Titelseite Riesen und Zwerge

Riesen u. Zwerge
Heft Nr. 11 (Doppelheft)

Teil 1

von Gedicht und
Sage 465 bis Sage 469


R I E S E N   U N D   Z W E R G E


Zu eines Riesen Haus im Wald zwölf schächer kamen.
von denen fraß er wehrlos elf, die rasch ein Ende nahmen.
Nicht wollte er erlahmen,
Bis auch der Letzte sei verzehrt.
Da wehrte sich der Zölfte und wollte sich als Held gebaren.
Da sprach der Riese: „Jetzt magst du das Wehren sparen.
Als zwölfe euer waren,
Warum habt ihr euch nicht gewehrt?
Euch gleichet ein Geschlecht, das ein Gewaltiger zwingen will.
Es läßt sich nicht besonders schwierig unterkriegen,
Es sei denn, daß es seiner sich gemeinsam wehrt,
Wenn erst beginnt zu biegen.
Will es sich einzeln unter seine Füße schmiegen,
So wird es ihm erliegen
Und endlich ganz von ihm zerstört.“

„Meister Kuonrat von Würzburg“
(gest. 1287 zu Basel)


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465

DIE GEDERSDORFER RIESEN

    In alter Zeit, als die Landschaft zwischen Gedersdorf und Krems noch von dichten Auwäldern erfüllt war und die Donau mit vielen Stromarmen die Gegend durchfloß, lebten in diesem Gebiete der Heimat drei Ritterfräuleins, welche große Besitzungen ihr eigen nannten. Sie erstreckten sich weit in die Wachauberge hinein. Dieser Besitz wurde aber von neun Riesen, die auch zu Gedersdorf wohnten, ihnen streitig gemacht. Sie bekämpften die Jungfräulein, sodaß diese nicht widerstehen konnten. Sie flüchteten. Da ergriffen einundzwanzig Bauern aus Weinzierl bei Krems für die Bedrängten deren Besitz und wahrten deren Redite darauf. Sie erschlugen die Riesen. Als Dank dafür gaben die Ritterfräuleins den Bauern Felder. Sie vermachten auch den hilfsbereiten Landleuten ihren weiteren Besitz bei Eintritt ihres Todes. Bis zu ihrem Lebensende wurde aber deren Gut noch oft von Gefahren bedroht und heimgesucht. So versank bei Donaudorf eine große Stadt, von der nur mehr als Rest das heutige Donaudorf zurückblieb. Auch riß die Donau das Dorf Nonndorf und Urfahr hinweg. In später Zeit fand man die Knochen der erschlagenen Riesen, als man zu Fels einen Keller grub.

Aus Kisslings „Frau Saga“, 6. Reibe, S. 32, Nr. 33.

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466

DER RIESE AGZACH

    Vor nahezu zweitausend Jahren hauste in der Gegend von Aggstein auf dem Felsen, wo die Ruine steht, ein einäugiger Riese namens Agzach. Dieser war ein großer Menschenfeind. Besonders die Kriegsleute hatten von ihm viel Ungemach zu leiden. Er fing sie ein und stürzte sie von der Höhe des Felsens in die Tiefe. So geschah es einmal, daß Quadenkrieger über den mit einem Eisstoß bedeckten Donaufluß setzten, um das römische Melk zu überfallen. Der Kiese, der von seinem Felsen aus das waghalsige Un-ternehmen der Germanen gewahrte, freute sich bereits seines reichen Fanges. Da begann plötzlich der Eisstoß abzugehen und die Quaden stürzten in die Donau, wo sie er-tranken. Nur ein Krieger konnte das Aggsteiner Ufer erreichen. Er fiel jedoch dort in die Hände des Riesen, der ihn gefesselt in seiner Höhle gefangenhielt. Viele Tage gingen dahin, bis sich eines Tages der Menschenfeind entschloß, den Krieger hinabzustürzen. Da betete der Germane, welcher ein sehr tapferer Krieger war, zu Wotan, daß er ihm einen ehrenvolleren Tod bereiten möge, als von des Riesen Hand hinabgestoßen zu werden. Tief unten harrte ihm noch ein schmählicheres Sein, da dort die Nixe Ran die Seelen der Abgestürzten einfing und unter einer gläsernen Glocke gefangenhielt. Daß er nicht nach Walhalla eingehn und unter eines Weibes Macht leben sollte, schmerzte ihn noch mehr. Seine Bitte erhörte aber der Kriegsgott und sandte ihm einen Befreier in der Gestalt eines mächtigen Adlers. Dieser riß mit dem Schnabel die Fesseln entzwei und trug den Helden, der sich in seinem Gefieder festhielt, sicher zu Tale, in die Freiheit. Der Befreite eilte heimwärts und wurde von seinem König mit Ehren aufgenommen und erhielt zu seiner bereits lange besessenen Auszeichnung mit dem eisernen Ringe die Würde eines Stammesherzog.

Eingesandt von Heinrich Draskowitz, Melk. Aufgezeichnet Dr. Hans Plöckinger, 1926. Aus der Sagensammlung Dr. H. Plöckinger.

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467

DER EINÖDER

    Als einst die Awaren in unser Land einfielen und es verwüsteten, flohen die Bewohner der Wachau vor dem Feinde. Unter den Flüchtlingen befand sich auch eine vornehme und wohlhabende Witwe mit ihrem unmündigen Sohn. Sie verließ aus Furcht vor den heranrückenden feindlichen Scharen ihre Burg an der Donau und zog mit dem Kinde in die Wildnis der Berge. In einer Höhle fanden sie Obdach und lebten viele Jahre in Not und Bedrängnis. Der Knabe wurde zum Jüngling, der eine große Kraft und riesenhafte Größe hatte. Da er in der Einöde der Berge auf-wuchs, nannten ihn die Leute den Einöder. Eines Tages kam die Kunde, daß Karl der Große die Awaren bekriegen wolle und er bereits mit seinen Heerscharen heranrücke. Der kühne Einöder reihte sich in Karls Kriegsscharen ein und kämpfte mit Tapferkeit und großer Kraft gegen den Feind, um seiner Mutter Not an demselben zu rächen. Da der Kampf nahe der Wachau tobte und der Jüngling die Verwüstungen sah, die der Feind in seiner Heimat angerichtet hatte, kämpfte er mit solchem Ungestüm, daß oft bis zu sechs Awaren auf seinem Speer aufgespießt waren. Auch seine Schwerthiebe streckten ganze Rotten von Feinden nieder. So rächte er das vom Feinde angetane Ungemach. Seine Mutter war indessen in der fernen Gebirgshöhle gestorben, wohin sie einst mit ihrem Kinde und reichen Schätzen geflohen war. Diese Kostbarkeiten liegen bis heute im siche-ren Versteck, denn kein Mensch konnte sie bisher finde.

Aus „Frau Saga“ von Franz Kissling entnommen. 6. Reihe, S. 20, Nr. 19. Nacherzählung R. Riedel.

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2. Erzählform:

FRAU GULA
UND DER RIESE ÄNOTHER

    In Mautern lebte zur Zeit Karls des Großen die reiche Witwe Gula, die eine Wohltäterin der Armen war. Die Kunde von ihrem Reichtum drang sogar bis zu den Awa-ren, die bei ihrem Eindringen in unsere Wachau sich der Schätze bemächtigen wollten. Doch vor dem anrückenden Feind floh die Frau mit ihrem kleinen Söhnen und den Schätzen auf einem schnellen Pferde in das Gebirge, Verfolgt und gehetzt erreichte sie endlich im Ötschergebiet die schützenden Höhlen. Dort schlug sie ihre Lagerstätte auf und verbarg die wertvollen Schätze im Berginnern, das man heute das Geldloch nennt. Viele Jahre lebte sie mit ihrem Sohne im Taubenloch. Der Knabe wuchs in frischer und gesunder Bergluft zu einem Riesen heran, der den Namen Änother führte. Als nun Karl der Große die Awaren bekriegte, schloß sich der Riese dem Heere des Kaisers an. Er kämpfte tapfer und vernichtete viele Feinde, welche in wilder Flucht vor dem unheimlichen Riesen auseinanderstoben. Als die Awaren vernichtet waren, schlug Änother seinen Wohnsitz in Wien auf, während seine Mutter weiterhin im Gebirge hauste. Die reichen Schätze verwahrte sie fürderhin im sicheren Versteck. Nach ihrem Tode fand man sie aber nicht auf und diese liegen noch heute angeho-ben im Geldloche, wo sie aber bis heute kein Mensch gefunden hat. Der tapfere Änother wurde der Ahnherr eines berühmten Geschlechtes.

Entnommen dem Sagenbuche „Sagen der Wachau“ von Dr. Plöckingert Seite 85, Nr. 79.

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468

DER RIESE UND DER STIER

    Östlich, von Grafenegg steht ein Standbild; die Leute nennen es „Riese und Stier“. Die Bewohner Grafeneggs erzählen darüber folgende Sage:

In alter Zeit hielt sich jeder Graf einen Riesen zur Verteidigung. Der Grafenegger Riese war wegen seiner Stärke weit und breit gefürchtet. Einst fielen Feinde ins Land und belagerten das Schloß Grafenegg. Wilde Tiere waren ihre Kämpfer, vergiftete Pfeile ihre Waffen. Der Graf und sein Riese kannten keine Furcht. Hart kämpfte der Riese mit einem wilden Stier. Schon drehte er den Stier zu Boden und aus dessen plumpen Leib traten die Eingeweide hervor. Da schwirrte ein vergifteter Pfeil durch die Luft und traf den Riesen. Wenige Augenblicke spater fiel auch der Graf. Von einem nahen Tor des Schlosses sah die Gräfin ihren Liebsten sterben. Heute noch sieht man beim „Schwarzen Tor“ in der Ostmauer des Grafenegger Parks „die Gräfin und ihre Kinder“.

Gew.: Marie Grasruck, Haitzendorf. Aufz.: Brigitte Gusela, 1952.

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469

DER MUSIKANT UND DIE ZWERGLEIN

    Ein Musikant wollte einmal in der Nacht nach Raxendorf wandern, um dort zum Tanz aufzuspielen. Er ging und ging, jedoch nach Raxendorf kam er nicht. Endlich setzte er sieh am Wegesrand nieder und rastete. Da versammelten sich plötzlich viele kleine Männlein und Weibloin um ihn. und der Musikant mußte für sie spielen, währ-end sie sich unermüdlich im Kreise drehten. Sie brachten ihrem Spielmann die besten Bäckereien und süßesten Kuchen, geboten ihm jedoch, ja nichts davon einzustecken. Der Musikant befolgte vorerst das Gebot, als jedoch einmal gar niemand herschaute, schob er ein paar Stückchen in seine Tasche. - Als es Morgen wurde, verschwanden die Gestalten, und nun sah er erst, daß sie ihn auf den Jauerling hinaufgeführt hatten. Nun wollte er nach dem Backwerk in der Tasche greifen, er fand jedoch darin nur Erdbrocken.

Gew.: Herrnann Auer, Oetz im Spitzergraben. Aufz.: Schule Niederranna. 1952.

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Diese Seite wurde am 2. September 2006 erstellt.