zu tun bekommt, zwölf- bis zwanzigmal „Platz” geübt. Herr und Hund brauchen Geduld, soll aus beiden etwas Rechtes werden.

2. Hasenreinheit.
 
    Der Begriff Hasenreinheit ist im Grunde irreführend. Er träfe nur zu für jene Spezialisten unter den Hunderassen, die ausschließlich

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auf anderes Wild gearbeitet werden sollen und die der Hase überhaupt nichts angeht. Das aber soll bei unseren vielseitig verwendbaren Hunden ja nicht der Fall sein. Der Hase wird nicht selten das Hauptarbeitsgebiet der Hunde sein, ihm soll das lebhafte Interesse unserer vierläufigen Jagdgefährten gelten. Der Hase darf dem Hunde nicht verekelt werden.

    Ebensowenig aber geht es an, daß der flüchtende Hase zu einem gallenblasenschädigenden Abschied zwischen Herr und Hund für längere oder kürzere Zeit werde. Vom brauchbaren Hunde muß verlangt werden, daß er sich von jedem abgehenden Hasen heranpfeifen oder in die Platzlage pfeifen lasse.  D a s  ist unter Hasenreinheit zu verstehen. Wer es überdies versteht, seinem Hunde beizubringen, vor einem aus der Sasse fahrenden Krummen blitzschnell in die Platzlage zu sinken, ohne dabei seine Passion für den Löffelmann einzubüßen, wird große Vorteile davon haben.

    Bei schwerfälligeren Hunden ist die Hasenreinheit manchmal leicht zu erreichen, bei passionierten oft sehr schwer, bei rabiaten Hetzern scheint es mitunter zur Verzweiflung des Führers unmöglich zu sein, gelingt aber schließlich doch, wenn man es an Geduld, eisernem Willen, der notwendigen Härte und an Erfindungsgabe nicht fehlen läßt.

    Zieht man seinen Hund vom Welpen auf heran, hat man es auch mit dem Beibringen der Hasenreinheit weitaus leichter, als wenn man einen fast erwachsenen Hund übernimmt. Man kennt ja gewissermaßen alle Regungen seines Schützlings, hat Zeit und Möglichkeit, bei allen Übergriffen zu bremsen und den Gehorsam durch schier endlose Wiederholungen zu festigen, ohne dem Hund die Jagd zu verekeln und ohne ihn willenlos zu machen. Mit einem Wort: was man rechtzeitig machen kann, geht leichter als später.

    Voraussetzung zum Hasenreinmachen des Hundes ist, daß man ihm Appell beigebracht hat, daß er im  H e r a n k o m m e n   a u f   B e f e h l  und besonders im Niedersinken auf Befehl bereits zuverlässig ist. Wie schon gesagt wurde, ist ja das Befolgen des „Platzbefehls” beim Anblick flüchtigen Wildes die höchste und schwerste der  V e r l o c k u n g s s t u f e n.   D i e s e  also kann man selbstverständlich dem Hunde erst dann zumuten, wenn er die  v o r a n g e h e n d e n  Lehrstufen sicher und unbedingt beherrscht. Ein Hund, der sich auf erhaltenen Platzbefehl erst neunmal langsam und feierlich um einen gedachten Punkt herumdreht, als wolle er sich lösen, wird, wenn er passioniert ist, beim Anblick eines flüchtigen Hasen nicht zu Boden klappen, selbst wenn sein lieber Herr pfeift wie eine Eilzugslokomotive. Das ist einleuchtend. Der Hase ist eben viel interessanter als das Gepfeife und überdies ist der Hund vom

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Anblick des Hasen im Zusammenhang mit seinem Hundenaturell so fasziniert, daß er einen Pfiff, wenn er ihm nicht genügend eingetrichtert worden ist, ebenso wenig beachtet, wie sein gleichfalls passionierter Herr bei einem Schnappschuß Knall und Rückstoß. Der Begriff des Niedersinkens auf  l e i s e n  Wort- und auch Pfiffbefehl sowie auf das Armheben, muß dem Zögling zur „zweiten Natur” werden, so daß er gar nicht anders kann, als beim Vernehmen des ihm bekannten Pfiffes ruckartig zusammenzuklappen. Das erreicht man natürlich nur durch immer wiederholte Übungen, unter Umständen unter Benützung der Gerte als Taktstock und mit vieler Geduld, ohne dabei sich und den Hund anzuöden. Daheim, auf Spaziergängen und im Revier ergeben sich ja reichlich Übungsgelegenheiten. Man benützt sie fallweise, oftmals in den für den Hund  u n e r- w a r t e t s t e n  Augenblicken. Ist endlich der hoffnungsvolle Zögling in dieser Hinsicht „sattelfest”, kann das „Hasenfest” beginnen; am besten zur Paarhühnerzeit, also im März und April, solange Wiesen und Felder noch begehbar sind. Wenn möglich an Tagen mit weichem Wetter, da die Hasen fester liegen, führt man seinen Zögling, gegen den Wind suchend, an einen Krummen heran. Bei dieser noch recht formlosen Suche läßt man den Hund nicht weiter als fünfzehn bis höchstens zwanzig Schritte fort. Man beachtet genau das Verhalten des Hundes. Merkt man, daß irgend etwas sein Interesse erweckt oder steht er vor, befiehlt man ihn in die Platzlage. Folgt er, geht man  l a n g s a m  hinzu, beruhigt den Hand mit einem neuerlichen, leise gesprochenen „Platz” und macht nun, ruhig fortschreitend, selbst das Wild rege, oder man lobt den Hund, leint ihn an und geht mit ihm langsam an das Wild. Fährt ein Krummer aus der Sasse, gibt es einen sofortigen Platzbefehl, nicht lauter als nötig. Es ist gut, diese Lektionen am nämlichen Tage mehrmals an verschiedenen Löffelmännern vorzunehmen. Bei manchen Hunden genügen einige solcher Übungstage. Folgt der Hund regelmäßig dem Platzbefehl vor dem Hasen - man kann ihn statt dessen auch heranrufen und auch gelegentlich mit den Befehlen abwechseln - so läßt man ihn mit zunehmendem Verständnis allmählich auf weitere Entfernungen suchen.

    Nun sind die Fälle freilich selten, daß das Beibringen der Hasenreinheit auf so leichte Weise gelingt. Im besten Falle wird der Hund manchmal einem Krummen nachsausen und dann keinen Pfiff beachten. Es wird nicht lange dauern, wird der junge Hund den flüchtigen Hasen aus dem Auge verlieren, nach dem er jetzt eben hetzte, und in seiner Erregung wird er als „Anfänger” selten imstande sein, die Spur weiter zu verfolgen. In diesem Augenblick läßt er sich am leichtesten wieder heranpfeifen, falls er nicht inzwischen einen anderen

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Hasen herausgestoßen hat und diesem neuerlich nachhetzt. Kommt der Hund auf den Pfiff heran, erhält er weder Lob noch Tadel, bekommt auch kein „Pfui Has” zu hören, wird an die lange Leine genommen und nun wird einigemale H e r a n k o m m e n  geübt, und dann ebenso eifrig  P l a t z.  Konnte man, während der Hund hetzte, die Sasse ausmachen, führt man ihn ruhig an die Sasse und gibt ihm dort den Platzbefehl, daß seine Nase bis in die Sasse reicht und er Zeit und Gelegenheit findet, eine gute Viertelstunde lang über die prickelnde Hasenwittrung nachzudenken.  D a s  aber wird er nicht wollen. Nach ein paar Minuten schon wird er bestrebt sein, seine Lage zu verändern. Zumindest wird er den Kopf aus der Sasse drehen. Das aber läßt man nicht angehen, bringt ihn mit neuerlichem „Platz!” wieder in die frühere Lage und segnet ihn, wenn sich diese Szene mehrmals wiederholt, jedesmal als Zugabe zum Platzbefehl mit einem Jagdhieb auf die Hinterhand. Mehrere solcher Übungen genügen oftmals, unverdorbene Hunde hasenrein zu machen.

    Zeigt ein Hund aber einen schwer eindämmbaren Hang zum Hasenhetzen und damit zum  U n g e h o r s a m,  so trachtet man vor allem seinen  G e h o r s a m  zu festigen durch neuerliche geduldige Platzübungen unter Verlockungen. Nützt auch das vor dem a u f g e h e n d e n  Hasen nichts, läßt man den Hund nicht frei suchen, sondern an der langen Leine. Genügt auch das nicht, benützt man gleichzeitig die Dressurhalsung mit Stacheleinlage. Benimmt sich der Hand beim Anblick eines Krummen rabiat, muß die lange Leine genügend haltbar sein und entweder am Handende einen griffigen Holzknebel bekommen, der sich festhalten läßt, oder haltbar in den Schulterriemen der Führerleine eingeschleift werden.

    Indessen man den Hund mit gutem Wind einen Hasen, suchen läßt, gibt man nicht die ganze Leine aus, sondern behält etwa zwei Meter in der Hand. Geht nun vor dem Zögling ein Löffelmann eiligst auf die Reise, nimmt man raschest festen Stand, falls der Hund kräftig ist, gibt den Platzbefehl, der natürlich nicht befolgt wird, und eine Sekunde später bekommt der Hund die Korallen zu fühlen und schaut dumm drein. Dann wird ein Dutzendmal Platz geübt, nicht eben auf höfliche Weise. Kennt man die frische Sasse, dann führt man den Hund ruhig hin und legt ihn dort wieder fest, wie zuvor gesagt. Bei so stürmischen Hunden ist es förderlich, wenn man genügend Hasen im Revier hat, um den Schüler noch am selben Tage an möglichst viele Hasen heranzubringen, damit er von einem zum andernmal seine Erlebnisse nicht vergißt. Es muß ihm klar werden, daß sieh sein Ungehorsam auf seine Hinterhand nachteilig auswirkt. Hält man es für nötig, den Hund, mit der Nase in der Sasse, mit Hilfe der Zwangshalsung festzulegen, weil er sonst fort-

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während Widerstand leistet, so geht selbst renitenten Hunden schließlich der Knopf auf.

    Nützen alle diese Lektionen, mit Verstand und Geduld angewandt, nichts, weil der Hund einen unbezwinglich erscheinenden Hang zum Hetzen hat, dazu einen steinharten Dickschädel, oder weil zu wenig Hasen im Revier vorhanden sind und darum diese Übungen nur selten wiederholt werden können, hilft nicht selten folgende Vorkehrung: Man verschafft sich ein Wildkaninchen oder als Ersatz einen wildhasenfarbenen Stallhasen und läßt dieses — Stück lebend natürlich — durch einen Gehilfen auf einer Wiese oder im Klee nicht allzu kurz anpflocken. Weil die Wittrung anders ist als die eines Hasen, braucht man seinen Zögling nicht unbedingt unter dem Winde heranführen. Das Kaninchen ist ja in der geringen Deckung sichtbar. Der Gehilfe hat sich vorher zu entfernen. Man läßt seinen rabiaten Hetzer, natürlich mit Dressurhalsung samt Stacheleinlage, am Schweißriemen oder an kräftigster Langleine hinzusuchen, bis er auf das Kaninchen losstürzen will. Da aber wird sein Sprung durch Riemen und Koralle aufgefangen und der Hund mit diesen Hilfsmitteln und Platzbefehl in die Platzlage gezwungen. Fügt er sich nicht, sondern tobt, schnallt man ihn mit den beiden Hilfsriemen am Stachelhalsband fest, wie es früher angegeben worden ist. Tobt er weiter, tritt die Peitsche mit einigen Hieben auf die Hinterhand in Funktion. Wälzt er sich, rauft man nicht mit ihm herum, sondern führt ihn am Riemen wieder weiter, um ihn nach etwa fünf oder zehn Minuten abermals an das Kaninchen heranzubringen. Man ärgere sich dabei nicht, sondern sehe das Verhalten des Hundes als begreiflich an, übe weiter, und lasse nach einigen vergeblichen Übungen das Kaninchen durch den Gehilfen an einer anderen Stelle im Revier neuerlich anpflocken, worauf man mit den Lektionen wieder beginnt. Bei manchen Hetzfanatikern dauert es mitunter einige Tage, bis sie klein beigeben; aber sie werden es tun. Hat man endlich den Hund soweit gebracht, daß er beim Anblick des Kaninchens auf Befehl in die Platzlage geht und ruhig liegen bleibt, arbeitet man ihn wieder an Feldhasen heran, anfangs natürlich noch am Riemen oder an fester Langleine. Geht auch das in Ordnung, versucht man schließlich eine kurze Freisuche. Man wird dann gewöhnlich gewonnenes Spiel haben.

    Das  a l l e r l e t z t e  Mittel zum Hasenreinmachen eines Vorstehhundes ist der Strafschuß, wenn bereits  a l l e  anderen Versuche und Möglichkeiten versagt haben. Aber auch der Strafschuß ist in der Regel nur dann wirksam, wenn der Appell des Hundes schon gefestigt ist, und wenn er weiß, was er soll. Wegen seiner Gefährlichkeit — ein Unglück ist bald geschehen — wird man ihn erst dann

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anwenden, wenn einem am Besitz des Hundes gewissermaßen nichts mehr liegt, weil er als unverbesserlicher Hasenhetzer ohnehin unbrauchbar wäre.

    Für den Strafschuß ist es üblich, Patronen mit halber Pulver- und halber Schrotladung zu verwenden, Hühnerschrote, österr. Nr. 12. Um böse Irrtümer zu vermeiden, ist es zweckmäßig,  b e i d e  Läufe seiner Flinte mit den geminderten Patronen zu laden. Der Strafschuß auf den ungehorsamen, den Platzbefehl nicht beachtenden Hund, darf nur von hinten auf die Keulen abgegeben werden. Es ist sehr darauf zu achten, ob der Hund im Augenblick des Schusses nicht etwa eine seitliche Wendung macht. Ein einziges Schrotkorn ins Auge kann den Hund erblinden lassen, ebenso kann ein einzelnes, zwischen den Rippen in die Lunge eingedrungenes Schrotkorn übelste Folgen haben. Höchste Vorsicht ist also erforderlich. Rüden sind durch den Strafschuß von hinten mehr gefährdet als Hündinnen, wegen eines immerhin möglichen Treffers ins Geschröte. Draht- und langhaarige Rassen sind wegen der Behaarung minder empfindlich als die kurzhaarigen. Der Strafschuß kann allerdings auch mit normal geladenen Hühnerpatronen (Schrot Nr. 12) gegeben werden, aber erst auf eine richtig geschätzte Entfernung von 80 bis 100 Schritten. Daß dann das Zentrum der Schrotgarbe schon tiefer liegt als die Keulen des Hundes, hat nichts zu besagen. Das Rauschen der Schrotgarbe, zugleich mit dem Aufschlag einiger Schrotkörner, die gewöhnlich nur in der Decke stecken, übt auf die meisten Hasenhetzer eine starke, augenblickliche Wirkung aus. Sofort nach dem Schuß, wenn der Hund von seiner Hetze abließ, erhält er den P l a t z b e f e h l,  um ihm einzuprägen, was er sollte. Nach etwa einer Minute erhält er den Befehl zum flotten Herankommen. Man lasse sich in seiner Sorge um den Hund, außer wenn er sichtlich Schaden genommen hat, nicht dazu verleiten, auf den Platzbefehl zu verzichten. Nach den zwei Minuten hat man immer noch Zeit genug, die hintere Hälfte seines Zöglings genau zu besichtigen. Der flott herangekommene Hund wird natürlich gelobt, wie immer beim Herankommen, keineswegs aber bedauert, was er natürlich gerne hätte. Nach dem Strafschuß trachtet man, den Hund möglichst bald, etwa im Verlauf der nächsten Viertelstunde, wieder an einen Löffelmann zu bringen, natürlich mit neuerlich vorbereiteter Flinte für den nächsten Strafschuß, falls ein solcher notwendig werden sollte. Daß der Hund  v o r  einem Strafschuß den Platzbefehl erhalten muß, ist selbstverständlich. Er wird ja nicht wegen des Hasenhetzens bestraft, sondern wegen des Ungehorsams.

    Der Strafschuß hat, abgesehen von seiner Gefährlichkeit für den Hund, noch weitere Nachteile. Es gibt Hunde, denen, er einen

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solchen Schock versetzt, daß sie von einem Hasen nichts mehr wissen wollen. Kaum haben sie einen in die Nase bekommen, wenden sie sich entsetzt ab. Das ist freilich unerwünscht. Es ist aber auch ein sicheres Zeichen, daß man ohne den Strafschuß hätte das Auslangen finden können. Aber diese nunmehrige künstliche Hasenscheu gibt sich in der Praxis bei verständiger Führung später wieder.

    Es wurden allerlei technische Hilfsmittel ersonnen, wie z. B. Fangleinen, ferner an der Halsung pendelnde Eisenstücke oder Knüppel usw., die einen Hasenhetzer oder sonstigen Durchgänger am Flüchtigwerden hindern sollen. Zum Teil tun sie das, zum Teil nicht. Ihren Zweck erreichen sie selten oder nie, abgesehen von dem lächerlichen Anblick, den ein so aufgezäumter Hund bietet. Unsere Hunde sind viel zu klug, um nicht zu wissen, wann sie mit solch wunderlichem Schmuck versehen sind und wann nicht. Ohne diesen ist dann der Teufel sofort wieder los.

    Solange ein Hund Hasen hetzt, kann man mit ihm die Vorsteharbeit nicht durchnehmen. Er würde auch das Federwild herausstoßen, falls er sich dafür überhaupt noch interessieren sollte.

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Diese Seite wurde am 26. Januar 2007 erstellt.