A. Gerold

Hund und Jäger


Teil 20
Von Seite 130, „4. ... Schweißfährte ...”
bis Seite 139, Ende „5. Totverbellen.”


4. Natürliehe und künstliehe Schweißfährte; Riemenarbeit.

    Den Schweißriemen, kurz „Riemen” genannt, verwenden wir bei der gerechten Ausarbeitung einer Schweißfährte vom Anschuß weg bis zum verendeten Schalenwild oder bis zu dessen letztem Wundbett, falls das Stück bei der Annäherung von Hund und Jäger nochmals hoch wird und flüchtet. Das ist zwar die wichtigste Verwendung des Riemens, aber nicht die einzige. Man verwendet den Riemen, wie das bereits in den entsprechenden Abschnitten gesagt worden ist, bei der vorbereitenden Abrichtung und Abführung des Hundes im Bringen auf der Führerfährte, auf allen möglichen Schleppen, beim Nachhängen auf warmen und kalten Gesundspuren und -fährten sowie beim Bringen auf warmen und kalten Wundspuren und Geläufen.

    Der Riemen gibt dem Führer die Macht, die Arbeit des Hundes stets zu überwachen, Fehler des Hundes auszubessern, das Tempo der Arbeit zu regeln und den Hund zu einer sorgfältigen Nasenleistung nach der Bodenwittrung zu verhalten. Daraus ergibt sich, daß der Führer bei der  E i n a r b e i t u n g  des Hundes den Verlauf der Fährte, Spur oder Schleppe genau kennen muß; sie soll für den Führer sichtbar sein oder durch Brüche, Lappen an Bäumen usw. sichtbar

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gemacht werden. Tauschlägige Wiesen oder Spurschnee, auf dem der „weiße Leithund” jeden Tritt meldet, erleichtern die Arbeit.

    Kennt man den Verlauf einer Bodenwittrung nur mangelhaft, insbesondere einer kalten oder künstlich angelegten, so kann es geschehen, daß der Hund einer kreuzenden frischen Spur oder Fährte nachhängt, die ihm viel bemerkenswerter erscheint als das fade Zeug, das sein Herr da veranlaßt hat. Dann wandeln zwei Toren hintereinander über die Erdoberfläche, die nicht wissen, wohin ihre Reise geht, verbunden durch einen sechs Meter langen Riemen. Trotz solcher mehr oder minder beschwingten Fahrt durch die Gegend kommt man dem Ziele nicht näher.

    Die kundige Handhabung des Riemens und die Führung des Hundes verlangen einige Übung und Geschicklichkeit. Herr und Hund müssen diese Zusammenarbeit lernen. Für die Riemenarbeit verwendet man am besten eine eigene breite Schweißhalsung aus Leder, die sich nicht zusammenziehen kann. Hat man keine solche zur Verfügung, schnallt man den Riemen in den  n i c h t   w ü r g e n d e n  Ring der gewöhnlichen Lederhalsung. Die Halsung dreht man so, daß der zum Anschnallen bestimmte Ring, der um seinen Befestigungspunkt drehbar sein soll wie die Karabiner, nach unten kommt. Das hat den Zweck, daß der Zug des Riemens während der Arbeit nach unten wirkt und nicht nach oben, wodurch dem Hunde das Tiefnehmen der Nase erschwert, weil ihn der Druck auf Kehle und Kehlgang behindern würde. Den abgedockten Riemen führt man unterhalb des rechten Vorderlaufes durch und vor dem rechten Hinterlauf nach außen. Diese gute Ordnung in der Lage des Riemens hält im Dickicht leider nicht lang vor. Der Hund übersteigt oder überspringt mit beiden Hinterläufen oder mit dem rechten den Riemen, und ein Anfänger in der edlen Kunst der Riemenführung wird mitunter darauf bedacht sein müssen, mit dem Riemen den Hund nicht am Geschröte entzwei zu sägen. Bei einigem Geschick von Herr und Hund ordnet sich eine solche Fehlleitung des Riemens bald wieder. Bei kleinen Hunden, die den Riemen fortwährend übersteigen, und die ihre Nase ohnehin nahe am Boden haben, kann man sich damit begnügen, den Schnallring der Halsung an die rechte Seite der Halsung zu drehen und den Riemen von dort aus weiterzuleiten. Das andere Ende des Riemens, jenes mit der Halteschleife, hält man in der linken Hand fest, den zeitweilig nicht gebrauchten Teil des Riemens ordnet man in Klängen so, daß diese sich nicht verschlingen können, und hält sie mit der nämlichen Hand fest. Ablaufen läßt man den Riemen nach Bedarf durch die andere Hand. Ein Linkshänder wird das wahrscheinlich umgekehrt machen. Eine nötige Verkürzung des Riemens, um dem Hunde näher zu kommen, bewirkt man dadurch,

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daß man am Riemen vorgreift und den unbenutzten Teil des Riemens wieder in geordneten Klängen (Schleifen) in jene Hand legt, in der man diese Schleifen zu sammeln und zu halten pflegt. Bei ganz ausgegebenem Riemen hält man die Endschleife des Riemens in der einen Hand fest. Führt eine mit dem Hunde zu arbeitende Fährte oder Spur mit vielen Wendungen oder Haken durch Dickungen, um Bäume und Gestrüpp herum, dann kommt es oft zu Verschlingungen des Riemens; besonders, wenn allerlei dürre Äste und Reisig auf dem Boden liegen. Es wird auch Stellen geben, wo man dem Riemen nur schwer folgen kann. In solchen Fällen hilft es oftmals, wenn man die Endschleife des Riemens los läßt und das Hindernis umgeht; wonach man wieder den Riemen ergreift. Besteht dabei die Gefahr, daß sich der Hund mit dem Riemen zu weit entfernt, so unterbricht man die Suche durch den Platzbefehl; ebenso, wenn man Zeit braucht, um Verknotungen des Riemens zu lösen. Der Hund darf während der Riemenarbeit dem Führer nicht aus den Augen kommen. In unübersichtlichen Dickungen wird man darum weniger vom Riemen ausgeben, an übersichtlichen Stellen mehr oder den ganzen, wenn man nicht stellenweise vorzieht, den Riemen auf dem Boden schleifen zu lassen und dann wieder aufzunehmen. Damit ist der „handwerkliche” Teil der Riemenarbeit gesagt. Alle Arten von Verwicklungen anzuführen, die sich in der Praxis ergeben, ist natürlich nicht möglich. Der Führer muß sich in jedem einzelnen Falle so gut wie möglich behelfen.

    Natürliche Rotfährten werden selten einem Führer so oft zur Verfügung stehen, daß sie für die Abführung des Hundes genügen. Man greift darum, ebenso wie man das bei anderen Abführungsfächern gemacht hat, zu künstlichen Hilfsmitteln: zur künstlichen Schweißfährte. Sie besteht darin, daß man möglichst  f r i s c h e n  Wildschweiß — keinen bereits anbrüchig gewordenen — zum Anlegen einer künstlichen Schweißfährte benutzt. Eine gute Hundenase läßt sich freilich nicht täuschen. Ein Hund erkennt sehr genau den Unterschied zwischen einer natürlichen und einer künstlichen Fährte, und schließlich trägt die künstliche Fährte nebst allerlei anderen revierfremden Gerüchen auch noch die Wittrung desjenigen, der die Fährte zog. Dennoch genügt sie als brauchbarer Ersatz für die mangelnden natürlichen Wundfährten zur ersten Einarbeitung des Hundes und auch zu gelegentlichen Zwischenübungen.

    Zum Anlegen von künstlichen Schweißfährten gibt es bequeme Hilfsmittel, die in Fachgeschäften erhältlich sind: Schweißschuhe, Schweißstöcke, Schweißtrichter. Die zusammenlegbaren Schweißtrichter sind sehr praktisch zum Auffangen des Schweißes am aufgebrochenen Stück. Zum Ziehen der Fährte genügt aber auch eine Spritzflasche.

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    Am „Anschuß” wird der Schweiß etwas reichlicher verspritzt, der Anschuß verbrochen und weiterhin verfährt man beim Ziehen der künstlichen Schweißfährte so wie bei Schleppen. Alle paar Schritte werden einige Tropfen Schweiß angebracht. Am Ende der „Fährte” wird der Hund entweder ein erlegtes Stück Wild finden oder als Ersatz die hingelegte, getrocknete Rehdecke. Beides, Wild oder Rehdecke, kann dann noch einem anderen Zwecke dienen. Entweder zur Abführung im Totverbellen oder im Totverweisen, wie das in den folgenden beiden Abschnitten gesagt werden wird.

     Ein Hund, der schon am Riemen ausreichend auf Gesund- und Wundspuren gearbeitet worden und bereits spurtreu ist, findet auf künstlichen und natürlichen Wundfährten keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr.

    Der zu erstrebende Vorgang bei reiner Riemenarbeit auf Wundfährten ist folgender. Der Hund hat am Riemen den Anschuß entweder vorzusuchen oder er wird von seinem Führer  r u h i g  am aufgedockten oder am abgedockten in einer Hand geordneten und gehaltenen Riemen zum Anschuß geführt. Diesen hat er mit der Nase zu verweisen. Er erfährt dadurch,  w e l c h e  Arbeit von ihm verlangt werden wird. Zur Vorsuche benutzt man den Befehl „Such!”. Man muß immer beim nämlichen Anlaß den nämlichen Befehl anwenden, um den Hund nicht zu verwirren, sondern um ihn ein für allemal an diesen Befehl zu gewöhnen. Verweist er den Anschuß und hat man die Überzeugung gewonnen, daß er nun weiß, worum es sich handelt, erhält er den Zuspruch "Such verwundt" und wird mit der Hand aufgemuntert, der Fährte nachzuhängen. Man gibt ihm mehr und mehr Riemen, je nach Bedarf und Örtlichkeit, indem man diesen durch die Hand ablaufen läßt. Man hängt am Riemen nach, regelt das Tempo des Hundes, wenn er zu schnell werden will, durch ruhigen Zuspruch „Langsam, mein Hund” oder „Ruhig, mein Hund!”, immer aber mit  d e m s e l b e n  ausgewählten Zuspruch und durch gleichzeitigen steten, nicht ruckweisen Zug am Riemen. Wird der Hund zu ungestüm, erteilt man den Platzbefehl. Am Riemen zurückgerissen darf der Hand niemals werden, der Riemen ist kein Strafmittel. Der Hund soll sich ja ordentlich „in den Riemen legen”, er muß ihn durch Gestrüpp und allfällige Hindernisse nachziehen. Bei einem plötzlichen Ruck an der Halsung wüßte der Hund sonst nie, ob ihn sein Herr gemaßregelt oder ob sich der Riemen verfangen hat. Findet der Hund Schweiß oder Knochensplitter oder beides und tupft mit der Nase ein, muntert man ihn mit dem Zuspruch „Laß sehn, mein Hand” auf, Schweiß zu zeigen. Man greift zugleich am Riemen vor, um zum Hund zu gelangen; hat er Schweiß gefunden und gezeigt, lobt man ihn mit „So recht, mein Hund” oder „So brav, mein Hund”.

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Gefundenen Schweiß verbricht man, damit man den Hund, wenn er die Wundfährte verlieren sollte, an der verbrochenen Stelle wieder anlegen kann und nicht neuerlich die ganze Wundfährte vom Anschuß an arbeiten muß.

    In dieser Weise arbeitet man den Hund auf der Fährte weiter bis zum verendeten Stück. Bei diesem angelangt, wird der Hund sehr gelobt, belohnt und abgeliebelt. Wird jedoch das Stück bei Näherkommen nochmals hoch und flüchtig, schnallt man ihn sogleich mit dem neuerlichen Befehl „Such verwundt” und läßt ihn das Stück zustandehetzen. Der Hund hat das Stück einzuholen, zu stellen und solang zu verbellen, bis sein Herr herangekommen und den Fangschuß anbringen kann. Dieses Verhalten des Hundes nannte man in der alten Jägersprache „bailen”. Rehwild jedoch soll ein kräftiger, scharfer und gewandter Vorstehhund an der Drossel niederziehen. Wie er das Stück anzufassen hat, wird man ihm bei passender Gelegenheit zeigen, und zwar an einer Rehgais, nicht an einem Bock, der den Hund forkeln könnte und für einige Zeit allzu vorsichtig werden ließe. Ein brauchbares Hilfsmittel, um dem Hunde beizubringen, wo er anzufassen hat, besteht darin, daß man — in Abwesenheit des Hundes natürlich — am Haupte eines verendeten, aber noch warmen Stückes eine genügend lange Schnur befestigt. Durch einen im Gebüsch versteckten Gehilfen läßt man so an der Schnur ziehen, daß sich Haupt und Träger bewegen und das Stück dadurch noch Leben vortäuscht.

    Die Führung des Riemens und des Hundes auf künstlichen Schweißfährten unterscheidet sich nicht von der Arbeit auf natürlicher Rotfährte, doch haben Herr und Hund auf der „Künstlichen” zwar leichtere, aber weniger anregende Arbeit. Die Krankheitswittrung auf der natürlichen Rotfährte erweckt im Hunde eine ungleich stärkere Passion, was leicht erklärlich ist.

    Verliert ein kleiner Hund, z. B. eine Dachsbracke, ein Jagdterrier oder ähnliche, am Riemen die Fährte, fällt er ab, so wird er abgetragen, wie es die Schweißhundeführer machen, und dort wieder angelegt, wo man den letzten Schweiß gefunden und verbrochen hat. Mit einem großen Hunde kann man solches Abtragen nicht ausführen. Man zieht ihn ruhig, ohne an der Halsung zu rucken, allenfalls mit einem „Pfui” ab, wenn möglich gegen die Windrichtung, führt ihn zurück und legt ihn, wie zuvor gesagt, mit dem Befehl „Such verwundt” wieder an die Fährte. Bei jedem Zeigen von Schweiß muß der Hund gelobt werden.

    Die gerechte Riemenarbeit wäre wohl die sauberste und sicherste Methode, ein verendetes oder krankgeschossenes Stück zustande zu bringen, wenn es kein „wenn” gäbe. Das unentwegte Nachhängen

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am Riemen kann so anstrengend und schwierig werden, daß es nur wenige Jäger vermögen. In schwierigem Gelände, durch Dornen und Dickungen, steile felsige Gräben querend, werden selbst junge, kräftige und gestählte Jäger die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu spüren bekommen und nicht mehr imstande sein, weiter der Fährte nachzuhängen. Was dann? Ratlos werden sie zur letzten Ausflucht greifen und den noch nicht fermen Hund aufs Geratewohl schnallen. Der weitere Verlauf der Nachsuche ist von Nebeln verhangen. Es ist unbedingt notwendig, daß der Herr erfährt, welchen Erfolg die Arbeit des Hundes hat. Stellt der Hund das Stück und vernimmt man Standlaut, gebt die Angelegenheit glimpflich. Findet er aber das verendete Stück irgendwo weitab vom Anschuß, so muß von ihm Nachricht zum Herrn gelangen. Das ist auf zweierlei Arten möglich: durch  T o t v e r b e l l e n  oder durch  T o t v e r w e i s e n.  Eine der beiden Arten muß dem Hunde gelehrt werden; von selbst tun das nur die allerwenigsten Hunde und auch dann sind sie selten wirklich zuverlässig. Ein Weg, wie die eine oder die andere Meldungsart dem Hunde beigebracht werden kann, ist in den beiden folgenden Abschnitten gezeigt.

    Wie bereits bei der Spurarbeit und bei den Schleppen gesagt worden ist, geht die Fährtenarbeit der Vorstehhunde immer auf Kosten der Güte ihrer Leistungen im Felde. Damit soll nicht gesagt sein, daß in der Schweißarbeit ferme Vorstehhunde nicht auch im Felde in der Vorsteharbeit sehr Gutes leisten können. Aber von einem so vielseitig verwendbaren und verwendeten Hunde kann man nicht Spitzenleistungen in allen Fächern fordern. Ein Vorstehhund kann beispielsweise auf Fährten kaum jemals jene höchsten Leistungen vollbringen, wie die eigens zu solchen Arbeiten seit Jahrhunderten gezüchteten Schweißhunderassen. In einem reinen Schalenwildrevier wird darum der gerecht gearbeitete Schweißhund am richtigen Platze sein, wenn von ihm keine andere Arbeit verlangt werden muß als eben nur die Schweißarbeit. Seinen Leistungen kommen die gerecht abgeführten Stöberhunderassen nahe, ohne ihn zu erreichen. Dafür sind sie auch zu anderen Arbeiten brauchbar, sie werden in den meisten Fällen, wo vielseitige Waldarbeit und vielleicht auch Wasserarbeit verlangt werden muß, genügen.

5. Totverbellen.
 
    Ein Idealbild: Der brave Hund hat gefunden; nun steht er beim verendeten Stück und gibt andauernd Laut, bis sich sein Herr heranarbeiten wird. Sein Hals widerhallt von Wänden und Berghängen und läßt das Herz des Jägers noch heftiger pochen als zuvor.  D a s

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g i l t   a l s   K r ö n u n g   d e r  S c h w e i ß a r b e i t   u n d   i s t   e s   a u c h.

    Ein anderes Bild: Der brave Hund, der schon ein halbes Dutzend oder mehr Stücke totverbellt hat, hat zwar gefunden und ganze Arbeit verrichtet, diesmal aber verzichtet er aufs Totverbellen. Er konnte es nämlich nicht, weil das Stück gar nicht „tot”, nicht verendet war, sondern in weiten Fluchten abging. Er hat den Bock ein paar tausend Gänge weit gehetzt und schließlich niedergezogen. Nun geht ihm anderes durch den Sinn als zu verbellen. Er keucht, ist erregt, er hat während des Niederziehens einige Bekanntschaft gemacht mit dem scharfendigen Gewichtl des Bockes. Nun will er noch nachträglich diese Privatrechnung bereinigen. Er fährt dem verendeten Bock mehrmals an die Drossel und würgt mit Leidenschaft. Zum Anschneiden hat er keine Lust, oder sein Herr hat ihm diese Lust schon ausgetrieben. Schließlich hat er sein Mütchen gekühlt, der Fall ist für ihn erledigt und er kehrt zum Herrn zurück. Sein gewissenhafter Herr untersucht den Fang und findet dort einige Wildhaare; und äugt verdutzt.

    Ein drittes Bild: Der Hund verbellt bewundernswert, aber zwei oder drei Kilometer weit entfernt vom Herrn, getrennt durch Wälder und tiefe Einschnitte im Gelände, überdies ist Gegenwind und obendrein hat das kranke Stück im Verlauf der Flucht eine ganz andere Richtung eingeschlagen, als der Jäger meinte. Zu vernehmen ist kein Laut des Hundes, gar keiner, und das Suchen in falscher Richtung entfernt den Herrn immer weiter vom Hunde. Auch dämmert es bereits bedenklich. Und nun? —

    Diese drei Bilder zeigen die Licht- und Schattenseiten des Totverbellens. Es gibt aber auch noch andere Seiten, auf die man als Führer wenig oder gar keinen Einfluß hat. Ein Hund gibt nämlich nur Laut, wenn er will; sonst nicht. Dazu  z w i n g e n  kann man ihn mit keinem Mittel, selbst mit dem schärfsten nicht; das stünde auch gar nicht dafür. Hat ein Hund von den Eltern her keinen lockeren Hals mitbekommen, so kann man ihn wohl meistens mit Mitteln, wie sie im Absatze von der Entwicklung der Anlagen gesagt worden sind, dazu verlocken Laut zu geben auf Befehl. Ohne Befehl aber wird er auch weiterhin seine Stimme nur dann vernehmen lassen, wenn er will; also wenn es ihn entweder innerlich dazu drängt, oder wenn er sich davon etwas ihm Nützendes erwartet. Das wird keineswegs bei jedem gefundenen Stück der Fall sein. Außerdem wird ein Hund, der ungern Laut gibt, selten oder nie so zuverlässig und insbesondere ausdauernd in Abwesenheit des Herrn totverbellen, wie das mitunter die Praxis fordert. In Gegenwart des Herrn aber ist es nur eine gute Übung und sonst nichts weiter.

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    Hat man aber einen Hund zur Verfügung, der gern seinen Hals vernehmen läßt oder sogar die ererbte Anlage zum Totverbellen hat, was am öftesten bei den Stöberhunderassen vorkommt, hat man ferner ein Revier, wo es wenig wahrscheinlich ist, daß ein Totverbeller stark außer Hörweite gerät und legt man Wert auf einen solchen, so muß man seinen Hund so systematisch im Totverbellen abführen, wie man das in allen anderen Fächern getan hat, und zwar auch dann, wenn der Hund aus Naturanlage totverbellt. Man möge sich dann durch die immerhin möglichen Mängel des Totverbellens nicht abschrecken lassen, denn die Schönheit des Totverbellens ist unbestritten.

    Hunde, die groß und kräftig genug sind, Fuchs und Hase zu bringen, wird man nur im Totverbellen von Schalenwild unterweisen. Schwächere Hunde kleinerer Rassen, denen Fuchs und Hase zu schwer sind, wird man auch im Verbellen dieses Wildes schulen müssen.

    Wer seinen lockerhalsigen Hund als Totverbeller arbeiten will, wird ihn frühzeitig daran gewöhnen, auf Befehl „Gib Laut!” andauernd seinen Hals vernehmen zu lassen, was jedesmal unbedingt mit einer Belohnung und mit Lob abzuschließen ist. Hat man den Hund soweit gebracht, daß er auf Befehl zehn Minuten oder länger Laut gibt, benützt man mit Vorteil die getrocknete Rehdecke als stellvertretenden Befehl zum Lautgeben. Man legt im Hof, Garten oder in einem wildleeren Revierteil die Decke vor den Hund auf den Boden, hindert den Hund sie aufzunehmen und zu bringen, und befiehlt gleichzeitig „Gib Laut!”. Nach etlichen solchen Übungen, bei denen man stets den Ort wechseln soll, damit der Hund nicht den Ort, sondern die Rehdecke als stellvertretenden Befehl begreift, wird man mit dem Befehlsworte immer leiser werden und es schließlich weglassen können, wenn der Hund schon auf das Hinlegen der Rehdecke Laut gibt. Ist der Hund soweit, erschwert man die Übungen immer mehr, legt die Rehdecke auf größer und größer werdende Entfernungen ab, laßt sie vom Hunde zuerst auf der Führerfährte suchen und verbellen, vorerst am Riemen, damit er sie nicht bringe, und verbindet schließlich das Verbellen mit künstlicher Fährtenarbeit, bald am Riemen, bald frei. Zugleich bemüht man sich, die Dauer des Verbellens zu verlängern. Immer schließen schmackhafte Belohnung und Lob die Übung.

    Schließlich bringt man den Hund an gestrecktes Schalenwild. Steht eine Schweißfährte, benützt man diese zur Riemenarbeit des Hundes, damit man bei den ersten Stücken das Verhalten des Hundes am Wild überwachen und regeln kann. Vorher war man natürlich

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schon allein beim Stück und hat die Rehdecke dazugelegt, damit sich der Hund an den stellvertretenden Befehl erinnere. Zuerst wird der Hund gar nicht daran denken, zu verbellen. Das verendete Schalenwild wird seine Aufmerksamkeit viel stärker fesseln als der Anblick der danebenliegenden Rehdecke. Man gibt darum dem Hunde stillschweigend etwas Zeit, Bekanntschaft mit dem verendeten Stücke zu machen. Prüft er ein wenig den Einschuß oder den Ausschuß, so ist das verständlich, man hindere ihn nicht daran. Versucht er aber anzuschneiden, erhält er ein „Pfui, was ist das!”, und, wenn nötig — aber nur dann! — einen Gertenhieb. (Neigt ein Hund stärker zum Anschneiden, so verwittert man bei nächster Gelegenheit die schweißenden Stellen eines gestreckten Wildes, bevor man mit dem Hunde die Fährte ausarbeitet, mit kräftigem Pfeffer.) Hat sich der Hund mit dem gestreckten Stück hinlänglich vertraut gemacht, weist man auf die Rehdecke, und, wenn das noch nicht nützt, befiehlt man „Gib Laut!”. Man läßt nun den Hund eine gute Weile verbellen und belohnt ihn nachher besonders ausgiebig. Wenn man genügend Zeit hat, läßt man das Stück noch liegen, macht mit dem Hund einen Reviergang, und kann dann nach einer halben oder ganzen Stunde dieses Stück nochmals zu einer neuerlichen Übung im Verbellen benützen. Läßt man den Hand frei suchen, muß man sich so aufstellen, daß man das Benehmen des Hundes am Stück beobachten kann und daß ein allfälliges Eingreifen möglich ist, wenn sieh der Hund unrichtig verhält. Man läßt ihn nun wieder eine geraume Weile verbellen, belohnt und lobt ihn.

    Diese Übungen wiederholt man bei jeder Gelegenheit, man benützt jedes erlegte Stück dazu. Die Rehdecke wird man bald weglassen können. Steht eine Schweißfährte, verwendet man sie zur Einarbeitung, bald am Riemen, bald frei, je nach den Fortschritten des Hundes. Blieb ein Stück im Feuer, steht somit keine Schweißfährte, kann man eine künstliche ziehen oder ziehen lassen. Hat man das Stück aufgebrochen, bevor man es vom Hunde suchen und verbellen läßt, so ist anfangs wieder besonders darauf zu achten, ob sich der Hund nicht zum Anschneiden verlockt fühlt.

    Man läßt vom Hunde nicht nur warme, sondern späterhin auch  k a l t e  Stücke verbellen. Das ist ungemein wichtig. Bei Nachsuchen am Tage nach Treibjagden kommt es ja leider nicht selten vor, daß der Hund verendetes Wild findet, wovon man keine Kenntnis erhalten hat. Der Schütze war der Meinung, „gefehlt” zu haben. Solches verendetes Wild muß durch den Hund zustande gebracht werden, soll es nicht verludern. Manche Hunde zeigen Widerwillen gegen kaltes, insbesonders starres Wild. Dieser Widerwille läßt sich durch Geduld und Ausdauer überwinden.

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    Um den Hund an ausdauerndes Verbellen zu gewöhnen, läßt man sich, je nach seinen Fortschritten, immer mehr und mehr Zeit. Bricht der Hund das Verbellen vorzeitig ab und kehrt zum Herrn zurück, dann gibt es ein „Pfui, was ist das?”, jedoch ohne Anwendung der Gerte, man läßt den Hund neuerlich das Stück suchen und verbellen. Belohnung nie vergessen!

    Mit kleinen Hunden, denen Fuchs und Hase zu schwer sind, nimmt man das Totverbellen auch mit diesen beiden Wildarten vor; wenn möglich auch mit dem Dachs. Man geht dabei genau so vor wie beim Einarbeiten mit Schalenwild und läßt warme Stücke ebenso wie kalte verbellen.

    Die Zeitdauer des Verbellens trachtet man allmählich so zu verlängern, wie das voraussichtlich ungefähr den gegebenen Verhältnissen im Revier entsprechen wird. Geduld und Ausdauer werden zum Ziele führen, soweit dieses überhaupt erreichbar ist.

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Diese Seite wurde am 26. Januar 2007 erstellt.