Titelseite Riesen und Zwerge

Riesen u. Zwerge
Heft Nr. 11 (Doppelheft)

Teil 2

Sage 470 bis Sage 476



470

DAS UNHEIMLICHE KEGELSPIEL

    Vor undenklich langer Zeit lebte im Mottingeramt ein armer Schuster. An einem Feierabend hatte er nach Wetzlas ein Paar Stiefel zu liefern. Auf seinem Wege mußte er an der Ruine Dobra vorbei. Als er am Tore der verfallenen Burg ankam, hörte er im Burghof ein lustiges Treiben. Er ahnte nichts Gutes und bekreuzigte sich. Als er bereits wie der seinen Weg fortsetzen wollte, rief ihn eine Stimme an, die fragte, ob er nicht eine Stunde lang die Kegel aufsetzen wolle, sein Schade solle es gewiß nicht sein. Der Schuster war kein furchtsamer Mann und willigte auf die Verhei-ßung guten Lohnes hin sogleich ein. Als er in den Burghof trat, sah er viele kleine Männlein mit spitzen Hüten und langen weißen Schleiern daran. Der Meister Knieriem stellte nun die Kegel auf, die aber sehr klein waren. Eine Stunde lang oblag er seiner Aufsetzarbeit. Als die Zeit um war, verschwanden die Männlein, von denen eines aber dem Meister als Lohn alle Kegel und drei Kugeln in die Stiefel warf. Der Schuster verließ eilends die Burg. Kaum hatte er das Burgtor hinter sich, hörte er gewaltiges Schnaufen. Als er sich umsah, wurde er eines Wolfes ansichtig, der ihn mit feurigen Augen anglotzend verfolgte. Da nahm der mutige Schuster einen der daumenlangen Kegel und warf nach dem Untier, das er gerade in den Rachen traf. Der Wolf kehrte um und lief mit dem Kegel in die Burg zurück. Der Mann stürmte nun, was ihn seine Füße tragen konnten, vorwärts, doch nach kurzer Zeit hatte ihn der Wolf schon wieder eingeholt. Er warf abermals nach ihm und traf das Tier wieder. Der Wolf machte abermals kehrt und lief in die Burg zurück. So ging es fort, bis der Gehetzte nur mehr über drei Kegel und eine Kugel verfügte. Er erreichte das Dorf Wetzlas in Schweiß gebadet. Hieher konnte ihm der Wolf nicht mehr folgen. Als er erschöpft am Wirtshaus-tische niedersank und seine übriggebliebenen Kegel und die Kugel als Bekräftigung seiner Erzählung vorzeigte, waren sie zu eitel Gold geworden. Er war von dieser Zeit an ein reicher Mann, denn ein Jude, dem er die Kegel und die Kugel verkaufte, gab ihm dafür 500 Dukaten.

Aus Kisslings „Frau Saga“, 8. Reihe, Seite 40, Nr. 56.

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471

BERGMÄNNLEIN BAUEN EINE
STRASSE

    Einst wohnte auf Burg Senftenberg im Kremstale ein Ritter, der seine Untertanen sehr hart behandelte. Der Weg, der zum Schloß führte, war schlecht und steinig, sodaß man kaum mit einem Pferde zum Tore der Burg gelangen konnte. Des Ritters Gemahlin war längst gestorben und er hatte nur eine Tochter, die wegen ihrer Schönheit weit und breit bekannt war. Viele junge Ritter aus naheliegenden Schlössern hielten um die Hand des Jungfräuleins bei dem Vater an, aber alle wies er zurück, indem er jedem Freier eine Aufgabe stellte, die zu lösen zur Bedingung war. So vergingen Jahre und die Tochter blieb daheim.

    Eines Morgens saß der Alte bei dem großen Bogenfenster seines Saales und besah sich die schöne Gegend. Da erblickte er einen jungen Ritter zu Pferde, der sich dem Schlosse näherte. Mit vieler Mühe konnte der Fremde auf dem schlechten Wege zum Tore der Burg gelangen. Als man ihn eingelassen hatte, begab er sich zum Herrn des Schlosses. Euer Schloß ist sehr hübsch, begann der fremde Bitter, aber der Weg, der heraufführt, ist sehr schlecht und steinig. An-statt einer Antwort fragte der Alte den Fremden, was er von ihm wünsche. Und dieser äußerte seinen Wunsch, sich mit dem Burgfräulein zu verehelichen. Das dachte ich mir gleich erwiderte mürrisch der alte Ritter; es geht aber mit der Sache nicht so schnell. Ihr wisset, daß ich die Gewohnheit habe, jedem Freier, der um die Hand meiner Tochter anhält, eine kleine Aufgabe zu geben. Nun bei euch will ich auch keine Ausnahme machen und ich werde euch etwas zu tun geben. Seid ihr so glücklich es zu vollbringen, so sollt ihr mein Schwiegersohn werden. Da ihr zuvor von dem schlechten Wege gesprochen habt, der zu meinem Schlosse führt, so gebe ich euch die Aufgabe, vom Fuße des Berges, auf welchem mein Schloß steht, bis zum Tore des Schlosses eine Straße zu bauen, welche so breit «tjin muß. daß vitic Wagen nebeneinander fahren können. Dies müßt ihr in zwölf Stunden fertig haben, ihr körnt heute abends um sechs Ihr anfangen und morgens um sechs Uhr nviH die Straße gemacht sein. Nachdenklich gestimmt verließ der Ritter das Schloß und erzählte zu Hanse alles seinem Die-ner. Der meinte, das ließe sich schon machen. Ihr wißt, sagte er, daß in den Bergen, wo sich euer Eisenbergwerk befindet, Zwerge hausen. Von diesen erhieltet ihr ja schon oft Anträge, das Bergwerk aufzugeben, damit sie nicht im-mer in ihrer Ruhe gestört würden, wofür sie euch reichlirh zu belohnen versprachen. Die Zwerge sind geschickte Bergleute, und ihr könnt euch in den zwölf Stunden die Straße bauen lassen, dafür versprecht Ihr ihnen, nicht mehr im Bergwerke arbeiten zu lassen.

    Nun begab sich der Diener schnell zum König der Zwerge. Diesem brachte er sein Verlangen vor und ver-sprach ihm, die Arbeiten im Bergwerke gänzlich aufzuge-ben, wenn die Straße beim ersten Hahnenschrei fertig sei: wäre dies nicht der Fall, so würden die Arbeiten im Bergwerke in der Folge um so mehr betrieben werden. Der Zwergenkönig ging auf den Vorschlag ein und versprach, die Straße in der angegebenen Frist zu vollenden. Mittlerweile war die Nacht angebrochen und die Zwerge machten sich an die Arbeit. Unaufhörlich arbeiteten sie die ganze Nacht hindurch und als der Tag zu grauen begann, war der Bau der Straße bis auf weniges beendet. Da ertönte vom Schlösse her ein starker Hahnenruf und klagend und jammernd verschwanden die Zwerge samt ihrem Gebieter. Nun kam der Ritter und sein Diener mit einer Menge Bergknappen herbei und vollendeten das Werk. Der Hahnenruf aber, der vom Schlosse ertönt war, war kein natürlicher, sondern der Diener konnte Tierstimmen nachahmen und er tat den Hahnenschrei bevor der Bau der Straße völlig beendet war, damit die Zwerge nicht ihren zugesagten Lohn erhielten.

    Punkt sechs Uhr sah der alte Ritter bei dem Bogenfenster hinunter und staunte sehr, als er die große, breite Straße erblickte. Er mußte nun, da er es versprochen hatte, dem Ritter seine Tochter zur Gemahlin geben.

Aus Theodor Vernalecken, Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich, Nr. 32, Seite 208, Wien, 1859.

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472

DIE BERGGEISTER UND DIE
BERGKNAPPEN

    Im ersten Kohlenbergwerk Österreichs, somit dem ältesten von allen, zu Thallern, das heute stillgelegt ist, unternahmen es einst die Bergknappen in frevelhafter Weise, die am Tag der heiligen Barbara alljährlich an die Erdoberfläche kommenden Berggeister zu belauschen. Die Knappen stiegen auf die Berghalde, wo ununterbrochen ein Feuer, sowohl den Tag, wie auch die Nacht über, brannte. Daß die Grubengeister dort in der Barbaranacht ihr nächt-liches Spiel treiben, hatte ihnen ein alter Bergmann verraten. Ausgelassen, durch allzugroßen Trunk ihrer Sinne nicht mehr mächtig, stiegen die Bergleute den Berg empor; lautes Treiben verscheuchte die Grubengeister. Diese entflohen und verkündeten bei ihrem Enteilen den Bergknap-pen das nahende Unheil mit den Worten: „Weil ihr uns vertrieben habt, so wollen auch wir euch von dieser Stelle vertreiben.“ Die ausgelassenen Bergleute hörten diese Worte, schenkten ihnen aber keine Bedeutung. Als sie jedoch wieder den Stollen betreten wollten, um ihr Tagewerk zu verrichten, konnten sie nicht einfahren, da das Wasser der Donau den Stollen ersäuft hatte. Seit dieser Zeit konnte man das Bergwerk nie mehr befahren. Die Grubengeister hatten ihre Drohung nur zu wahr gemacht. Die Bergleute verloren ihre Arbeitsstätte und mußten in der Fremde neue Arbeit suchen. Verlassen liegt heute die Stätte emsigen Bergbaues und der Donau Wasserfluten füllen die Schächte und Stollen, wo einst fleißige Bergleute die Kohle aus der Erde holten, die auf zahlreichen hölzernen Donauschiffen nach Wien verfrachtet wurden oder auch zum Sieden des Alauns zu Thallern Verwendung fanden.

Gew.: Bergmann J. Rieder, Thallern. Aufz.: Janko Friederike. 1952.

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473

DER BAUER UND DER ERDGEIST

    Hoch über dem Donautal liegt ein kleines Bauerndörflein namens Habruck auf karger Erde. Die Armut des Ackerbodens läßt auch die Bewohner niemals reich werden, wenn sie sich auch noch so mühen. Nur ein einziger Bauer hatte es einmal vermocht, zu Wohlhabenheit zu kommen, denn er stand mit den guten Erdgeistern im Bunde. Beson-ders mit einem Erdmanderl hatte er besondere Freund-schaft geschlossen, die ihm reichen Ackersegen eintrug. Sobald der Bauer seine Felder umackerte und den Pflug in den Boden setzte, war das Manderl hinter ihm, sprang von Scholle zu Scholle, bückte sich zur Erde und segnete sie so. Wo am Ende der Pflügerarbeit der Bauer den Pflug aus der Erde hob, verschwand das Erdmännlein im Boden. Seit der Zeit, als das Erdmännlein an der Seite des Bauern wirkte, hatte dieser reiche Ernten. Wohlstand kehrte in seinem Hause ein. Bauer und Erdmänncben hielten gute Freundschaft. Viele Jahre blieb es so, bis eines Tages das verschmitzte Bäuerlein seinen Freund arg kränkte und bloßstellte. Der Bauer hatte nämlich im Laufe der Zusammenarbeit herausgefunden, daß das Erdmännlein immer dort verschwand, wo seine letzte Furche endete. Da zog eines Tages der Bauer eine geschlossene Furche um sein Feld. Das Erdmännlein, das den Betrug nicht sofort bemerkte, mühte sich lange Zeit ab, bis es fast todmüde zusammenbrach. Der lachende Bauer stand aber außerhalb des Feldes und lachte sich die Haut voll. Da erzürnte der Erdgeist und drohte dem Bauern. Mit furchtbarer Stimme rief er demselben zu: „Dein Glück, daß du außerhalb des Kreises (geschlossene Furche!) stehst, denn sonst wäre es dir übel ergangen!“ - Das kleine Männlein wurde nach diesen Worten immer größer, wurde zum Riesen und verschwand spurlos im Boden. Seit diesem Ereignis suchten den Bauern Mißernten, Hagelschläge und andere Unheile fortgesetzt heim, sodaß er völlig verarmte und seine Scholle verlassen mußte. So hatte der Übermut des Wohlhabenden zu seinem Untergang geführt.

Aus „Frau Saga“, 4. Reihe, Nr. 25, Seite 27.

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474

DER ZWERG IN DER KREMSER BURG

    In der Kremser Burg wohnte ein alter, einsamer Mann. Dieser war bei einem Branntweinbrenner beschäftigt. Zu diesem Burgbewohner kam alljährlich am Heiligen Abend ein Zwerg, der dem Alten stets die Ereignisse des kommenden Jahres voraussagte und ihn beim Abschied stets mit einem Goldstücke beschenkte.

Gew.: Josef Kunitzky, Krems. Entnommen der n.ö. Landzeitung 1954. Aus dem Aufsatze Dr. Plöckingers „Kremser Burgsagen“.

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475

DAS SCHOTTERMÄNNLEIN

    Als einst Leute aus dem Spitzer Graben um die Mittagszeit auf den Lindberg gingen, sahen sie zu dieser Zeit hart am Wege, der aus dem Tale auf den Gipfel führte, ein kleines graues Männchen vor einem großen Schotterhaufen sitzen, das mit großem Fleiße die großen und kleinen Steine zerschlug. Es schlug unermüdlich auf diese los, ohne nur ein einziges Mal aufzublicken. Als die Heumacher von ihrer Arbeit am Abend heimgingen und an der gleichen Stelle vorüberkamen, waren Männlein und Schotterhaufen spurlos verschwunden.

Gew.: Traude Wagner Niederranna. Aufz.: Erich Schöner, Spitz, 1938.

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476

DIE ZWERGLEIN VON LANGENLOIS

    In alten, alten Zeiten wohnte in Langenlois eine ganze Familie von Zwergen. Obgleich sie niemanden etwas zu-leide taten, wurden sie von den Leuten wegen ihrer Kleinheit verspottet. Da zogen sie aus dem Markte fort und sie-delten sich im sogenannten „Vierziger Ried“ an, wo sie sich im Lehm eine Unterkunft herrichteten. Aber auch hier ließ man ihnen keine Ruhe; insbesondere tat sich dabei einer von den Bürgern hervor, der sich auch über ihre Armut lustig machte. Als dieser wieder einmal in ihren Bereich kam, luden ihn die Zwerge ein, ihre Schätze zu besichtigen. Der Bürger ging auf den Spaß, wie er meinte, ein, konnte sich aber vor Erstaunen kaum fassen, als er in einer der Kammern eine Menge unermeßlicher Kostbarkeiten aus Gold und Silber aufgehäuft sah, alles Erzeugnis der Zwerge. Die Habgier ließ nun dem Bürger keine Ruhe mehr und eines Pages verabschiedete er sich von seinen Hausleuten, um, wie er sagte, sich den Schatz der Zwerglein zu holen. Aber Tag um Tag verging, er kam nicht nach Hause. Da unternahmen es seine Angehörigen nach ihm zu forschen, aber sie fanden weder die Behausung der Zwerge, noch diese, noch den Vermißten und auch nichts von dem Schatze. Alles war und blieb verschwunden.

Gew.: Karl Spitzwieser, Langenlois. Aufz.: Direktor Gruber, Langenlois 18, 1952, und siehe „Frau Saga“ von F. Kissling, 1. Reihe, Nr. 4, Seite 50.

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Diese Seite wurde am 2. September 2006 erstellt.