A. Gerold
Hund und Jäger
Die Abführung im Felde. |
1. Auf Gesundspuren; Hasenhetzen. |
Unbeschadet der sonstigen vielseitigen Verwendbarkeit der Vorstehhunderassen, ist ihr ureigenstes Arbeitsgebiet das Feld. Dort finden die Hunde die höchste Befriedigung ihrer Jagdleidenschaft, demnach aber auch den größten Anlaß zum Ungehorsam. Jagdpassion und Gehorsam sind, besonders zu Anfang der Führung im Felde, feindliche Brüder. Die nicht immer leichte Aufgabe des Führers ist es, diese beiden Gegensätze so auszugleichen, daß der G e h o r s a m des Hundes zwar ü b e r w i e g t, ohne aber dessen Jagdleidenschaft zu hemmen oder gar abzutöten. Ein Hund, der weit vor dem Jäger alles Wild herausstößt, mit dem ersten flüchtigen Hasen abgeht und erst daheim bei der Futterschüssel wiedergesehen wird, ist unbrauchbar. Ebenso unerwünscht ist ein Hand, der sich aus Angst, Fehler zu begehen und üble Folgen ertragen zu müssen, keine zehn Gänge vom Führer hinwegwagt und dem schon beim Anblick eines Hasen geradezu übel wird, weil er weiß, was nun nachfolgen kann. Er bietet überdies einen unerfreulichen Anblick. Man kann nämlich auch zu viel des Guten tun und einen Hund Wurde für die Abrichtung der Grundsatz empfohlen, immer mit den leichteren Leistungen zu beginnen, schwierigere in Teilleistungen zu zerlegen, die ersten Übungen stets allein, dann erst, wegen der erschwerenden Ablenkungen, in der Umgebung von Menschen und Tieren durchzuführen, so wird der Hund im Felde an die größte Versuchung herangebracht, nämlich an Wild, an Spuren und Fährten. Das ist natürlich erst dann empfehlenswert, wenn man den Hund „in der Hand hat”, das will heißen, daß er, nebst der Leinenführigkeit, im Herankommen und im „Platz” gründlich abgerichtet sein muß. Ist das der Fall, so ist auch die Zeit herangekommen, dem Hunde einen Begriff davon zu geben, wozu er auf der Welt ist. Man macht ihn allmählich mit dem Wilde vertraut, sozusagen nebenbei auf Reviergängen, indessen man zu Hause und in wildleeren Revierteilen, mit der Abrichtung nach Maßgabe der wachsenden Fähigkeit des Zöglings fortschreitet. |
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Auch im Felde gibt es für den Hund zwei grundverschiedene Wittrungsarten: die Luft-
und die Bodenwittrung. Sie stellen verschiedene Forderungen an den Hund. Bei seiner
späteren Arbeit auf der Feldsuche soll der Vorstehhund das Wild suchen und dieses
vorstehen. Das kann er erfolgreich nur mit „hoher Nase”. Diese läßt ihn die Luftwittrung
auffangen. Andrerseits aber soll er als zuverlässiger Verlorenbringer nach dem Schuß nicht
nur verendetes Wild bringen, sondern und vor allen Dingen krank geschossenes. Er hat es
zu verfolgen, was er zumeist nur mit tief genommener Nase kann, zu fangen und zu
bringen. Darüber wird noch in den folgenden Abschnitten die Rede sein. Ist man morgens mit dem Hunde im Revier, wenn die Spuren und Fährten zu Holze stehen, besonders dann, wenn die Wiesen tauschlägig sind und man die Spuren und Fährten an den dunkleren Streifen des abgestrichenen Taues s e h e n kann, wird man gut daran tun, seinen Zögling gelegentlich auf eine Spur oder Fährte anzulegen und ihr mit dem Hunde ein Stück nachzuhängen, wozu die verlängerte Führerleine genügt; jedoch nicht weiter, als man die Spur selber mit Sicherheit erkennen kann und höchstens bis zum Holze. Man legt den Hund mit freundlichem Zuspruche „such ... such ...” an. Hat er eine Strecke die Spur gehalten, und wenn es anfangs auch nur einige Schritte waren, wird der Zögling sehr gelobt und auch belohnt. Zu schnallen ist er dabei niemals, denn er soll ja jetzt nicht stöbern oder brackieren lernen. Rutscht irgendwo im Felde ein Hase ans der Sasse und geht ab, achtet man auf das Verhalten des Hundes, wenn dieser den Hasen gesehen hat. Zeigt sich der Hund sehr erregt, so befiehlt man ihm zu seiner Beruhigung „Platz”. Ist er ruhig, führt man ihn angeleint gelassen an die Sasse heran, gibt ihm ruhig den Zuspruch „Such”, und arbeitet mit ihm, wenn man sich über den Verlauf der Spur klar ist — wenigstens über deren erstes Stück — die Spur am Riemen aus, soweit das mit Sicherheit möglich ist. Hält der Zögling die Spur recht und eifrig, wobei man ihn sehr lobt, so kann man ihn gelegentlich |
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auf anderes Wild gearbeitet werden sollen und die der Hase überhaupt nichts angeht. Das
aber soll bei unseren vielseitig verwendbaren Hunden ja nicht der Fall sein. Der Hase wird
nicht selten das Hauptarbeitsgebiet der Hunde sein, ihm soll das lebhafte Interesse unserer
vierläufigen Jagdgefährten gelten. Der Hase darf dem Hunde nicht verekelt werden. Ebensowenig aber geht es an, daß der flüchtende Hase zu einem gallenblasenschädigenden Abschied zwischen Herr und Hund für längere oder kürzere Zeit werde. Vom brauchbaren Hunde muß verlangt werden, daß er sich von jedem abgehenden Hasen heranpfeifen oder in die Platzlage pfeifen lasse. D a s ist unter Hasenreinheit zu verstehen. Wer es überdies versteht, seinem Hunde beizubringen, vor einem aus der Sasse fahrenden Krummen blitzschnell in die Platzlage zu sinken, ohne dabei seine Passion für den Löffelmann einzubüßen, wird große Vorteile davon haben. Bei schwerfälligeren Hunden ist die Hasenreinheit manchmal leicht zu erreichen, bei passionierten oft sehr schwer, bei rabiaten Hetzern scheint es mitunter zur Verzweiflung des Führers unmöglich zu sein, gelingt aber schließlich doch, wenn man es an Geduld, eisernem Willen, der notwendigen Härte und an Erfindungsgabe nicht fehlen läßt. Zieht man seinen Hund vom Welpen auf heran, hat man es auch mit dem Beibringen der Hasenreinheit weitaus leichter, als wenn man einen fast erwachsenen Hund übernimmt. Man kennt ja gewissermaßen alle Regungen seines Schützlings, hat Zeit und Möglichkeit, bei allen Übergriffen zu bremsen und den Gehorsam durch schier endlose Wiederholungen zu festigen, ohne dem Hund die Jagd zu verekeln und ohne ihn willenlos zu machen. Mit einem Wort: was man rechtzeitig machen kann, geht leichter als später. Voraussetzung zum Hasenreinmachen des Hundes ist, daß man ihm Appell beigebracht hat, daß er im H e r a n k o m m e n a u f B e f e h l und besonders im Niedersinken auf Befehl bereits zuverlässig ist. Wie schon gesagt wurde, ist ja das Befolgen des „Platzbefehls” beim Anblick flüchtigen Wildes die höchste und schwerste der V e r l o c k u n g s s t u f e n. D i e s e also kann man selbstverständlich dem Hunde erst dann zumuten, wenn er die v o r a n g e h e n d e n Lehrstufen sicher und unbedingt beherrscht. Ein Hund, der sich auf erhaltenen Platzbefehl erst neunmal langsam und feierlich um einen gedachten Punkt herumdreht, als wolle er sich lösen, wird, wenn er passioniert ist, beim Anblick eines flüchtigen Hasen nicht zu Boden klappen, selbst wenn sein lieber Herr pfeift wie eine Eilzugslokomotive. Das ist einleuchtend. Der Hase ist eben viel interessanter als das Gepfeife und überdies ist der Hund vom |
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Hasen herausgestoßen hat und diesem neuerlich nachhetzt. Kommt der Hund auf den Pfiff
heran, erhält er weder Lob noch Tadel, bekommt auch kein „Pfui Has” zu hören, wird an
die lange Leine genommen und nun wird einigemale Zeigt ein Hund aber einen schwer eindämmbaren Hang zum Hasenhetzen und damit zum U n g e h o r s a m, so trachtet man vor allem seinen G e h o r s a m zu festigen durch neuerliche geduldige Platzübungen unter Verlockungen. Nützt auch das vor dem Indessen man den Hund mit gutem Wind einen Hasen, suchen läßt, gibt man nicht die ganze Leine aus, sondern behält etwa zwei Meter in der Hand. Geht nun vor dem Zögling ein Löffelmann eiligst auf die Reise, nimmt man raschest festen Stand, falls der Hund kräftig ist, gibt den Platzbefehl, der natürlich nicht befolgt wird, und eine Sekunde später bekommt der Hund die Korallen zu fühlen und schaut dumm drein. Dann wird ein Dutzendmal Platz geübt, nicht eben auf höfliche Weise. Kennt man die frische Sasse, dann führt man den Hund ruhig hin und legt ihn dort wieder fest, wie zuvor gesagt. Bei so stürmischen Hunden ist es förderlich, wenn man genügend Hasen im Revier hat, um den Schüler noch am selben Tage an möglichst viele Hasen heranzubringen, damit er von einem zum andernmal seine Erlebnisse nicht vergißt. Es muß ihm klar werden, daß sieh sein Ungehorsam auf seine Hinterhand nachteilig auswirkt. Hält man es für nötig, den Hund, mit der Nase in der Sasse, mit Hilfe der Zwangshalsung festzulegen, weil er sonst fort- |
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während Widerstand leistet, so geht selbst renitenten Hunden schließlich der Knopf auf. Nützen alle diese Lektionen, mit Verstand und Geduld angewandt, nichts, weil der Hund einen unbezwinglich erscheinenden Hang zum Hetzen hat, dazu einen steinharten Dickschädel, oder weil zu wenig Hasen im Revier vorhanden sind und darum diese Übungen nur selten wiederholt werden können, hilft nicht selten folgende Vorkehrung: Man verschafft sich ein Wildkaninchen oder als Ersatz einen wildhasenfarbenen Stallhasen und läßt dieses — Stück lebend natürlich — durch einen Gehilfen auf einer Wiese oder im Klee nicht allzu kurz anpflocken. Weil die Wittrung anders ist als die eines Hasen, braucht man seinen Zögling nicht unbedingt unter dem Winde heranführen. Das Kaninchen ist ja in der geringen Deckung sichtbar. Der Gehilfe hat sich vorher zu entfernen. Man läßt seinen rabiaten Hetzer, natürlich mit Dressurhalsung samt Stacheleinlage, am Schweißriemen oder an kräftigster Langleine hinzusuchen, bis er auf das Kaninchen losstürzen will. Da aber wird sein Sprung durch Riemen und Koralle aufgefangen und der Hund mit diesen Hilfsmitteln und Platzbefehl in die Platzlage gezwungen. Fügt er sich nicht, sondern tobt, schnallt man ihn mit den beiden Hilfsriemen am Stachelhalsband fest, wie es früher angegeben worden ist. Tobt er weiter, tritt die Peitsche mit einigen Hieben auf die Hinterhand in Funktion. Wälzt er sich, rauft man nicht mit ihm herum, sondern führt ihn am Riemen wieder weiter, um ihn nach etwa fünf oder zehn Minuten abermals an das Kaninchen heranzubringen. Man ärgere sich dabei nicht, sondern sehe das Verhalten des Hundes als begreiflich an, übe weiter, und lasse nach einigen vergeblichen Übungen das Kaninchen durch den Gehilfen an einer anderen Stelle im Revier neuerlich anpflocken, worauf man mit den Lektionen wieder beginnt. Bei manchen Hetzfanatikern dauert es mitunter einige Tage, bis sie klein beigeben; aber sie werden es tun. Hat man endlich den Hund soweit gebracht, daß er beim Anblick des Kaninchens auf Befehl in die Platzlage geht und ruhig liegen bleibt, arbeitet man ihn wieder an Feldhasen heran, anfangs natürlich noch am Riemen oder an fester Langleine. Geht auch das in Ordnung, versucht man schließlich eine kurze Freisuche. Man wird dann gewöhnlich gewonnenes Spiel haben. Das a l l e r l e t z t e Mittel zum Hasenreinmachen eines Vorstehhundes ist der Strafschuß, wenn bereits a l l e anderen Versuche und Möglichkeiten versagt haben. Aber auch der Strafschuß ist in der Regel nur dann wirksam, wenn der Appell des Hundes schon gefestigt ist, und wenn er weiß, was er soll. Wegen seiner Gefährlichkeit — ein Unglück ist bald geschehen — wird man ihn erst dann |
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anwenden, wenn einem am Besitz des Hundes gewissermaßen nichts mehr liegt, weil er als
unverbesserlicher Hasenhetzer ohnehin unbrauchbar wäre. Für den Strafschuß ist es üblich, Patronen mit halber Pulver- und halber Schrotladung zu verwenden, Hühnerschrote, österr. Nr. 12. Um böse Irrtümer zu vermeiden, ist es zweckmäßig, b e i d e Läufe seiner Flinte mit den geminderten Patronen zu laden. Der Strafschuß auf den ungehorsamen, den Platzbefehl nicht beachtenden Hund, darf nur von hinten auf die Keulen abgegeben werden. Es ist sehr darauf zu achten, ob der Hund im Augenblick des Schusses nicht etwa eine seitliche Wendung macht. Ein einziges Schrotkorn ins Auge kann den Hund erblinden lassen, ebenso kann ein einzelnes, zwischen den Rippen in die Lunge eingedrungenes Schrotkorn übelste Folgen haben. Höchste Vorsicht ist also erforderlich. Rüden sind durch den Strafschuß von hinten mehr gefährdet als Hündinnen, wegen eines immerhin möglichen Treffers ins Geschröte. Draht- und langhaarige Rassen sind wegen der Behaarung minder empfindlich als die kurzhaarigen. Der Strafschuß kann allerdings auch mit normal geladenen Hühnerpatronen (Schrot Nr. 12) gegeben werden, aber erst auf eine richtig geschätzte Entfernung von 80 bis 100 Schritten. Daß dann das Zentrum der Schrotgarbe schon tiefer liegt als die Keulen des Hundes, hat nichts zu besagen. Das Rauschen der Schrotgarbe, zugleich mit dem Aufschlag einiger Schrotkörner, die gewöhnlich nur in der Decke stecken, übt auf die meisten Hasenhetzer eine starke, augenblickliche Wirkung aus. Sofort nach dem Schuß, wenn der Hund von seiner Hetze abließ, erhält er den Der Strafschuß hat, abgesehen von seiner Gefährlichkeit für den Hund, noch weitere Nachteile. Es gibt Hunde, denen, er einen |
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solchen Schock versetzt, daß sie von einem Hasen nichts mehr wissen wollen. Kaum haben
sie einen in die Nase bekommen, wenden sie
sich entsetzt ab. Das ist freilich unerwünscht. Es ist aber auch ein sicheres Zeichen, daß
man ohne den Strafschuß hätte das Auslangen finden können. Aber diese nunmehrige
künstliche Hasenscheu gibt sich in der Praxis bei verständiger Führung später wieder. Es wurden allerlei technische Hilfsmittel ersonnen, wie z. B. Fangleinen, ferner an der Halsung pendelnde Eisenstücke oder Knüppel usw., die einen Hasenhetzer oder sonstigen Durchgänger am Flüchtigwerden hindern sollen. Zum Teil tun sie das, zum Teil nicht. Ihren Zweck erreichen sie selten oder nie, abgesehen von dem lächerlichen Anblick, den ein so aufgezäumter Hund bietet. Unsere Hunde sind viel zu klug, um nicht zu wissen, wann sie mit solch wunderlichem Schmuck versehen sind und wann nicht. Ohne diesen ist dann der Teufel sofort wieder los. Solange ein Hund Hasen hetzt, kann man mit ihm die Vorsteharbeit nicht durchnehmen. Er würde auch das Federwild herausstoßen, falls er sich dafür überhaupt noch interessieren sollte. |
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