Burgen und Ritter
Heft Nr. 7 (Doppelheft)
Teil 5
von Sage 187 bis Sage 197
187 DER ADLER VON AGGSTEIN Ein mächtiger Adler horstete nächst Aggstein in den Felsen. Er pflegte alltäglich den Rosengarten, der Burg aufzusuchen, um dort vom Fleische der Verhungerten zu fressen oder im tiefen Grunde, unterhalb des Felsens, sich an den Leichen der Zerschmetterten, die den Todessprung zur Erlösung von ihren Leiden gewagt hatten, gütlich zu tun. Als sich eines Tages der Adler wieder im Rosengärtlein niederließ, um seine Mahlzeit zu halten, wurde er von einem gefangenen Ritter mit beiden Armen am Halse umfaßt. Dieser drückte sich an die Brust des mächtigen Vogels, der, aufgescheucht, ihn sicher vom Rosengärtlein hinwegtrug und so rettete. Der Gerettete brachte dem Landesherrn Kunde von den Untaten des Schreckenwald nach Wien. Des Scheck Burg wurde hierauf gebrochen und der Gewalttäter enthauptet.
Nach Piper, Oesterreichische Burgen, II/17. Vergleiche Sage Nr. 218. Zur Sage Nr. 218
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188 GRAF GEROLDS BURG Karl der Große erkor seinen Schwager Gerold zum ersten Markgrafen der neu errichteten Ostmark des Reiches. Dieser hatte seinen Sitz in Lorch. Die Sage erzählt aber, er habe auf dem waldigen Brackersberge bei Melk eine große Burg erbaut und daselbst mit seinen drei Töchtern gelebt. Der Markgraf verlor bei einem Aufstand der Awaren sein Leben. Die Burg aber verfiel und nur die einstige Burgzisterne blieb zum Teile erhalten. Ein Tümpel am Gipfel des Berges kennzeichnet noch heute den Ort der Zisterne. Alles andere ist dahingegangen und nur zeitweise geht es an der Stelle der einstigen Burg nicht mit rechten Dingen zu, denn es spukt zur nächtlichen Stunde.
Nach Mailly, n.ö. Sagen Nr. 230.
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189 DIE BURGKIRCHE ZU GOSSAM Im Graben des Feibringbaches erhebt sich auf einem Felsen eine Kapelle, welche der letzte Rest einer sagenhaften Burg sein soll, die sich hier einst befand. Fels und Wald erfüllen ringsum den Graben und lassen nur wenig Platz für das „Burgkirchlein“, wie man auch die Pankrazikapelle nennt. Uralt ist das Gebäude und noch älter der Altarstein, denn dieser stammt bereits aus der Römerzeit und diente damals als Grabstein.
Nach Friedrich Reils, „Donauländchen.“
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190 BURG WEITENEGG Wie die Sage berichtet, soll die Burg Weitenegg an der Stelle eines römischen Kastelles erbaut worden sein. Der Erbauer soll Rüdiger von Bechelaren gewesen sein, der 916 starb.
Aus Reils „Donauländchen.“
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191 DER RAUBRITTER VON HAUSEGG Unweit des Dorfes Heiligenblut am Jauerling erheben sich die Trümmer einer Ritterburg. Hier trieben einst Raubritter ihr schändliches Unwesen. Der unheimliche Ort war einst, noch lange nachdem man den Wüterichen das Handwerk gelegt hatte, vom Volke gemieden. Mit Schauder blickte es empor zu den Stätten der Gewalt und des Rechtsbruches. Aber die Stunde der Vergeltung schlug auch den bösen Schnapphähnen. Gute Ritter bildeten einen Bund und belagerten die Burg solange, bis die Eingeschlossenen alle verdurstet waren, denen man das Wasser abgegraben hatte.
Aus Kißlings „Frau Saga“, 4. Reihe, Seite 105: Nr. 139.
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192 DIE ZERSTÖRUNG DER BURG HAUSEGG
Die Burg Hausegg auf dem Jauerling wurde vor vielen Jahrhunderten von einem benachbarten Ritter belagert. Da sie auf einem steilen Felsen stand, waren alle Versuche, die Feste durch Mauerbrecher und Wurfmaschinen zu bezwingen, vergebens und jener mußte bald unverrichteter Dinge abziehen.
Aus Zeitschrift „Neue Jugend“ Seite 273.
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193 DER GRAUSAME RANNARITTER Einst lebte auf Burg Ranna ein grausamer Ritter. Er war hartherzig und bedrückte seine Untertanen wo er nur konnte, so daß diese ihn haßten. Er war einer der mächtigsten Herren der Wachau und der Ruf seiner Grausamkeit war überall bekannt. Da geschah es, daß er sich zum Sterben bereit machte. Als er die Augen für immer schloß, kam plötzlich ein Wagen angefahren, den ein schwarzer Mann lenkte und der von feurigen Rossen gezogen wurde. Dieser holte den grausamen Burgherrn ab. Der Fremde fuhr mit ihm durch die Lüfte davon und hielt erst das Gefährt an, als er die „Bärenwände“ erreicht hatte. Dort öffnete sich donnernd der Felsen und Mann, Rösser und Gefährt sowie der grausame Ritter fuhren hinein. Alte Leute erzählen, daß der Kutscher der Teufel gewesen wäre, der den Ritter wegen seiner grausamen Taten in die Hölle geholt hätte.
Gew.: Traude Wagner, Niederranna. Aufzeichnung durch Schule Nieder-Ranna. 1952.
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194 SCHLOSS LICHTENAU Auf der welligen Hochfläche des südlichen Waldviertels erhebt sich das Schloß Lichtenau. Dieses soll ein Tempelherr erbaut haben. Derselbe hatte sich, als er vom Krieg heimkehrte, im tiefen Wald, der sich damals noch überall befand, verirrt. Vom Hunger und Durst geplagt, überfiel ihn auch die Nacht, ohne daß er eine menschliche Siedlung erreicht hätte. Auf einmal sah er in der Ferne ein Licht. Auf dieses ritt er zu und kam in eine bekannte Gegend, wo er auch Menschen antraf. Er blieb in dieser Aue, wo er das Licht erspäht hatte, und erbaute sich ein festes Haus, das er Lichtenau nannte. Als er aber später ein Raubritter wurde, erschlugen ihn die Bauern.
Aus Kißlings „Frau Saga“, 4. Reihe, Seite 34 Nr. 34.
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195 DER UNVERSÖHNLICHE VATER
Einst lebte in Deutschland ein kühner Ritter. Als er von einem Kreuzzug aus dem Morgenlande heimgekehrt war, begehrte er die schöne Tochter des Fürsten Kuno zur Frau. Aber der stolze Kuno weigerte sich, seine Tochter mit dem Ritter zu vermählen. Deswegen entführte der Freier nach altem Brauch seine Braut.
Aus dem „Pilgerkalender des Jahres 1864.“
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2. Erzählform: Die alte Burg Hartenstein gehörte einst dem Kuenringer, der ein so gefürchteter Raubritter war,daß er in seinem Lande keine Braut bekommen konnte. Da ritt er hinaus ins Reich, an den Rhein, und entführte dortselbst die Tochter eines edlen Herrn, deren Hand bereits einem anderen versprochen war. Der auch von der Tochter hintergangene Vater sandte dem fliehenden Paare seine Knappen nach Oesterreich nach, die hierauf auf verschiedenen Burgen in der Wachau Nachfrage hielten. Und so erfuhren sie den Aufenthalt des Entführers und der Entflohenen. Die Knappen verständigten ihren Herrn, der alsbald unter fremden Namen und unkenntlich verkleidet, von Dürnstein aus nach Hartenstein kam, hier aber sah, daß sich seine Tochter ganz wohl und glücklich fühle. Da verzieh der alte Ritter dem Paare, nachdem er sich vorher zu erkennen gegeben hatte, und reiste mit seinen Knappen wieder ab. Da aber der Hartensteiner ihm gegenüber seine Burg als unüberwindlich bezeichnet hatte, so beschloß sein Schwiegervater, im Spaße eine Probe zu machen. Er verabredete sich zuerst mit dem Burgvogt und Stallmeister, reiste scheinbar ab und kehrte dann um. Er erstürmte zum Scheine in der folgenden Nacht die Burg. Als er so in den inneren Burghof eingedrungen war, erwachte der Hartensteiner und glaubte, daß ein feindlicher Ritter die Burg erstürmt hätte. Als er sah, daß es kein Entrinnen mehr gäbe, denn er hatte als Raubritter ein schlechtes Gewissen, stürzte er sich samt seiner Gemahlin, die ihm zustimmte, zum Fenster des Schlafgemaches hinaus, so daß beide an dem Felsen in der Tiefe zerschellten. In diesem Augenblicke war aber der Vater der Frau des Ritters in das Gemach eingetreten und mußte mit Entsetzen sehen, was sein unüberlegter Spaß bewirkt hatte. Vom Schmerze tief gebeugt, verließ er die Burg und kehrte an den Rhein zurück, nachdem er die beiden bestattet und die Burg seinen Knappen geschenkt hatte.
Aus den „Blättern des Vereins f. Landeskunde“ 9. Jahrgang, Seite 38.
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3. Erzählform: Auf Burg Krumau hauste vor vielen Jahrhunderten der Ahnherr der Kuenringer, namens Azzo. Schon frühzeitig hatte er seinen Tochtermann erwählt, aber die Maid wollte durchaus vom zukünftigen Freier nichts wissen und einen anderen Mann küren. Schon lange hatte sie ihr Herz dem Hartensteiner zugewendet und dieser entführte eines Nachts im beiderseitigen Einverständnis die Tochter des Azzo aus der Burg ihres Vaters. Er brachte sie auf Hartenstein in Sicherheit. Zornentbrannt zog der Kuenringer gegen die Burg und belagerte sie einige Monate. Eines Tages setzte Azzo zum Sturme auf die Feste an und berannte das Tor. Er feuerte seine Getreuen mit dem Rufe an, daß hier sein Kind sich befinde und es befreit werden müsse. Dies hörte der Hartensteiner und teilte es seiner Braut mit. Als der Kuenringer bereits in die Burg eindrang, bestieg der Burgherr mit seiner Liebsten das Pferd und sprengte durch eine steinerne Pforte in den Abgrund der Kremsschlucht, wo sie beide zerschellten. Seit dieser Zeit sieht man den Ritter mit seiner Braut auf schnaubendem Rosse aus dem Kremstal zur Mitternachtsstunde zur Burg emporreiten.
Aufgezeichnet von N. Pachschwöll, Purkersdorf bei Hartenstein. 1925.
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196 DAS GESPENST AUF HARTENSTEIN Vor vielen Jahren, zu einer Zeit aber, als die stolze Burg Hartenstein schon zum Teil in Trümmer gelegt worden war, hauste hier ein gespensterhafter Ritter. Die Seele des hier einst hausenden Schloßherrn erschien, da sie im Grabe keine Ruhe finden konnte, zu gewissen Zeiten herumziehenden Leuten, die vorübergehend in der Trümmerburg Zuflucht gesucht und hier ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. In klirrender Rüstung kam der Ritter herangestapft und setzte sich auf ihre Brust, daß ihnen schier der Atem stockte. Auch trat er zurück und bewarf sie mit seinem, immer wieder in seine Hand zurückkehrenden Kopfe, den er unter dem Arme trug. So trieb der Geist des Ritters seinen Schabernack mit den armen Besuchern der Burgruine. Das konnte keiner der Schläfer auf die Dauer ertragen und jeder verließ mit Entsetzen und Grauen die unheimlichen örtlichkeiten Hartensteins.
Aus Kisslings „Frau Saga“, 9. Reihe Seite 52 Nr. 96.
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197 WIE MAN HARTENSTEIN BAUTE Die drei Burgen, Hartenstein, Hohenstein und Dürnstein wurden einst von drei Brüdern erbaut. Der Zahn der Zeit hat ihr Gemäuer zerfressen, aber dennoch trotzen noch heute ansehnliche Mauerreste dem Verfall. Wenn man aber die Burgen vergleicht, so ist unter den 3 Ruinen Hartenstein noch immer diejenige, deren Mauern am wenigsten verfallen sind. Wie die Sage zu berichten weiß, kommt dies daher, weil man einst bei dem Bau von Hartenstein zur Mörtelbereitung Wein verwendete, der dem Mörtel große Härte verlieh. Im benachbarten Hohenstein verwendete man dagegen Essig, der dem Mauerwerk viel von seiner Festigkeit nahm.
Nach Mailliy, n.ö Sagen Nr. 170.
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