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U N S E R  B U N T E S  L E B E N


Ukraine   –   März 2014   –
 
Ein Land im Umbruch und
 
ein Besuch bei Motor Sich
 
–  A photo and video documentary and homage
to the people of Ukraine and Motor Sich  –
 
„A picture is worth a thousand words.
A visit is worth a thousand pictures.“
 
DANIEL FROHRIEP-ICHIHARA und Stephen Harry Kinder.
 
Go, see, listen !   Trust your instincts, not prejudice.


 
Reisebericht
15. bis 23. März 2014


 
 
 
  17. März 2014
Yak-40  Kiev-Zaporozhe


 
 
DANIEL FROHRIEP-ICHIHARA
 
Ukraine 2014
 
Ein Land im Umbruch und ein Besuch bei Motor Sich
 
Von Jahr zu Jahr befällt mich immer wieder Torschlusspanik. Ist das die "Midlife Crisis" eines 50jährigen ? "Letzte" und "allerletzte" Mitfluggelegenheiten haben in letzter Zeit Hochkonjunktur, zumindest in meiner persönlichen Wahrnehmung. Die letzten Luftfahrtreisen nach Nordkorea, die letzten Tupolevs in Russland, die letzte DC-10, der letzte A-300, die letzte 737-200 in Europa, Bye Bye IL-96, DC-4 in Südafrika oder Buffalo Airways am Polarkreis und nicht zuletzt die letzten An-24 und Yak-40 in der Ukraine. Alle müssen alles noch schnell "loggen", neudeutsch für "abhaken".
 
Mir hingegen ist wichtig, die Sights und vor allem die Sounds einer längst vergangenen Zeit in möglichst hoher Qualität und Authentizität aufzunehmen und festzuhalten. Mein treuer Reisebegleiter - meine CANON Videokamera - und ich wollen aber keine 30 Minuten Abschiedsrundflüge, keinen Kampf um Fensterplätze, keinen Ärger mit Security und Crews, sondern Adrenalin pur mit einer verständnisvoll und milde lächelnden Flightcrew und dabei ungestört die Kamera laufen lassen. Und so fühlen wir uns beide am wohlsten auf ganz normalen Linienflügen mit ganz normalen Passagieren, mit ganz normalen Menschen eben. Wenn man als Hobbyfilmer den Anspruch hat, ein wenig mehr als verwackelte "Null-Acht-Fünfzehn" Aufnahmen zu machen, dann kommt für eine Filmreise im Jahre 2014 nur noch Motor Sich in Frage. Ein Projekt, mit halbjährigem Vorlauf geplant und gründlich vorbereitet. Ein gleich gesinnter und gleich tickender Mitflieger war schnell gefunden. Stephen Harry Kinder - mein Soulmate - , Luftfahrtjournalist und -fotograf, legendärer Tour Guide und profunder Russland-und Ukrainekenner aus Hyde bei Manchester, zögerte keine Sekunde. Gesundheitliche wie finanzielle Bedenken waren schnell über Bord geworfen. Wir sind seit Jahren ein eingespieltes Team mit derselben Wellenlänge, denselben Projektideen und einer heißen Leidenschaft für Vintage Prop-und Jetliner. Schnell waren die Kontakte zu Motor Sich geknüpft.
 
Ein reges Interesse auf ukrainischer Seite uns Beide kennenzulernen, die Bereitschaft Steves Fragen und meiner Kamera Rede und Antwort zu stehen und nicht zuletzt die Aussicht auf die Vorbereitung eines gemeinsamen großen Luftfahrtevents in Zaporozhe, ließen uns hoffen. Tickets waren schnell gekauft, Unterkünfte gebucht, als die ersten schlechten Nachrichten vom Maidan - dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew - und bald darauf aus der Krim eintrafen. Nachfrage in Zaporozhe, soweit alles friedlich, aber Situation könne schnell kippen. Da meine Familie in Japan und somit mein schlechtes Gewissen abwesend war, gewann mein "böser Zwilling" schnell die Oberhand. Sowohl mein Kontostand als auch mein gesunder Menschenverstand wurden konsequent ignoriert, die Gelegenheit bot sich so schnell nicht wieder, ich hörte auf mein "Bauchgefühl", also "Augen zu und durch". Mein "böser Zwilling" sollte Recht behalten.
 
Sonnabend, 15. März   – ein "Beach Boy" in Mainz –
 
Steve Kinders Markenzeichen sind seine stets eingezogenen Schultern auf denen lässig seine Rockermähne ruht. Steve könnte locker als Gitarrist der Beach Boys durchgehen und ist am Gepäckband in Frankfurt schon von weitem zu erkennen. Schmächtige Statur, ehemaliger Kettenraucher; der halb eingezogene Kopf fängt wie immer an hinterhältig zu grinsen, als er mich sieht. Die Direktverbindung von Manchester über Frankfurt nach Kiew wäre angesichts der Wetterlage und eines drohenden Pilotenstreiks zu riskant, also gehen wir auf "Nummer sicher" und gönnen uns einen Männerabend bei mir zu Hause in Mainz und beschließen diesen Samstag gemütlich im "Eisgrubbräu" bei Selbstgebrautem und einer gigantischen Schweinshaxe.
 
Sonntag, 16. März   – willkommen in Kiew –
 
Am nächsten Vormittag bringt uns die D-AIZU, mein erster Airbus Sharklet Flieger in zwei Stunden pünktlich nach Kiew. Für die gesamte Woche war nach einer langen Schönwetterperiode unbeständiges und nasskaltes Wetter für die Region um Kiew vorhergesagt, alles andere als ideale Voraussetzungen zum Filmen. Im Anflug auf Kiew reißt jedoch die Wolkendecke auf und unter uns erstreckt sich in schönem Sonnenlicht die Drei Millionen Metropole, es geht vorbei am Stadtflughafen Zhuliany, unserem "zweiten Domizil" für die kommende Woche und einem Meer aus postsozialistischen Neubauvierteln. Wir landen nach einer großen Rechtskurve Richtung Süden und parken am gerade erst 2012 eröffneten neuen und sehr beeindruckend hellen und modernen Terminal D in Kiew-Boryspil (Borispol). Unser über Booking.com gebuchtes Domizil "ABC Appartments" entpuppt sich als ein umgebautes Wohnhaus am Rande eines heruntergekommenen Neubaugebietes im Süden von Kiew, etwa 50 Minuten Fußmarsch von Zhuliany entfernt. Streunende Hunde und knietiefe Regenpfützen heißen uns in diesem Teil Kiews herzlich willkommen. Wir müssen bei Schneeregen in der Kälte einige Male klingeln, bevor uns die mürrische Verwalterin aufschließt.
 
Wir suchen am Abend entlang des Chervonozoryanyi Boulevards nach etwas Ess-und Trinkbarem und landen im Shopping Center "Novus" in einer Snackbar, bestellen und bezahlen an der Theke und lassen so den ersten Abend bei ukrainischem Bier, Chicken Nuggets und Finger Food ausklingen.
 
Montag, 17. März   – auf Durchreise nach Zaporozhe –
 
Der Morgen empfängt uns mit strahlendem Himmel und so beschließen wir, den Weg nach Zhuliany zu Fuß zu erkunden. Der Flughafen hat erst vor kurzem neben dem 2012 eröffneten Hauptterminal A, das hauptsächlich internationale und Low Cost Flüge abfertigt, ein weiteres nagelneues Terminal bekommen. Terminal D ist gleich neben dem neu erbauten VIP Terminal und im rechten Winkel zum Terminal A angelegt. Allerdings wird hier noch überall gehämmert, gebohrt und geschweißt und es riecht derart penetrant nach Farbe und Beize, daß die Augen anfangen zu tränen. Trotzdem werden bereits beide Motor Sich Flüge in diesem Terminal abgefertigt, zwei Morgenankünfte aus Zaporozhe und Uzhgorod und die entsprechenden Abendabflüge, lt. Plan eine An-24 bzw. An-140. Motor Sich fliegt nur innerhalb der Woche an den Tagesrändern. Somit parken tagsüber beide Antonovs nebeneinander in Kiew, am Wochenende verbleibt jeweils eine Antonov und deren Crew in Zaporozhe und die andere an der slowakischen Grenze in Uzhgorod. Weitere Inlandsflüge sollen künftig in das Terminal D verlegt werden. Zhuliany wird aufgrund seiner stadtnahen Lage immer attraktiver und derzeit von Airlines, den Passagieren und der Stadt Kiew wiederentdeckt. Sowohl Wizz Air Ukraine, wie UT-Air Ukraine als auch Motor Sich haben ihre Kiew Operations inzwischen nach Zhuliany verlegt. Ein Flug nach Simferopol mit Saab 340 von Yan Air wird am heutigen Montag wegen der Krimkrise gestrichen. Weitere Flüge werden von Wizz Air Ukraine (A320), UTAir Ukraine (ATR-72/B737-500), Air Onix (B737), Aegean Air (B737), Air One (A320), Skyways (BA146), YanAir (A320/Saab 340) Transaero (B737) durchgeführt. Die einzige Fluggastbrücke in Zhuliany wird am Terminal A offenbar nur durch den Low Cost Carrier Fly Dubai mit seiner B 737 genutzt.
 
Derzeit fehlt in Zhuliany noch eine öffentliche Schnellanbindung in die Innenstadt und so bestimmen die zahlreichen Taxifahrer das Bild vor den Terminals und baggern Kunden an.
 
Wir machen uns auf den Weg ins alte Terminal, das etwa einen Kilometer entfernt an der alten Vorfeldposition liegt, genau dort, wo wir vor erst drei Jahren auf unserem unvergessenen Luftfahrtevent mit der Grixona IL-18 geparkt hatten. Im verlassenen Gebäude treffen wir auf Sergey, dem Abfertigungsagenten von Avia Handling. Sergey teilt uns mit, daß für diesen Tag keine An-24 nach Zaporozhe geplant ist, sondern die UR-88310 - eine Yak-40 - zum Einsatz kommt. Dieses Flugzeug flog früher als 5R-MUB bei den Luftstreitkräften Madakaskars. Schnell werden unsere Sitze an Bord geändert und schon treffen wir die gerade drei Stunden verspätet aus Uzhgorod gelandete Crew, die uns am Abend nach Zaporozhe bringen soll. Chefpilot Alex Vagner weiß schon Bescheid und wir dürfen uns an Bord wie zu Hause fühlen und filmen was und so viel wir wollen. Wir freuen uns sehr über diesen "added Bonus". Erleichtert und müde kehren wir zu Fuß zu unserer Unterkunft zurück und legen uns ein wenig schlafen.
 
Gegen 17.00h geht es im Regen erneut per pedes Richtung Airport, diesmal allerdings mit Gepäck. Steve quält sich sichtlich mit einer schmerzhaften Arthrose herum, seine linke Hand ist geschwollen wie ein Luftballon. Er trägt es mit Fassung. Wir bekommen Plätze 5A und 5D, die Nachbarplätze bleiben als einzige an Bord frei. Unsere Yak-40 verfügt mit 26 Plätzen gerade etwas über die Hälfte der Sitzplatzkapazität einer An-24. Es ist ein Nachtflug und trotzdem gelingen beim Start auf Runway 26 und einer weiten Linkskurve faszinierende Luftaufnahmen von Kiews Innenstadt. Verschmutzte und milchig eingetrübte Fenster machen allerdings das manuelle Fokussieren auf entferntere Ziele zu einer großen Herausforderung. Aber auch das ist "Fliegen in der Ukraine". An Bord betreut uns liebevoll Nataliya Trubchanenko. Während der kurzen 55 Minuten gibt es Kaffee oder Tee und dazu ein kleines Bisquit. Wir landen kurz vor 21.00h in pechschwarzer Nacht und rollen zügig zum "Terminal". Es handelt sich weniger um ein Terminal, als eine schlichte Abstellposition vor einem Zaun, an dem das Gepäck ausgegeben wird. Security ist nicht vorhanden. Das ist Luftverkehr aus den 30er Jahren ! Von Krise, Krieg, erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ist zumindest hier nichts zu spüren. Wie immer bleibe ich bis zuletzt, wie immer verbleibt die Kamera in Alarmbereitschaft und siehe da, plötzlich wird die Hecktreppe wieder eingefahren, die Bremsklötze entfernt, die Triebwerke angelassen und die Yak rollt wieder die Taxiway herunter auf die andere Seite des Flugfeldes, wo Motor Sich seine Basis hat. Unsere Yak wird von der Nacht verschluckt und so wird es Zeit, uns Richtung Hotel zu begeben.
 
Das heruntergekommene Abfertigungsgebäude gleicht eher einer verlassenen Bahnhofshalle und hat bestimmt schon bessere Zeiten gesehen. Es gehen alle Lichter aus, wir stehen komplett im Dunkeln. Taxis gibt es hier nicht, alle sind vorbestellt. So helfen uns zwei freundliche Polizisten und besorgen uns ein Taxi, das nach 20 Minuten eintrudelt. Für die 45 Minuten, die wir zum Hotel benötigen, werden ca. 6 EUR fällig. Der Taxifahrer ist ein junger Bursche und zunächst wenig kommunikativ. Um das Eis zu brechen frage ich ihn in meinem kümmerlichen Schulrussisch, wie er die derzeitige politische Situation einschätze. Und nun sprudelt es aus ihm heraus. Es werde Krieg geben. Dieses Land sei ukrainisch, man wolle von Putin und Merkel in Ruhe gelassen werden und einfach nur leben, arbeiten und seine Familie ernähren. Er ist nicht mehr zu stoppen und gestikuliert und redet und redet… Es hat sich viel Frust und Unmut in dem jungen Mann angestaut. Nach längerem Suchen treffen wir gegen 23.00h am Hotel Pectoral auf der riesigen Insel Khortytsya mitten im Dnepr ein. In der Annahme, direkt in der Innenstadt gebucht zu haben, landen wir mitten im Nirgendwo weitab von jeglicher menschlichen Zivilisation. Das Hotel hat den altbackenen Charme eines FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund der DDR) Ferienheims und siehe da, das Restaurant hat sogar noch geöffnet und wir sind die letzten Gäste. Mit einigen Bieren und einem Absacker geht der zweite Tag in der Ukraine zu Ende.
 
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Dienstag, 18. März   – Besuch bei Motor Sich und eine Überraschung –
 
Während in Deutschland schon draußen gegrillt wird, ist in diesen Landstrichen vom Frühling noch nichts zu spüren. Der Morgen empfängt uns mit klarem Himmel und Temperaturen um den Gefrierpunkt.
 
Aleksey Polyakov ist ein ruhiger und freundlicher Mittdreißiger. Auf seiner Visitenkarte steht "Cargo Sales Manager", aber er ist viel mehr als das. Er ist verantwortlich für das gesamte Fracht-und Chartergeschäft von Motor Sich, dem "Brot und Butter" Geschäft der Airline. Aleksey kommt mit seinem Geländewagen den weiten Weg zum Hotel, wir räumen den Kindersitz nach hinten und fahren den langen Weg zurück durch die Stadt raus nach Osten zur Homebase von Motor Sich Airlines am anderen Ende des Flughafens. Erst jetzt bei Tageslicht sind mindestens dreißig IL-76, einige An-26 und Yak-40 zu erkennen. Die IL-76 haben noch teils CCCP Registrierungen und sind seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr geflogen und rotten nun vor sich hin. Das gesamte Flughafengelände ist riesig. Wie überall in der ehemaligen Sowjetunion hatte stets die militärische Nutzung Vorrang vor dem zivilen Luftverkehr. So stehen auch im Jahre 2014 Verkehr und Ausdehnung des Platzes in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander.
 
Wir nehmen Platz in Alekseys Büro und werden den netten Kolleginnen und Kollegen vorgestellt. Man schien uns hier erwartet zu haben und begrüßt uns herzlich. Eine junge und charmante Kollegin stellt sich uns als Olga vor und wird das folgende Gespräch mit dem Generaldirektor von Motor Sich für uns dolmetschen. Wir werden in den großen Konferenzraum von Motor Sich Airlines geleitet. Gennady Evgenyevich Maslov - die Nummer 1 von Motor Sich Airlines - betritt den Raum. Maslov strahlt Autorität aus, seine Anordnungen werden umgehend und ohne Nachfragen befolgt. Der Tisch ist reichlich gedeckt, wir werden als Gäste herzlich willkommen geheißen. Wir schütteln Hände und dürfen Platz nehmen. Wir werden gefragt, was er für uns tun könne. Steve und ich schildern unser Anliegen, erklären unsere Leidenschaft, erläutern unsere Vorstellungen einer möglichen Zusammenarbeit und bitten den Generaldirektor, uns seine Person, sein Unternehmen sowie die Zukunftspläne der Airline vorzustellen. Maslov ist 57 Jahre alt, verheiratet, seine 33-jährige Tochter ist promovierte Neurologin. Nach einem Studium der Ingenieurswissenschaften auf der Moskauer Akademie für Luftfahrt in Zhukorsky begann Maslov seine Karriere zunächst als Qualitätsauditor bei den Motor Sich Werken, bevor er 1996 zur Airline wechselte. Die bereits zu Zarenzeiten im Jahre 1907 gegründeten Motor Sich Werke stellen seit über 60 Jahren Motoren für Flugzeuge und Helikopter, Ausrüstungen sowie Installationen für industrielle Gasturbinen her und zählen zu den weltweit führenden Triebwerksherstellern. Die Motoren fast aller Flugzeug-und Helikoptertypen sowjetischer, russischer und ukrainischer Bauart stammen von Motor Sich, von der Lisunov 2 bis hin zur Antonov 225. Fragen zum politischen Konflikt mit Russland werden zurückhaltend beantwortet. Die Verbindungen und gegenseitigen Abhängigkeiten sowohl zu Russland als auch der Ukraine sind eng. "Wir kümmern uns nicht um Politik, sondern ausschließlich um unsere Arbeit und ums Geschäft" lautet die Antwort. Wir belassen es dabei.
 
Motor Sich ist ohne Vyacheslav A. Boguslayev, dem Präsidenten und Übervater des Konzerns nicht vorstellbar. Sein Konterfei ist in jedem Büro zu sehen. Maslov beschreibt den Präsidenten als einen sozial engagierten Mäzen, dem stets das Gemeinwohl und das Wohl seiner Mitarbeiter mehr am Herzen liege als kurzfristige Gewinnmaximierung. Ein eigenes Erholungsheim am Azovschen Meer für Mitarbeiter und deren Familien, das Sponsoring von Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen, firmeninterne Fortbildungsseminare und Schulungen, zahlreiche soziale Projekte und Sportveranstaltungen zeugen vom nimmermüden Engagement und Tatkraft des mittlerweile 76-jährigen Patriarchen. Die Handballmannschaft von Motor Sich belegt derzeit Platz 16 in Europa und fliegt am nächsten Tag mit der An-140 zu Wettkämpfen ins ungarische Györ. Der Stolz des Generaldirektors auf sein Unternehmen und seinen Präsidenten kulminiert in dem ohne Pathos vorgetragenen Satz "Mein Leben ist wunderschön, weil ich für Motor Sich und diesen Präsidenten arbeiten darf". Die Liebe zu Motor Sich und seinem Präsidenten nimmt man Generaldirektor Maslov und seinen Mitarbeitern ohne jeden Zweifel ab, das Betriebsklima ist in der Tat offen und entspannt.
 
Motor Sich Airlines war niemals Bestandteil der sowjetischen Aeroflot. Der Lufttransportbereich des Unternehmens wurde zunächst als interner Werksverkehr der Motor Sich Werke ins Leben gerufen. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erhielt die Abteilung die Zulassung als Airline und durfte somit vor etwas über 20 Jahren erstmals Passagiere und Fracht befördern. Mit Ausnahme der An-140 waren alle Flugzeugtypen schon seit den Gründerjahren im AOC (Airline Operator Certificate) der Motor Sich Airlines registriert, wenn auch zeitweise ins Ausland vermietet. Derzeit ist aufgrund der ökonomischen und politischen Situation der Ukraine eine Expansion im Flugprogramm nicht vorgesehen. An eine Wiederaufnahme der Strecken nach Kriwoy Rog und Charkiv ist vorerst nicht zu denken. Da Motor Sich nur Muster fliegt, die mit Motor Sich Motoren ausgerüstet sind, ist ein kurzfristiger Wechsel auf westliches Gerät nicht zu befürchten, wohl aber mittelfristig eine Flottenmodernisierung. Man rechnet mit einem Restleben der An-24 von fünf Jahren, die von zwei neuen An-140 ersetzt werden sollen. Die AN-74TK UR-74026 flog bis 2008 unter UN-Mandat im Sudan und wird seitdem als Quick Change im Fracht-Passagiermix eingesetzt. Die Uhren ticken hier ein wenig bedächtiger als anderswo und man spürt, daß die Airline nicht ums unmittelbare Überleben kämpft. Die zwei wochentäglichen Tagesrandverbindungen von Kiew nach Zaporozhe und Uzhgorod sowie der Umlauf von Zaporozhe nach Moskau-Vnukovo stellen mitnichten das Kerngeschäft der Airline dar. Es drängt sich der Eindruck auf, daß die ohne Zweifel defizitären Umläufe zur Aufrechterhaltung der Airline Lizenz benötigt werden. Die Verbindungen von Zaporozhe nach Kiew und Moskau dürften in der Hauptsache von Mitarbeitern von Motor Sich und deren Familien genutzt werden. Das erklärt die Betriebszeiten der verbliebenen beiden Inlandsflüge am frühen Morgen und späten Abend und deren Beschränkung auf Wochentage. Das Hauptgeschäft von Motor Sich Airlines sind ohne Frage Fracht-und Passagiercharterflüge, die von den beiden An-12, der An-74, sowie der An-140 geflogen werden. Die An-140 ist das einzige Flugzeug der Motor Sich Airlines, das für Passagierflüge in der EU zugelassen ist. Nur die An-140 verfügt derzeit über abschließbare Gepäckfächer an Bord, eine von vielen zwingenden Voraussetzungen, um für Passagierflüge im "EASA-Europa" zugelassen zu werden. So sind die häufigen Gerätewechsel auf Inlandsflügen nachvollziehbar.
 
Die Gesprächsatmosphäre lockert auf und wir fragen und fragen und Maslov kommt immer weiter in Fahrt. Olga kommt mit dem Dolmetschen nicht hinterher, aber wir verstehen einander nun auch ohne Olgas Hilfe. Unsere Leidenschaft springt über und man spürt das gegenseitige Interesse und die beiderseits wachsende Sympathie. Maslov erhebt sich und fragt uns ohne Umschweife, ob wir nicht Lust auf einen Helikopterflug hätten… Schnell nehme ich meine CANON aus der Umhängetasche und schon sind wir unterwegs durch die firmeneigene Sicherheitsschleuse, den VIP-Raum und stehen auf dem Vorfeld von Motor Sich. Die beiden Piloten Vladimir Petrovich Yena und Andrei Glebovich Fedorov erwarten uns und schließen die UR-MSA für uns auf, eine Mi-2 Swidnik aus den polnischen PZL-Werken, selbstverständlich mit einem Rotor von Motor Sich. Der Wind ist mittlerweile so stark, daß wir uns kaum noch gerade auf den Beinen halten können. Die Finger sind vor Kälte blau angelaufen und derart durchfroren, daß ich Angst habe, jeden Augenblick die Kamera fallen zu lassen. Mit etwas Skepsis setzen wir uns auf die hintere Sitzbank an Bord der Swidnik, die nun bedrohlich hin-und herschaukelt. Nun gibt es kein Zurück mehr, schon setzt sich der Rotor auf meinem allerersten Helikopterflug in Bewegung und wir rollen Richtung Runway 02 / 20. Unmerklich fühlen wir uns nach oben gehoben und schon schweben wir beim ohrenbetäubenden Rotorenlärm über dem Motor Sich Gelände, dem Flughafen und den IL-76 hinweg. Von den orkanartigen Böen ist nicht das Geringste zu spüren, man merkt, die Piloten sind Profis und verstehen ihr Geschäft. Es geht über die Motor Sich Werke, über die charakteristischen Neubaugebiete, die Innenstadt von Zaporozhe und Richtung Insel Khortytsya, wo sich unser Hotel befindet. Zwei Stahlträger von riesigen Ausmaßen stehen direkt unter uns mitten im Dnepr, der an dieser Stelle mehrere Kilometer breit ist. Das sollte einmal eine Brücke werden. Sie sind stumme Zeugen vom Aufstieg und Niedergang einer ganzen Region. Nach knapp 25 Minuten befinden wir uns atemlos vor Begeisterung wieder am Boden und dürfen nun eine kleine Tour des Vorfeldes der Motor Sich Airlines machen. Fast alle Flugzeuge sind "zu Hause" und nun in schönstem Sonnenlicht zu sehen, mit Ausnahme der beiden An-24 UR-MSI und UR-BXC, die ab Kiew die wöchentlichen Inlandsumläufe durchführen. Zu sehen sind u.a. An-140 UR-14005, die An-74 UR-74026, An-12B UR-11819 , An-12BK UR-11316, unsere Yak-40 vom Vorabend UR-88310, die VIP An-24 UR-47297 im Lease von ARP410, dann eine weitere An-12 UR-13332, die schon bessere Tage gesehen hat. Weiter erwarten uns die UP-Y4205 eine Yak-42 ehemals von SCAT Airlines der Shymkent Kazakhstan, und schlussendlich die Präsidentenmaschine, die VIP Yak-40 von Motor Sich UR-88219. Zwei IL-76 sind am Rande abgestellt, die UR-UCH und UR-UCJ. Daneben findet sich ein Friedhof mit 23 Helikoptern, 22 Mi-8 und einer Mi-14 alle ohne Rotoren. Die flugfähigen Motor Sich Helikopter sind die Mi-2 UR-MSA, UR-MSM, UR-MSG, UR-MSE und die Mi-8 UR-MSF. Die anderen sind mit Planen abgedeckt.
 
Alekseys Handy klingelt ohne Unterbrechung. Er kommt auf uns zu und rückt nicht so recht mit der Sprache raus. Aleksey versucht uns höflich klarzumachen, daß unser Vorhaben, am nächsten Tag einen Umlauf mit der An-24 Crew nach Moskau-Vnukovo und zurück zu machen, keine gute Idee sei. Die Kollegen vor Ort raten dringend ab. Das Flugzeug stehe in Moskau unter intensiver Beobachtung. Unter diesen Umständen dort die Kamera laufen zu lassen, sei grob fahrlässig. Steve will trotzdem fliegen, ich will auf Nummer sicher gehen. Schließlich entscheiden wir uns für einen zusätzlichen Umlauf nach Kiew. Morgens um 07.30h hin und abends wieder um 21.15h aus Kiew zurück, das wird ein langer Tag. Aleksey atmet spürbar erleichtert auf und verspricht uns rundum VIP-Betreuung in Kiew. Angesichts der Passagierzahlen dürfen wir uns aussuchen, ob wir wieder Yak-40 oder doch An-24 fliegen wollen. Da Steve einen Artikel für PROPLINER schreibt, macht ein weiterer Yak-40 Flug für ihn wenig Sinn, obwohl wir ohnehin noch einige Antonov Flüge geplant hatten. Meine CANON wiederum hätte nichts gegen einen Tagesflug auf der Yak-40 einzuwenden. Steve überzeugt uns Beide. Also entscheiden wir uns für An-24 UR-MSI. Die UR-88310 wird somit für den Vnukovo-Umlauf am Folgetag eingeplant. Flugzeugeinsatzplanung auf "Motor Sichisch". Für den Nachmittag hat uns der Generaldirektor - wir dürfen ihn nun mit Gennadiy anreden - zum späten Mittagessen und Umtrunk in der Stadt eingeladen. Dort stoßen wir mit Single Malt und vier Trinksprüchen an. Gennadiy läßt Gesundheit, Eltern und Kinder, die Frauen und zum Schluß die Männer hochleben, in dieser Reihenfolge.
 
Dieser ereignisreiche Dienstag wird durch einen späten Besuch im Technischen Museum, benannt nach Präsident Boguslayev, abgerundet. Das Museum ist zwar längst geschlossen, trotzdem werden wir hier schon erwartet und es findet eine Privatführung durch die Räume statt. Hier sind die technischen Wunderwerke seit Konzerngründung bis heute ausgestellt. Eine beeindruckende Sammlung von Motorrädern aus allen Teilen der Welt vervollständigt das Portfolio. Mit einem Berg von Geschenken und Souvenirs beladen, bringt uns Aleksey abends wieder zurück ins Hotel. Es wird eine kurze Nacht werden….
 
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Mi-2 Basis Teil 1 Basis Teil 2 Basis Teil 3 Boguslayev Museum
 
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Mittwoch, 19. März   – von Ost nach Ost - Kiew „in transit“ –
 
Das Taxi wartet schon auf uns. Im Dunkeln fahren wir wieder zum Flughafen und treffen dort gegen 05.30h ein, viel zu früh. Das "Terminal" ist abgeschlossen, auf dem Vorplatz schlafende Straßenhunde fühlen sich in ihrer Nachtruhe gestört und lassen uns dies deutlich spüren. Etwa 200 Meter entfernt sind einige Yak-40 abgestellt und auf der anderen Seite des Flughafens sind die IL-76 zu erkennen. Ansonsten gibt es hier nichts zu sehen und so erleben wir den Sonnenaufgang im Freien. Nach einer Stunde kommen die ersten Passagiere, die Reinigungskraft erscheint und bald darauf eine Angestellte des Flughafens, die den Check In und den Ticket Schalter aufschließt. Kurz vor 07.00h kommt Aleksey mit einem handschriftlichen Ticket, unseren Boardingpässen für Reihe 1 und geleitet uns in den VIP-Raum des Flughafens, wo wir dankbar unseren ersten Kaffee in den Händen halten. Und plötzlich ist Musik zu hören. Vom anderen "Ende der Welt" ertönt das Konzert von zwei Ivchenko AI-24 Motoren, powered by Motor Sich. Unsere UR-MSI braucht gute zehn Minuten, um auf unsere Seite des Rollfeldes herüberzukommen. Ein Bus kommt vorgefahren, um uns gerade mal 50 Meter zur Antonov zu bringen, welch ein Anachronismus ! Zunächst dürfen die VIP-Gäste einsteigen, offenbar Gäste und Pendler des Unternehmens. Wir machen soviel Außenaufnahmen wie möglich, wir sind die Letzten. Kurz nach 07.30h sind wir bereits airborne. Nach dem Start Richtung Süden auf Runway 20 und einer tiefen Linkskurve am Flughafen mit seiner beeindruckenden IL-76 Kulisse vorbei, kämpfen beide Motor Sich Motoren in 4.900 m Höhe tapfer gegen den kräftigen Wind aus Nordwest. Wir passieren Dnepropetrovsk, Cherkassy bis direkt unter uns der Flughafen Borispol zu sehen ist. Nach einer langen Linkskurve und Endanflug über Dnepr und dem Häusermeer der City landen wir nach 485 Kilometern und sage und schreibe einer Stunde und vierzig Minuten endlich in Zhuliany. Vor dem Flugzeug werden wir bereits erwartet und dürfen so viele Außenaufnahmen machen, wie wir wollen. Ein Minibus bringt uns zusammen mit CPT Dutchenko und seiner freundlichen Crew zum alten Terminal, wo wir in die VIP-Lounge von Jetex gebracht werden. Hier fehlt es uns an nichts. Neben Süßigkeiten, Kaffee, Cappuccino, Espresso und Internetzugang bringt uns der Riesenbildschirm ohne Unterbrechung die neuesten Nachrichten von BBC und CNN, die von der erfolglosen Suche nach dem Wrack von Flug MH 370 und den neuesten Entwicklungen in der Ukraine berichten. Wir sind zu müde, um etwas zu unternehmen und schlagen die Zeit bis zum Abend tot. Im Terminal D treffen wir wieder auf Sergey, unserem alten Bekannten. CPT Bardadym und seine UR-MSI bringen uns pünktlich wieder zurück nach Zaporozhe, wo wir nach mehreren Holdings "on schedule" um 21.15h in der Dunkelheit landen. Es nieselt und auch jetzt lasse ich mir nicht entgehen, wie die Antonov wieder laut dröhnend in der Nacht verschwindet, während sich Steve um das Taxi kümmert. Diesmal teilen wir uns das Taxi mit einem anderen Pärchen und der Fahrer will von uns umgerechnet 15 EUR haben. Marktwirtschaft in diesem Teil der Welt. Das Restaurant im Pectoral ist bereits geschlossen und so legen wir uns hungrig und halb verdurstet schlafen, wir können jede Minute Ruhe gebrauchen.
 
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Donnerstag, 20. März   – von Ost nach West - Kiew „in transit“ –
 
Heute geht es quer durch die Ukraine nach Uzhgorod an der slowakischen Grenze. Aber zunächst wieder Tagesaufenthalt in Kiew. Wieder wird es ein langer Tag und eine kurze Nacht werden.
 
Diesmal sind wir schlauer und fahren erst eine Stunde später los und verlassen nach Check Out frohen Mutes diese gottverlassene Gegend. Der Hotelangestellte hat die Nacht an der Rezeption verbracht und kritzelt einen handschriftlichen Beleg für jede Nacht und Person einzeln. Stempel und Unterschrift unter jedes Belegexemplar dürfen nicht fehlen, es handelt sich schließlich um einen hoheitlichen Akt. Wir verabschieden uns von Zaporozhe und wünschen uns und den Menschen, daß die Region möglichst bald wieder auf die Sprünge kommt. Wir verabschieden uns von Aleksey, wir glauben, wir sehen uns bald wieder.
 
Wieder hat UR-MSI ihren Auftritt, rollt heran, Filmen, Boarding, Start, same procedure as yesterday. Mittlerweile fühlen auch wir uns als Pendler, es ist unser dritter Flug mit der UR-MSI in zwei Tagen. Jetzt geht es bei schönem Sonnenschein gerade heraus auf der Runway 02 Richtung Norden. Wieder wird es ein Kampf der AI-24 Motoren gegen starke Nordwestwinde. Für die 469 Kilometer benötigen wir sogar etwas länger als am Vortage. CPT Kulik und seine Crew, allen voran die bezaubernde Tatyana (Tanya) Zhila bringen uns sicher auf derselben Route wie schon gestern nach Kiew. Über der Stadt hängen gerade dichte Wolken, trotzdem ist der Anflug auf Zhuliany atemberaubend. Wir parken am Terminal A gleich neben unserer Abendmaschine nach Uzhgorod. Es ist - wie wir bereits wissen - keine An-140, die ist derzeit mit der Handballmannschaft in Ungarn unterwegs. Nein, uns erwartet das Schwesternflugzeug, die UR-BXC. Uns kann eine weitere An-24 nur recht sein.
 
Alexander A. Burmistrov ist der Stationsleiter von Motor Sich in Zhuliany und einer der Dauerpendler an Bord. Er hat heute einige Überraschungen für uns geplant. Zunächst stellen wir unser Gepäck in der Jetex Lounge bis zum nächsten Morgen ab, da wir für die kurze Nacht in Uzhgorod nicht viel benötigen.
 
Auf dem Gelände des Staatlichen Luftfahrtmuseums der Ukraine werden wir bereits von Valery D. Romanenko erwartet. Valery ist Luftfahrtveteran und alter Bekannter von Steve. Zu jedem Exponat weiß er eine interessante Geschichte zu erzählen. Dieses Museum beherbergt die wohl beeindruckendste Sammlung sowjetischer Luftfahrtgeschichte. Inzwischen regnet es in Strömen und wir suchen Schutz an Bord der United Nations Mi-26, bis wir abgeholt werden.
 
In der Jetex Lounge werden wir von Vitaliy Nesenyuk erwartet. Vitaliy ist nicht nur "Spotter", sondern hat sein Hobby zum Nebenberuf gemacht. Hauptberuflich ist er Unternehmer und nebenbei der offizielle Luftfahrtfotograf des Flughafens Zhuliany. Ob wir nicht Lust hätten, eine Indian Air Force An-32 in Aktion zu erleben ? So werden wir in seinem Geländewagen durch jedes erdenkliche Schlagloch auf die andere Seite des Rollfeldes gefahren und erwarten den Start des ersten Trainingsfluges der Antonov. Es hat aufgehört zu regnen, dafür ist es sehr windig. Zunächst erleben wir den Start einer Sprint Air Saab 340 SP-KPE, die im Wetlease einen täglichen Umlauf für DHL fliegt. Dann ist sie - die K2736 - schon von weitem zu sehen und vor allem zu hören. Die An-32 wird aus der ARP410 Werft geschleppt. Nach einem 10-minütigen Engine Runup rollt sie die gesamte Länge der Runway an uns vorbei, dreht und startet Richtung 26 nach Westen. Bald darauf ist sie wieder mit einem Touch and Go zu sehen. Was will man mehr ? Zurück im Terminal stellt uns Vitaliy seine charmante Chefin Galina Bogdanenko vor. Galina leitet die Abteilung Presse-und Öffentlichkeitsarbeit von Zhuliany und organisiert unter anderem professionell geführte ganztägige Spottertouren über das gesamte Flughafengelände. Sie hat bereits in der Vergangenheit zahlreiche Events organisiert und freut sich auf Interessenten aus Europa und Übersee.
 
Nach einem Platzregen tropischen Ausmaßes klart der Himmel endlich auf und gegen Abend sind sogar die Sterne am Himmel zu sehen. Alexander hält uns den vorderen Bereich der UR-BXC komplett frei. Wieder treffen wir auf Sergey und los geht es nach Uzhgorod, der alten k.u.k. Stadt am Rande der Karpaten. Diesmal fliegt unser Bekannter CPT Dutchenko die UR-BXC in knapp zwei Stunden über eine Entfernung von 685 km nach Uzhgorod. Nach einem um 15 Minuten vorgezogenen Start Richtung Westen fliegen wir über die hell erleuchtete Innenstadt Kiews, ein Bild, das in seiner Schönheit nicht mit Worten zu beschreiben ist. Die Route führt uns über Zhitomir, Ivano-Frankivsk, dem östlichen Karpatenbogen, am Süden der hell erleuchteten Stadt Uzhgorod vorbei, bis wir nach einer langen Rechtskurve über slowakischem Gebiet auf der Runway 10 landen. Iryna Morshna, unsere freundliche Flugbegleiterin ruft uns ein Taxi, das uns für umgerechnet 1,50 EUR durch die engen Straßen der eher ungarisch anmutenden hübschen Kleinstadt zu unserer Unterkunft, der Pension "Mala Praha" bringt. Die großzügig geschnittene Wohnung im Dachgeschoß mit Gemeinschaftsbad kostet 10 EUR pro Nacht. Wir werden von der jungen Wirtin und ihrer vierjährigen Tochter Elizabeth (Erzsi) herzlich willkommen geheißen. Wir sind die einzigen Gäste und so gesellt sich die junge Familie mit dem jungen Gastwirt Marian zu uns und kredenzt selbstgelesenen Rosewein. Ausgerechnet das vierjährige Kind führt uns die wechselvolle Geschichte dieser Region im Dreiländereck deutlich vor Augen. Die kleine Erzsi spricht fließend Ukrainisch, Russisch, Ungarisch, Slowakisch, etwas Englisch und Tschechisch. Ein langer und ereignisreicher Tag geht zu Ende.
 
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Freitag, 21. März 2014   – auf dem Maidan –
 
Das Taxi wartet schon auf uns und so verabschieden wir uns vom "Mala Praha", der jungen Familie und von Uzhgorod. Der Flughafen liegt innerhalb der Stadt, links und rechts neben der Runway sind Wohnblocks zu sehen. Das Flughafengelände besteht aus einem kleinen Parkplatz direkt an der Straße, die in das Stadtzentrum führt, einem Terminalgebäude und einer kleinen Baracke am Rande des Flugfeldes. Wir erleben einen herrlichen Sonnenaufgang, der Himmel an diesem Freitagmorgen ist wolkenlos. Das Terminalgebäude beherbergt ein Restaurant und mehrere Ticketschalter. Der eigentliche Checkin findet in der kleinen Baracke direkt am Zaune statt, hinter dem unsere UR-BXC übernachtet hat und nun auf uns wartet. Außer unserer Antonov ist etwas versteckt eine Mi-8 zu erkennen. Unsere Crew vom Vorabend erscheint, zündet sich noch schnell eine Zigarette an, schließt den Flieger auf und bald darauf steigen auch wir ein. Wieder sind wir vor der offiziellen Startzeit airborne. Wir starten in umgekehrter Richtung nach Westen auf der 28 über slowakischem Gebiet und nach einer großen Linkskurve geht es im Süden am Flughafen und der Stadt vorbei und wir fliegen genau dieselbe Route vom Vorabend zurück nach Kiew. Die Ostkarpaten erstrahlen in der Morgensonne und wir legen die 690 Kilometer in 19.000 Fuß Höhe in 1 Stunde und 47 Minuten zurück. Beim Anflug ist schon von weitem Kiew zu erkennen. Es geht im Süden an Zhuliany und der Stadt vorbei, meine CANON hängt an einem Saugnapf fest am Fenster und läuft heiß. Nach einer Linkskurve über dem Dnepr wechsele ich schnell die Seiten und filme von rechts mit der Sonne im Rücken einen der beeindruckendsten Landeanflüge, den ich bisher je erlebt habe. Wir steigen mit den Passagieren aus und beobachten das Geschehen auf dem Vorfeld, bevor wir unser Gepäck aus der Jetex Lounge abholen.
 
Die letzten Tage wollen wir Kiew entdecken und versuchen, die Zeit ohne Gedanken an die Fliegerei zu genießen. Unsere Unterkunft ist ein Hostel mit dem Namen "Really Central" und liegt in der Tat sehr zentral, zwei Blocks vom Kretschatik und vom Maidan entfernt. Wir finden das Hostel erst nach längerem Suchen und Fragen versteckt im zweiten Innenhof eines historischen Häuserblocks. Das quirlige Viertel atmet Geschichte und könnte ohne weiteres die perfekte Filmkulisse für Dreharbeiten über das Leben in einem ostjüdischen "Schtetl" abgeben. Steve und ich haben uns für 20 EUR ein eigenes Zimmer mit je sechs Betten gemietet und schlafen auf unterschiedlichen Etagen mit Etagenbad. Man gelangt in das Hostel nur mit einem Sicherheitscode. Das Treppenhaus ist wie ein Atrium konzipiert und führt um einen altersschwachen Fahrstuhl mit eisernem Gitterrahmen herum. Von den Sicherheitsschlössern abgesehen, ist hier noch alles Originalzustand des 19. Jahrhunderts. Auf dem Flur der beiden Hosteletagen liegt überall schmutzige Wäsche verstreut, die Waschmaschine ist im Dauerbetrieb und der Kühlschrank im Flur quillt über von Mitgebrachtem der Gäste und des Personals.
 
Steve und ich erkunden die nähere Umgebung und landen zwischen Barrikaden, die aus vielen tausenden und abertausenden noch rauchenden Autoreifen und Sperrmüll bestehen. Überall sind Brandspuren zu sehen, einige Gebäude rund um den Maidan sind völlig verkohlt. Wir geraten mitten in eine Großkundgebung, auf der neben Aktivisten auch ganz normale Bürger zu Wort kommen. Die Stimmung ist aufgeladen und emotional. Überall wird mit Blumengebinden, Kerzen, Musik und Reden der 100 Toten des Maidan gedacht. Putins Konterfei ist immer wieder mit SS-Runen und Hakenkreuzen zu sehen. Slogans wie "Die Ukraine ist unteilbar", "Ruhm der Ukraine", "Ruhm den Helden des Maidan" begleiten uns auf Schritt und Tritt. Tausende Menschen sind friedlich unterwegs, von Provokationen oder Stimmungsmache ist hier nichts zu spüren.
 
Wir haben Appetit auf BBQ und speisen ausgerechnet im Restaurant "Krim" mit Spezialitäten von der Halbinsel, direkt am Maidan. Die 19-jährige Studentin, die uns in Nationaltracht betreut, leitet nebenbei eine Karateklasse für Kinder und erzählt von ihrer Familie und der Situation in ihrer Heimat. Das Mädchen sprudelt wie ein Wasserfall, wir kommen kaum zum Essen.
 
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Sonnabend, 22. März 2014   – widersprüchliche Impressionen –
 
Nach einem obligatorischen doppelten Espresso erkunden wir zunächst die Innenstadt rund um die Glitzermeile Kiews, dem Kretschatik und verlieren uns sogleich in einer riesigen Markthalle, in der es von Gewürzen, frischen Schweinsköpfen und Schweinshälften, Obst, Gemüse, frischem Fisch in allen Sorten, bis hin zu Kaviar, Blumen und Süßigkeiten alles in Riesenmengen zu kaufen gibt. Die Location erinnert an die Pariser Markthalle in Billy Wilders legendärem Filmklassiker "Irma La Douce" mit dem unvergessenen Jack Lemmon in der Hauptrolle. Es ist den Marktfrauen an den übrigen Theken nicht entgangen, daß ich soeben eine kleine Dose Beluga Kaviar erstanden habe. Wir können uns vor den vielen Anbaggereien nicht mehr retten und verlassen fluchtartig das Gebäude, nur um am Nebenausgang in die Arme einer Gruppe aggressiver Bettler zu geraten, die uns dort aufgelauert haben. Die Nachricht von uns zwei Ausländern hat sich in Windeseile verbreitet.
 
Ein von Jetex bestellter Taxifahrer holt uns gegen 10.00h ab und bringt uns für umgerechnet 15 EUR zu diversen Sehenswürdigkeiten der Stadt, angefangen mit Babi Yar, einem ruhigen und unscheinbaren Stadtpark in einem Wohngebiet im Norden der Stadt. Die Ruhe mutet idyllisch an, man hört einen Specht am Baum klopfen. Es ist auch heute, 73 Jahre später, nur schwer zu begreifen; hier, am ehemaligen Stadtrand ermordeten SS, Einsatzgruppen, Polizei und Wehrmachtseinheiten am 29. September 1941 und den darauffolgenden Wochen die gesamte jüdische Bevölkerung Kiews, insgesamt bis zu geschätzten 150.000 Männer, Frauen und Kinder. Ein kleines Denkmal erinnert an den Genozid, dem Auftakt zum Holocaust am jüdischen Volk.
 
Weiter stehen Besuche des Kiewer Höhlenklosters (Kiyevo Petscherska Lawra), der St. Michaels Kathedrale, der Vladimir Kathedrale, sowie ein Besuch des Museums des Großen Vaterländischen Krieges unter anderem mit einer Li-2, Mig-17, Mig-21 und Mig-23 auf dem Programm. Dann fahren wir kreuz und quer durch die Stadt auf die andere Seite des Dnepr, danach quer durch die Innenstadt, über den Maidan und Kretschatik, bis wir gegen 15.00h wieder am Hostel eintreffen. Verwöhnt mit Leckereien und Schmankerln der lokalen Küche und ausreichend frisch Gezapftem geht der vorletzte Tag in der Ukraine zu Ende.
 
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Sonntag, 23. März 2014   – Abschied –
 
Wir haben uns mit demselben Taxifahrer vom Vortage verabredet, der uns nach einem ausgiebigen Frühstück auf dem Kretschatik um 10.00h vor dem Hostel abholt und in 45 Minuten zum Flughafen Borispol bringt. Nach dem Automaten Check In und Baggage Drop off nutzen wir die Zeit, zu Fuß das alte Terminal und das VIP-Terminal (im Kiewer Volksmund "Mafia Terminal") zu erkunden.
 
Steve will nicht sechs Stunden in Frankfurt warten und versucht erfolglos, auf einen früheren Anschlussflug nach Manchester umzubuchen. An diesem Sonntag ist jedoch der Flugplan ausgedünnt und die Mindestumsteigezeit für den früheren Flieger wäre unterschritten.
 
Man hat vom Gate Bereich im Terminal D einen hervorragenden Ausblick auf das Vorfeld und die Runway 18L / 36R. Zu sehen sind SX-EMI BAe 146 der Ellinair, der Airbus A320 A6-ANW der Air Arabia mit dem Schriftzug " FLYING THE 6000TH AIRBUS A320 FAMILY" und einem Alitalia A319 EI-IMP. Der A321-200 D-AIDK bringt uns nach Start Richtung Süden auf der 18L und einer Rechtskurve vorbei an der Stadt Kiew in zwei Stunden zwanzig Minuten pünktlich nach Frankfurt, wo sich unsere Wege trennen. Happy End : Steves Wartezeit in Frankfurt wird mit dem Einsatz der D-AIDV, dem zweiten Flieger in Lufthansa Retrobemalung belohnt.
 
Eine achttägige Abenteuerreise geht zu Ende, die Stadt Mainz und seine notorisch unpünktliche S-Bahn haben mich wieder. Der Ukraine und seinen Menschen ist zu wünschen, daß der schmerzhaften Phase des Umbruches ein Neuanfang folgen möge. Mögen die Verantwortlichen in Ost und West dem Land eine Atempause gönnen, damit die Menschen wieder zusammenfinden und ihre Angelegenheiten in ihre eigenen Hände nehmen können.
 
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Danksagung
 
Mein herzlicher Dank gilt Motor Sich, allen voran Gennady Evgenyevich Maslov, Aleksey Polyakov, Alexander A. Burmistrov und den hilfsbereiten und stets freundlichen Flight Crews, die uns eine unvergessliche Reise ermöglicht haben. Ich danke Galina Bogdanenko und Vitaliy Nesenyuk vom Flughafen Zhuliany, Sergey von Avia Handling, Valery D. Romanenko vom Staatlichen Luftfahrtmuseum, den hilfsbereiten Kollegen der Jetex Lounge und nicht zuletzt Stephen Harry Kinder, einem kurzweiligen und angenehmen Reisepartner, dessen Humor und Optimismus auch in den hoffnungslosesten Momenten nicht zur Neige geht und mich immer dann zum Lachen bringt, wenn ich am liebsten weinen möchte.

 


 
 
  17. März 2014
Yak-40  Kiev-Zaporozhe

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Daniel Frohriep-Ichihara / Familie Wimmer.
Diese Seite wurde am 18. Mai 2014 erstellt
und am 4. Juni 2014 zuletzt bearbeitet.