Riesen u. Zwerge
Heft Nr. 11 (Doppelheft)
Teil 4
Sage 487 bis Sage 502
487 DER HUND MIT DEM GLÜHENDEN SCHWEIF
Als einst Förster Wurzl vom Ernsthof durch das Bu-chental bei Nacht heimwärts ging, kam ihm ein Hund mit einem feurigglühenden Schweif entgegen. Der Förster riß seine Flinte von der Schulter, schlug sie an, zielte und drückte los. Doch zu seinem Verdruß ging die Patrone nicht los. Er riß diese aus dem Laufe, lud abermals und wollte nochmals schießen. Doch wiederum versagte die Flinte. Ebenso erging es ihm ein drittes Mal. Indessen stand der geheimnisvolle Hund unbeweglich vor dem Jäger. Als alle drei Versuche, den Hund zu erlegen, fehlgeschlagen hatten, wollte der Forstmann nach dem Hunde schlagen. Der Hund war aber plötzlich, wie er gekommen, verschwunden. Der Schütze behielt sich diese drei Patronen als stete Erinnerung und es sollen sich noch heute (1925) diese im Besitze seines Sohnes im Ernsthofe befinden.
Aus Dr. Plöckingers gesammelten unveröffentlichtem Sagengut. Aufgezeichnet 1925. |
488 DER SCHWARZE HUND VOM THALLERNER KREUZ
Beim Thallerner Kreuz geht es nicht mit rechten Dingen zu. So erschien einem Manne um die Mitternachts-stunde, als dieser am Kreuze vorüberging, ein schwarzer Hund, der stets um das Kreuz schlich und den nächtlichen Wanderer nicht vorbeigehen ließ. Dies wiederholte sich durch zwei Nächte. Und als auch in den folgenden Nächten der Bauer hinkam und am Kreuze vorüber wollte, ließ ihn abermals der Hund nicht vorbei. Von Angst verstört und ohne Mut ließ der Mann von weiteren Versuchen ab, am Kreuzweg vorbeizugehen.
Gew.: Kugler Barbara, Oberfucha. Aufz.: Kugler Renate, 1952. |
489 DIE SCHWARZEN HUNDE VON STEIN
Im Städtel Stein sah man oft geheimnisvolle schwarze Hunde. So bemerkte ein Mann im Kuhstalle des ehemaligen Kaufmannshauses Prager den schwarzen Kötter des öfteren. Und als man einen Umbau vornahm, stieß man auf einen Schatz aus längst vergangener Zeit. Seit dieser Stunde war der schwarze Hund aus dem Hause verschwunden.
Aus der Sagensammlung Dr. Plöckingers. Aufgezeichnet von Schulwart Karl Seif im Jahre 1926. |
490
In Elsarn lebte einmal ein sehr schlechter Mann, der zu seiner Frau und zu seinen Kindern recht grausam war. - Einmal mußte er spät am Abend von Spitz nach Hause gehen, Bevor er zur Rauschwand kam, sah er hinter sich ein schwarzes Hunderl mit einer Glocke um den Hals, das hinter ihm herlief, und zwar so nahe, daß es ihm schon bald auf die Fersen gesprungen wäre. Bevor der Mann zum Kreuzstöckel in Vießling kam, war der Hund verschwunden, ein Stück weiter war er jedoch wieder da. Dem Verfolgten stiegen vor Angst die Haare zu Berge, ganz totenbleich war er im Gesicht. - Als er das Dorf Elsarn erreicht hatte, war der Hund spurlos verschwunden. Seine Frau fragte ihn sogleich, was er habe, und er erzählte alles. Von diesem Tage an war der Mann der beste und bravste Bürger von Elsarn.
Gew.: Hildegard Göls, Elsarn a. Jauerling. Aufz.: Schulleitung Niederranna. 1952. |
491 DER WOLF UND DER GEIGER
Einst hatte der Geiger Posch in Gansbach zum Tanz aufgespielt. Als der Tanz zu Ende war, ging er in der stockdunklen Nacht durch den Wald heimwärts. Plötzlich wich der Boden unter seinen Füßen und er fiel in eine Wolfsgrube. Zu seinem Entsetzen spürte er, daß ein Wolf bereits in der Grube war. Knurren ließ ihn erschauern. In seiner Not und Verzweiflung griff er, bar aller Waffen, zu seiner Geige und spielte ohne Unterlaß. Eine Saite war bereits gerissen, aber er getraute sich im Spiele nicht innezuhalten. Er spielte und spielte immer wieder dem Wolfe auf. Da riß auch schon die zweite Saite. Aber immer ging sein Spiel weiter, denn er fürchtete, den Tod durch den Wolf zu erleiden, wenn er aufhören würde, und als bereits die dritte Saite gerissen war, und auch die vierte entzweizugehen drohte, rettete ihn, angelockt durch das Geigenspiel, ein Jäger aus seiner Not. Dieser pflanzte zur Erinnerung an diesen Vorfall an der Stelle des nächtlichen Geigenspiels eine Esche, die, weil der Jäger Habenichts hieß, die Habenichtsesche benannt wurde.
Gew.; Pamberger Franz, Meidling i. T. Aufz.: Dr. Plöckinger, Krems. 1925. |
492 DER STAUDENHEISSEL
Vor mehr als zweihundert Jahren wurde zu Dürnstein ein neuer Stadthalter bestellt. Der alte war krank und schwach geworden und konnte den Bürgern ihre Schafe nicht mehr sicher genug hüten. Trieb sich doch noch immer der „Staudenheyssel“ herum, der plötzlich hervorbrach und die Lämmlein zerriß. Aber auch der neubestellte Viehhüter konnte die Gefahr nicht bannen, und der böse Wolf riß auch unter seiner Schäfchenschar so manches Lamm. Darum war man mit ihm unzufrieden und verlangte von ihm, daß er den Schaden bezahle oder die verlorenen Lämmer wiederbringe. Doch der Isegrimm riß und jagte die Lämmchen weiter, ja er trieb sie sogar in die steilen Wände des Kummerstales, um sie dann zu verspeisen. Halter und Bürger hatten das Nachsehen.
Dr. Plöckinger nach Dürnsteiner Stadtbuch, 1709.
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493 DER GEHEIMNISVOLLE HUND
Einst lief dem Nachtwächter von Jettsdorf um Mitternacht ein kleiner Hund nach. Er hob ihn auf und trug ihn mit. Der Hund wurde immer schwerer und größer, je weiter der Nachtwächter ging. Am Ortsende war er so groß geworden wie ein Kalb und der Nachtwächter mußte ihn fallen lassen. Der Hund war aber sogleich verschwunden.
Aus dem „Tullner Gau“, 1926.
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494 DAS MÄRZENKAIBEL
In der Wachau, und zwar in der östlichen, schreckt man die Kinder mit dem Märzenkaibel. Wenn im März die ersten warmen Sonnenstrahlen die Frühlingsboten hervorlocken, dann laufen die Kinder hinaus in Wald und Flur, um sie zu pflücken. Wenn sie dann ohne warme Kleidung aus dem Hause eilen wollen, ruft ihnen Großmüt-terehen oder Mutter zu: „Schau, daß dich das Märzenkaibel nicht beißt!“ Stirbt im März ein Mensch an Lungenentzündung oder sonstiger Erkältungskrankheit, so heißt es: „Den hat dös Mirznkaibl biss‘n!“
Aus dem Volksmund.
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495 RINDER IN DER METTENNACHT
In Amstall, im Hause, wo jetzt die Huber-Leute wohnen, sollen vor langer, langer Zeit in jeder Mettennacht die Rinder gesprochen haben. Da verabredeten sich zwei Männer, nachzusehen, ob das auch wahr sei. Sie versteckten sich neben dem Stall und hörten tatsächlich um die Mitternachtsstunde des Heiligen Abends, wie ein Ochs zu dem andern sagte: „Wir müssen heuer noch unsern Herrn zu Grabe führen.“ Tatsächlich starb der Bauer nach kurzer Zeit, und es trug sich so zu, wie es die Ochsen in der Mettennacht gesagt hatten.
Gew.: Amalia Obenauer, Mühldorf. Aufz.: Schulleitung Oberranna. 1952.
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496 DIE TEUFELSZIEGE VOM LAHNHOF
Vor vielen Jahren mußte an einem Abend der zwanzigjährige Knecht vom Lahnhof nach Mühldorf gehen. Seine Mutter bat ihn, er solle ein Stück geweihtes Brot einstekken. Der Knecht befolgte ihren Rat. Als er durch den Wald schritt, hörte er hinter sich plötzlich eine Ziege meckern, die ihm immer wieder nachrief: „Hest-na-ha-Brot-net-do! Hest-na-ha-Brot-net-do!“ (Hättest du das Brot nicht da!). - So lange tönte ihm das Gemecker nach, bis er den Wald hinter sich hatte.
Gew.: Hildegard Göls, Elsarn. Aufz.: Schulleitung Niederranna. 1952.
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497 DER WEISSE HENGST VON STEINEGG
Einem um die Mitternachtsstunde von Steinegg aufbrechenden Bauer erzählten die Leute von einem weißen Gespenst, einem weißen Hengst, der um diese Zeit sich auf dem Wege gegen Wanzenau den Wanderern zeige, ihnen nachlaufe und ihnen laut ins Ohr wiehere. Dem Bauern, der den Weg gehen mußte, war angst und bange. Er trat zagend und betend seinen Weg an. Er dachte an nichts anderes, als an den weißen Hengst. Auf einmal glaubte er dessen Wiehern zu hören. Immer lauter, immer unheimlicher wurde es, und schon sah er ihn in der Ferne stehen. Trotzdem zog er fürbaß, denn er mußte weiter. Dabei betete er und schlug ein Kreuz um das andere über seine sündige Brust. Dazwischen wieherte es unaufhörlich und es war, als ob das Wiehern ein Pfeifen und ein Heulen würde. Endlich war der Bauer beklommenen Herzens zu der Stelle gelangt, wo der weiße Hengst zu sehen sein sollte. Es war aber an jener Stelle nur eine Fläche voll weißen Sandes zu sehen. Das Wiehern war das Heulen des Sturmwindes gewesen.
Aus Kisslings „Frau Saga“, 1. Reihe Nr. 54.
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498 DIE GEHEIMNISVOLLE SPINNE
Vor langer Zeit, als zu Mautern der Lehrer noch Mesnerdienste leistete, mußte er mitten in der Nacht das Zügenglöcklein läuten gehen. Damals war es nämlich Brauch, sofort zu läuten, wenn ein Mensch verstarb. Als er auf den Kirchturm gehen wollte, saß auf der Turmstiege eine große unheimliche Spinne, die ihn nicht emporsteigen ließ. Ja, sie drängte ihn sogar zurück. Entsetzt über dieses unheimliche Tier kehrte der Lehrer um und eilte nach unten. Am Eingang zum Turm stand nun eine fremde und schwarzgekleidete Frau, die dem Küster meldete, daß noch ein Mensch verstorben sei. Als der Glöckner das erfuhr, eilte er, seinen Schreck überwindend, nochmals die Turmstiege empor, gewärtig, die geheimnisvolle Spinne anzutreffen. Doch als er an die Stelle kam, wo sie ihm zuvor den Weiterweg versperrt hatte, war sie verschwunden. Nunmehr läutete der Lehrer für die Seelen der beiden Verstorbenen.
Gew.: Anna Joachimsthal, Mautern. Aufz.: Margarete JoachimsthaL 1954.
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499 DER GROSSE HASE VON FOHRA
Johann Weber (aus Fohra) fuhr einmal bei Nacht von Unterranna heim nach Fohra. Als er schon sehr nahe bei Fohra war, blieben plötzlich die Pferde stehen und gingen nicht mehr weiter. Auch vieles Schlagen nützte nichts. Nun wollte Weber auf den Wagen steigen. Da sah er zu seinem großen Schrecken hinten auf dem Wagen einen riesengroßen Hasen sitzen. Da rief er aus: „Verflucht -- vermaledeiter Teufel!“ Da sprang der Hase ab und verschwand, die Pferde aber liefen nach Hause, so rasch sie konnten.
Gew.: Marianne Weichselbaum, Ötzbach. 1952. Aufz. Schulleitung Niederranna.
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500 DIE KATZE DER RUINE THURNBERG
Einst ging ein Mann von Idolsberg nach Wegscheid. Als er durch Thurnberg kam, hörte er von der Ruine herunter miauen. Er blieb stehen und sah eine Katze auf sich zukommen. Mitleidig hob er das Tier auf und verbarg es unter seinem Rocke, damit es nicht friere. Da spürte er plötzlich, daß die Katze immer größer und größer werde. Er bekam Angst und ließ sie frei. Da begann sie zu schreien und lief wieder zur Ruine zurück.
Aufgezeichnet von den Schülern zu Idolsberg. 1952.
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501 RIED „HUND“ IN STEIN
Als einst eine große Hungersnot unsere Wachau heimsuchte, stieg auch in der Stadt Stein der Hunger von Tag zu Tag. Kein Brot, kein Stückchen Fleisch war mehr in der Stadt aufzutreiben. Daher stiegen mit der Nachfrage die Preise unvorstellbar. Selbst die treuen Haushunde der Menschen waren dem Hunger schon zum Opfer gefallen, indem sie von den Menschen aufgegessen oder selbst durch Hunger verendet waren. Da geschah es, daß ein Steiner Weinhauer mit einer großen Familie eines Tages einen Weingarten hingab, damit er für seine zahlreichen hungrigen Esser daheim einmal den Tisch decken konnte. Er gab für einen Hund seinen Weingarten. Seit dieser Zeit führt die Flur, wo dieser Weinberg gelegen hatte, den Namen „Hund“. An die schlechten Zeiten erinnernd ist auch in dieser Ried ein „steinerner Brotlaib“ eingemauert.
Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“ Nr. 91, Seite 94, Gew.: Maria Prandtner in Krems. Aufz.: Dr. H. Plöckinger, Krems, 1952
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502 DER GFÖHLER KUHBERG
Als Himmelsstrafe kam nach der Meinung der Leute einst über die Gföhler eine arge Futternot. Das Vieh verdarb, da man für dieses kein Futter auftreiben konnte. Alle Kräuter verdorrten und auch die Feldfrüchte lieferten keinen Ertrag. Die am Leben gebliebenen Rinder brüllten in den Ställen vor Hunger. Da nahmen die Gföhler Bauern ihre Rinder und trieben sie auf einen Berg im Süden des Marktes. Dort fand sich einst ein herrlicher Buchenforst. In diesem kam trotz der Trockenheit noch spärliches Futter für das Vieh vor, da das schützende Laubdach die sengenden Sonnenstrahlen fernhielt und die Gräser darum nicht vertrockneten. Die dürftige Nahrung rettete den Gföhler Bauern ihre letzten Rinder vor dem sicheren Tode. Da der Bergforst die Rettung brachte, nannte man den Berg seit dieser Zeit „Kuhberg“.
Gew.: Franz Brenner, Gföhl, Aufz.: Direktor Weißenböck, Gföhl (1923).
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