Ullrichs / Mureichs

aus dem Dorfbuch von Josef Fuchs

(* 1889 - +1967), Ullrichs 25 / Wien


Der DREISSIGJÄHRIGEKRIEG 1618 - 1648
 
Das Schloss KIRCHBERG wurde durch vier Comel Reuter (Reiterei) aufgefordert, hat sich aber gewehrt und nicht ergeben. Dem HERRN von SCHERFFENBERG haben sie sein Schloss HIRSCHBACH mit Leitern überstiegen und alles, was sie darinnen gefunden, nach GREITZ (?) geführt und das Dorf bis zum Grund abgebrannt.
 
Viele Leute, die sich hin und wieder in den Wäldern versteckt hatten, wurden niedergeschlagen, aufgehängt oder weggeführt. In Wahrheit haben die Türken nicht übler gehaust. Die armen Bauern schlossen sich zusammen. Sie schlugen sich züi den Böhmen durch und widersetzten sich diesen losen (mutwilligen, entarteten) Leuten. So haben sie 18 Tampierische Freybeuter in WEISSENBACH bei ILMAU erschlagen. Die armen, elenden (unglücklichen, jammervollen) Weiber und Kinder heulten, seufzten und wehklagten erbärmlich. Gott wird sie gewiss erhören und das lose Volk augenscheinlich bald strafen, denn sie hausen ja nicht wie Christen sondern wie die Türken.
 
Aus einem Verzeichnis abgebrannter und geplünderter Flecken, Schlösser und Dörfer im Viertel ober dem Manhartsberg (Waldviertel) in Unter-Osterreich: Erstlich die Herrnschaft (Herrschaft) WEITTRA (Weitra), WASSEN, WEISSENBACH (dein Herrn von Sonderndorff zugehörig), WIELAND (Wielands), VENDORFF (Amdorf, Ehrendorf), GMUEND, SCHREMS, ENGELSTEIN, MOEDERIK (Moidrams?), ZWETEL ABTEY und PROPSTEY (Stift und Propstei Zwettel), POPPEN, ALTENBURG.
 
Ganz aktuell wirkt der Bericht des Arztes Florian CRUSIUS vom 13. August 1619, der vom Schloss ROSENAU, mitten in den Wirrnissen jener Zeit, nach FRIEDBERG reiste und darüber an Mathias BERNEGGER in STRASSBURG brieflich Mitteilung machte: „In der Folge wurde unsere Reise infolge von Raubüberfällen, Bränden und Morden nach dem Abzug der Böhmen aus unserer Nähe durch die belgischen Soldaten - wohlgemerkt unsere Beschützer! welche der Erzherzog Albert dem König gegen die Böhmen zu Hilfe geschickt hatte, aufs Übelste gestaltet. Die Ruchlosigkeit der erwähnten Räuber trieb die Bauern im Oberen Waldviertel dazu, dass sie aller Habe entblöst, gleichsam das Joch abwarfen, sich zusammentaten, die Wegeengen besetzten und dann in den Dörfem alle, die sie zu fassen bekamen, erschlugen, wobei in kurzer Zeit bei 200 durch Bauernhand umkamen. So stehen nun auch die Bauern unter Waffen, missachten die Befehle ihrer Herren und sperren die gangbarsten Wege durch Hinterhalte. Und wenn sich die Lage nicht bald zum Besseren wendet, muss man mit fortschreitender Zeit auch einen Bauernaufstand befürchten.“ (aus dem Lateinischen nach Rauppach, Evangelisches Österreich, 111/225/8, Beilage.).
 
Schließlich sei noch die Meldung des Weitraer Vikars GITTERBERGER vom 16. Februar 1621 an den Offizial in Wien angeschlossen (lt. F. Weissensteiner, Reformation und Gegenreformation im Gebiet von Gmünd. Diss. Wien 1849): Die Pfarre Weitra sei durch die böhmischen, kaiserlichen und barischen Armaden zu verschiedenen Zeiten verheert und verzehrt, die dahin zehentbaren Dörfer abgebrannt, die Bauern verjagt oder zu Tode geschlagen worden, sodass außer der Stadt nichts vorhanden sei und ein zukünftiger Pfarrer nur von der Stola leben müsse. Die Pfarre Gmünd sei bei Tag und bei Nacht von den böhmischen Räubern mit Mord und Brand so in Anspruch genommen worden, dass er durch zwei Jahre keinen Zehent an Korn, Hafer oder Heu bekommen habe. 1619 habe die Stadt vier Durchzüge erlitten; zuerst sei Graf TAMPIERE mit 5000 Ungarn gekommen, dann der GENERAL mit der Armada, der zweimal je acht Tage hier gelegen und mit beiden Fürsten URSINI samt ihren Grafen und ihren Dienern und 43 Pferden im Pfarrhof einquartiert gewesen, denen er durch acht Tage alles Nötige habe reichen müssen. Zuletzt die bairische Armada die in ungefähr 28 Pfarren gelegen sei und zu der er reichen musste, was er noch gehabt habe. Auch hätten die Böhmischen aus Wittingau am 21.09.1620 die Stadtmauern erstiegen und dem Pfarrer sowie auch den Bürgem alles Vieh und den Besitz weg genommen und im Pfarrhof alles zerhackt.
 
Die Pfarre Unser lieben Frau (Unserfrau am Sand) sei samt der Kirche und dem Dorf nach Michaelis 1620, als die kaiserliche und bairische Armee in Gmünd lag, abgebrannt worden. HÖHENBERG sei schon durch zwei Jahre öde, auch das ganze Dorf. Die Pfarre bei ST. MERTEN (St. Martin) sei öde, auch HARMANNSCHLAG, diese Dörfer seien teils abgebrannt, teils ausgestorben.
 
Diese Berichte zusammen beweisen unwiderleglich, dass das ganze obere WALDVIERTEL ohne Ausnahme vollkommen verwüstet worden war und ein großer Teil der Bewohner das Leben lassen musste, und viele Orte ganz verlassen waren.
 
Dies hat sich auch in der Erinnerung und Überlieferung bis auf unsere Tage erhalten. Von vielen Dörfern heißt es, dass nur einer - wie in Ullrichs - oder zwei - wie z.B. in Dietmanns - übrig geblieben seien.
 
Im Falle von Ullrichs ließ sich an Hand der Herrschaftsbücher erweisen, wer die zwei Überfälle zwischen dem 9. und 27. Juni 1619 überstanden hatte oder rechtzeitig flüchten konnte. Alte Männer und Frauen erzählten noch, dass die „Schweden“ das Dorf überfallen, die Häuser niedergebrannt und alle Einwohner erschlagen oder erschossen hätten. Nur ein Mann, der sich in einem hohlen Weidenbaum beim Bründl, wo heute die Kapelle steht, versteckt hatte, sei übrig geblieben. Als es ruhig geworden, habe ihn der Hunger und der Durst herausgetrieben, und er habe im Schön-Schmid Hause - andere meinten im Widhalm Hause - nach etwas Essbarem gesucht und sich etwas Warmes gekocht. Aber ein nachfolgender Reitertrupp habe den Rauch bemerkt, den Mann gefasst und ihn mit einem Strick um den Hals an einen Pferdeschweif gebunden, So seien sie Kirchberg zu losgeritten und hätten ihn so lange mitgeschleift, bis sein Kopf abriss. Wo der Tote liegen blieb, hätte man später ein Marterl aufgestellt. Wenn sich dies so zutrug, könnte es sich dabei um das steinerne Marterl handeln, welches jetzt beim Keller des Gasthauses Wimmer steht. Dieses hatte der damalige Besitzer Fuchs, da es seit langem umgestürzt und im Straßengraben gelegen war, hereingeführt und dort aufgestellt. Das Volk bewahrt oft Überlieferungen sehr getreu, wie das beim sogenannten „Danglbaum“ bei Langenlois der Fall war, wo im Dreißigjährigen Krieg ein gewisser Dangl als Deserteur gehenkt worden sein soll, was durch die Eintragung in die Sterbematrik erwiesen ist.
 
Aus dem Grundbuch 1611 - 1619 und aus dem 1621 neu aufgelegten Grundbuch Kirchbergs ergibt sich durch Vergleich der eingetragenen Lehnernamen, dass nur sieben Lehner von 27 nach 1921 in Ullrichs geführt wurden, während weitere neun mit gleichem Familiennamen, aber anderen Taufnamen, im Laufe der nächsten Jahre zuwuchsen, die daher als überlebende Söhne angesehen werden können. Über Frauen und Kinder, die natürlich nirgends verzeichnet waren, lässt sich aber nichts feststellen. Man kann also annehmen, dass tatsächlich zwei Drittel bis drei Viertel der Einwohner des Dorfes zugrunde gegangen sind. Da die Überlebenden augenscheinlich dem Beispiel ihres Grundherrn folgend, gleichfalls zum katholischen Glauben zurückkehrten und keine Abwanderung festzustellen ist, war die Rellgionsfrage in Ullrichs und den anderen untertänigen Ortschaften der Herrschaft Kirchberg zur allerhöchsten Zuftiedenheit gelöst. Wer fragte da noch nach den vielen Toten?!
 
Es war eine Zeit ohne Gnade und Mitleid!
 
Die Pfarrchronik von Kirchberg verweist auf eine Eintragung in einem Grundbuch der Marktgemeinde, die besagt: „Das Jahr 1620 war des Krieges wegen so furchtbar, dass das Kind im Mutterleibe erzitterte und epidemische Krankheiten die ausgehungerten Menschen dahinrafften.“
 
Diese fürchterlichen Vorgänge von 1619 bis 1621 behinderten jede geordnete Hausung und den notwendigen Feldbau. Es fehlte an Vieh und Saatgut. Durch Jahre war es den wenigen Überlebenden und den ersten Zuwanderern nur möglich, das nackte Leben zu fristen, konnten diese oft nicht einmal das Achtel Schmalz als Abgabe für das Lehen leisten, das die Herrschaft in vielen Fällen ihnen ohne jedes Entgelt überlassen hatte. Trotzdem vermochten sich manche, ungeachtet der bewilligten drei bis vier Freijahre „Abgaben- und Robotfreiheit“, nicht zu halten, sagten das Lehen zurück und wanderten wieder ab.
 
Erst in den Vierziger Jahren waren die letzten verödeten Häuser wieder besetzt, notdürftig aufgebaut und bewirtschaftet. Die ärgste Not war vorbei. Daran änderte auch der Schweden-Einfall anno 1645 nicht viel. Wohl mussten die Bauern den fremden und den eigenen Truppen alles Lebensnotwendige liefern, aber die schweren Brandschatzungen der Zwanziger Jahre wiederholten sich doch nicht mehr im damaligen Umfang, und die Menschen selbst wurden im Allgemeinen geschont und seltener misshandelt, verblieben auf ihren Häusern. In einzelnen Fällen, wie z.B. bei Klein Ruprechts ist wohl in Dorfbrand auch aus der Schwedenzeit überliefert. Erst der Westfälische Friede brachte die endgültige Erlösung von der Kriegsgeißel, aber Armut, Teuerung, Missernten durch Schlechtwetter und Saatgutmangel und fehlendes Zugvieh wirkten noch weiter. Bezeichnend ist, dass damals ein Paar Ochsen teurer waren als ein ganzes Lehen.
 
In einer Untertanen-Beschreibung über alle gestifteten und ungestifteten Häuser aus dem Jahr 1653 ist unter dem Dorf Ullrichs eingetragen: „Hier sind 22 bewohnte Lehen, 4 davon haben keine Zugochsen zur Feldarbeit, auch kein Vermögen. 1650 und 1651 sind 2 Lehen öd geworden, die Inwohner (Mieter) sind ganz verarmt davon gegangen und haben die Häuser der Herrschaft zurückgegeben. Da ist noch eine Hofstatt.“ Und so ähnlich sah es auch in den anderen Orten aus.
 
Marckht Kürchberg: 16 bewohnte Lehen, darunter nur 12 mit einigem Vermögen. 4 ganz arm, ohne Ochsen für den Feldbau und wenig anderes Vieh, sodass sie bald vom Haus müssen. Jedoch 3 bewohnte Hofstetten. Auch 9 kleine Häusel ohne Grund, nur mit den Dachtropfen umfangen, darunter 3 ganz arme.
 
Im Dorf Fronberg sind 16 Lehen, aber nur 14 mit wenig Vermögen und Ochsen. Die beiden anderen haben weder Ochsen noch anderes Vieh und nichts an Vermögen. Diese erhalten mit herrschaftlicher Hilfe Ochsenzug. Sie müssen sich mit Tagwerken Nahrung suchen und können keinen Anschlag leisten. Jedoch 4 Hofstätten. Zu Hoheneich sind 17 Lehen, darunter haben nur 8 ein geringes Vermögen und Ochsen zum Feldbau. Den übrigen 9 muss von der Herrschaft mit Zugochsen und anderem geholfen werden. Die Hofschulden sind oft höher als die Häuser samt dem ganzen Vermögen Wert haben. Auch ist kein anderes Vieh da, weil das Dorf an der Straße liegt und in den jüngst stattgefundenen Kriegen ganz ruiniert worden ist, sodass sie nicht einmal zu den notwendigen Nahrungsmitteln gelangen können. Es gibt dort 6 Hofstätten, davon sind 5 ganz verarmt.
 
Waltenstein: Hier hat die Herrschaft 11 bewohnte Lehen, darunter 3 ohne Zugochsen und eigenes Vieh noch anderes Vermögen. Von diesen kann nichts eingebracht werden. Jedoch 5 Hofstätten, darunter 2 ganz arme, können nichts reichen und haben bloß die Herberge. In den Dörfern Weißenalbern, Manßhalmb, Streitbach und Neusidl sind 19 bewohnte Lehen, darunter eines ganz arm und unvermögend. Jedoch eine bewohnte Hofstätte, ferner 3 Kleinhäusel ohne Gründe, nur mit den Dachtropfen umfangen.
 
Zu Holenstein sind 15 Lehen., darunter kann von dreien nichts eingebracht werden, weil sie kein eigenes Vieh und kein anderes Vermögen haben, jedes ist der vierte Teil eines Lehens.
 
Zu Pürbach nur ein gestiftetes Lehen, dann sind noch 14 Hofstätten, davon drei in äußerster Armut, ohne ein Rindl Vieh. 4 Hofstätten sind 1649 abgebrannt, sie sind Brandstätten.
 
Schwarza: Dort sind 2 bewohnte Lehen, dann 5 kleine Häusel, die man Hofstätten nennt, darunter ist eines ganz arm.
 
Ödenhörwarten: Es gibt 5 bewohnte Lehen, darunter 2 gar arm, ohne ein Rindl Vieh und nichts an Vermögen. Jedoch 2 bewohnte Hofstätten, dar-unter eine ganz ohne Vermögen.
 
In Nondorf sind 21 bewohnte Lehen, aber 4 darunter haben kein eigenes Vieh, sie sind in äußerster Armut, von ihnen ist nichts einzubringen.
 
Sießenbach: Dort sind zwar 17 bewohnte Lehen, darunter 3 gar arm, ohne Zugochsen und ohne eigenes Vieh. Dann 2 bewohnte Halblehen und 4 bewohnte Hofstätten. Auch gibt es 9 Brandstätten, davon 2 für Öden vor 12 Jahren gegen 2 fl. Dienst verkauft. Die anderen 7 sind den Untertanen im Bestand gelassen, haben seit 20 Jahren Jährlich ein Achtel Schmalz gegeben.
 
Ottenschlag: Hier sind 11 Lehen, davon haben 6 keine Ochsen um ihre Gründe zu bebauen, außerdem nur geringes Vermögen. 1650 ist ein Lehen verlassen und öde geworden.
 
Warnungs: Hier sind 12 bewohnte Lehen, darunter haben 2 keine Ochsen und leben auch sonst in großer Armut. Die andern 10 haben nur wenig Vermögen. Es sind auch 5 bewohnte Hofstätten, von welchen 2 gar kein Vermögen besitzen.
 
Groß Hörwarten: Hier gibt es 2 bewohnte Lehen der Herrschaft Kirchberg gehörig. Ein ödes Lehen hat vor vielen Jahren Hainrich Schmidt zu seinem Haus gekauft, er gibt davon als jährlichen Dienst einen Gulden.
 
Hierzu vermerkt die Herrschaft, dass das Vermögen hier nicht so hoch zu schätzen ist wie im Landt (Weinviertel) gegen Wien zu. Die Leute haben hier bloß ihre Nahrung, die eigenen Ochsen, einiges Vieh, gerade dass sie die Feldarbeit neben der Robot verrichten können, Die gleiche Beschaffenheit hat es auch mit Limbach und Erndort.

 
Dieser Textauszug aus dem Buch meines Onkels wurde in drei Ausgaben 2004 (98, 99 und 100) des „Waldensteiner Kulturbrief“, herausgegeben von meinem Großonkel Hans Fitzinger, abgedruckt. Das Erscheinen mußte aus Altersgründen mit dem 100. Brief eingestellt werden. So endete die letzte Ausgabe mit: „(Weitere Fortsetzungen werden voraussichtlich nicht mehr erscheinen)“.
 
Das ist aber nicht das letzte Wort und wenn nicht alles schief geht, wird das vollständige Dorfbuch, hier im Internet erscheinen. Es ist zu wichtig, als das es untergehen dürfte.
 
Der Text des „Waldensteiner Kulturbrief“ sind in etwa, die leicht überarbeitet Seiten 239 bis 245, des Dorfbuches.
 
Im Herbst 2009 ist nun endlich soweit. Es geht weiter.
 



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Diese Seite wurde am 21. April 2006 erstellt
und am 8. Oktober 2009 zuletzt bearbeitet.