Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 5

Geister Feen Nixen
Heft Nr. 6 (Doppelheft)

Teil 2

von Sage 81 bis Sage 89



81

DER HUTTAUSCH AM FRIEDHOFE ZU
SPITZ

    Eines Abends saßen eine Anzahl Burschen aus Spitz im Gasthause. Als es schon spät geworden war, verließen sie die Gaststätte und suchten ihr Heim auf. Ein Bursche mußte am Friedhofe vorbei, wo er in einer dunklen Mauerecke eine schwarze Gestalt zu sehen glaubte. Er war furchtlos und ging auf diese zu. Da gewahrte er einen Mann, der wie ein Betrunkener in der Friedhofsecke lehnte. Er wollte diesem einen Streich spielen und tauschte mit dem Manne den Hut. Er nahm die Kopfbedeckung des Mannes und setzte seinen alten Deckel dem Betrunkenen auf. Nun vermutete er, daß dieser sich darüber ärgern und zur Wehr setzen würde. Doch nichts von all dem geschah. Er verhielt sich sonderbar still. Enttäuscht wollte der Bursche dem Manne wieder seinen Hut geben und den seinen wieder an sich nehmen. Doch wie erschrak er, als er seinen Hut nicht vom Kopfe der Gestalt herabbrachte. Obwohl er kräftig riß und zog, blieb sein Bemühen ohne Erfolg. Er mußte seinen Hut der Gestalt belassen, die ihm nun mit einem Male recht unheimlich wurde. Sich scheu nach dem Manne umblickend, verließ er den Friedhof und ging ratlos und verzweifelt heim. Am anderen Tage erzählte er sein sonderbares Erlebnis den Leuten. Diese gaben ihm den Rat, er möge den Pfarrer befragen, was er nun tun solle. Dieser riet ihm ernstlich, wenn er wieder in den Besitz seines Hutes gelangen wolle, das nächste Jahr zur gleichen Stunde an die gleiche Stelle zu gehen. Er tat, wie im geheißen. Als er den Friedhof betrat, sah er in der Dunkelheit an der gleichen Stelle die dunkle Männergestalt. Er ging hin, nahm dem Manne den Hut vom Kopfe und wollte das Weite suchen. Doch da regte sich die Gestalt und sprach zu ihm: „Wenn ich nicht dein toter Großvater wäre, hätte ich dich in die Ewigkeit mitgenommen“. Erschrocken und verängstigt eilte der Bursche heim.


Gew: Ferner Josef, Spitz-Laaben. Aufz: Schöner Erich, Spitz (1950).

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82

ZUM LEBEN ERWACHTES STEINBILD

    Am „Hohen Markt“ zu Krems geistert es um die Mitternachtsstunde. Die Steinstatue vom Brunnen dortselbst, die den Hunnenkönig Attila darstellen soll, steigt um diese Stunde von der Steinsäule herab und wandelt in der Umgebung des Brunnens herum. Nahen aber Schritte, flüchtet Attila ungesäumt auf seinen sicheren Posten auf der Steinsäule des Brunnens.


Gew.: Florian Seitner. Krems. Aufz.: Dr. H. Plöckinger, Krems. 1925.

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83

DER MANN MIT DEM LEINTUCH

    Einmal saßen einige Männer aus Alt-Gföhl beim Prinzwirt zum Kartenspiel vereint zusammen. Auch Mädchen waren in der Gaststube anwesend. Ihre Handarbeiten begleiteten unterhaltsame und gruselige Erzählungen. Da sagte eines der Mädchen: „Jedesmal, wenn ich am Friedhofe vorbeigehe, sitzt dort ein Mann, der in ein großes Leintuch eingehüllt ist.“ Die anderen Mädel fragten, ob sie sich nicht fürchte. Das mutige Mädchen aber meinte, es getraue sich sogar dem Manne das Leintuch wegzunehmen. Es ging wirklich hinaus und brachte nach kurzer Zeit das Leinen in die Gaststube. Bald darauf klopfte es am Fenster, und ein Mann stand draußen, der das Leintuch verlangte. Ein beherzter, Gföhler reichte es hinaus. Bald darauf flog es in die Wirtsstube zurück. Das wiederholte sich mehrere Male. Indes kam die Geisterstunde und der Mann verlangte, daß ihm das Mädchen das Leintuch geben müsse. Das Mädel fürchtete sich nun sehr. Da hielten es mehrere Männer umfangen und sie gab das Leintuch hinaus. Trotz allen Sträubens wurde das Mädchen den Männern entrissen und verschwand für immer mit dem Leintuch in der finsteren Nacht.

Gew.: Frau Löffler, Gföhl. Aufz.: Dr. H. Plöckinger, Krems. 1953.

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84

DER TOD MIT DEM ROCK

    Ein alter Bauer zu Jettsdorf hatte zwei Söhne und eine Tochter. Zu den Söhnen kamen öfter des Abends Kameraden, aus dem Orte, um sich die Zeit mit Kartenspiel zu vertreiben. Eines Feierabends saßen sie wieder beisammen. Sie schickten das Mädchen in das Gasthaus um eine Flasche Wein. Es war schon spät und finster. Am Rückwege trat dem Mädchen plötzlich ein Mann entgegen. Er hatte einen laugen Rock umgehängt. Das Mädchen glaubte, einer der Burschen wollte es erschrecken. Es riß ihm den Rock von den Schultern und lief damit nach Hause. Bald aber klopfte es am Fenster und eine Stimme rief: „Gebt mir meinen Rock zurück!“ Der alte Mann reichte diesen auf einer Ofengabel hinaus. Dabei bemerkte er, daß draußen eine Totenbahre stehe. Im selben Augenblick stürzte seine Tochter tot zu Boden. Der Mann war der Tod gewesen.


Aus dem „Tullner Gau“ 1926.

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85

DAS KIND IM ZIEGELOFEN

    Außerhalb Senftenbergs liegt der hintenbergerische Ziegelofen, von dem nachstehende Sage erzählt wird.

    Als einst im Ziegelofen Ziegel gebrannt wurden, fiel ein Kind zum Schlot hinein in den Ofen und kam ums Leben. Groß war der Schreck für den Ziegeleibesitzer, als er davon Kunde erhielt, aber noch größer das Leid für die Eltern des Kindes, die ihr Liebstes auf so tragische Weise verloren.

    Als nun der Ziegelofen seinen Betrieb einstellte, war einem ähnlichen Ereignis vorgebeugt. Doch nach vielen Jahren fand sich wieder Gelegenheit, einen größeren Ziegelbrand vorzunehmen. Der Ziegeleibesitzer nahm einen neuen Ziegelschläger auf und dieser führte auch den Brand der Ziegel durch. Als nun die erste Nacht herankam und der Ofen in Brand gesetzt war, vernahm plötzlich die beim Abendessen versammelte Ziegelschlägerfamilie ein lautes Weinen, das aus Kindermund herrührte. Der Ziegelschläger hielt Nachschau und als er zum Ziegelofen kam, hörte er aus dem Rauchfang desselben das Wimmern und Weinen des Kindes. Er lief sofort, Unheil vermutend, zum Ziegeleibesitzer, der ihm die Mitteilung machte, daß einst bei einem Ziegelbrand ein Kind in den Brandsatz gefallen sei. Als auch bei einem weiteren Brennen wiederum das klagende Weinen aus dem Ofen zu hören war, stellte der Besitzer des Ziegelofens das Brennen ein, um der ruhelosen Seele des Kindes die Pein zu ersparen. Man hörte fortan kein Wimmern und Weinen mehr aus dem Ziegelofen. Die Seele des Kindes hatte seine Ruhe, gefunden.


Gew.: Elisabeth Geber, Senftenberg. Aufz.: Dieselbe im Jahre 1926.

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86

DIE GEISTERSCHIFFE

    In schöner, mondheller Nacht fuhr einst ein Fischer von Melk auf seinem Kahne stromabwärts. Die zwar schöne aber eintönige Fahrt ließ ihn einnicken. Plötzlich schreckte ihn heftiger Sturmwind aus seinem Dösen. Rasch ruderte er zu einer Insel und suchte Schutz auf derselben. Er setzte sich unter eine große Weide, da ein starkes Gewitter heranzuziehen schien. Der Himmel hatte sich verdunkelt und die Wolken verdeckten den fahlen Mond, so daß tiefe Dunkelheit herrschte. Doch trotz des heftigen Windes blieb das Gewitter aus, nur wurde die Gewalt des Sturmes immer stärker. Auf einmal gewahrte der alte Fischer gegen Aggsbach zu auf dem Wasser ein ungeheures Schiff, das fast bis zum Himmel emporreichte. Heller Lichtschein strahlte aus seinen Luken und aus den Spitzen der Mastbäume zuckten helle Blitze in die dunkle Nacht. Hinter diesem Schiffe sah der erstaunte Fischer eine ganze Reihe anderer folgen, die anscheinend noch größer waren. Sie kamen mit ungeheurer Schnelligkeit stromauf gefahren. Blitze zuckten ununterbrochen auf und der Donner rollte unaufhörlich. Wild schäumten die Wellen, sodaß sich der Greis auf der Insel schon für verloren hielt. Wüster Lärm tönte ihm von den Schiffen herüber entgegen, welche unter furchtbarem Getöse an ihm vorbeifuhren. Als das letzte Fahrzeug kam, erfolgte ein schauerlicher Krach und hell loderte Feuer an einem Baum neben dem Schiffer empor. Vom Feuerschein geblendet, stieß dieser einen Schrei aus und fiel wie leblos zu Boden. Als er wieder zu sich kam, sah er vor Melk das Wasser furchtbar aufwirbeln. Ein schrecklicher Abgrund öffnete sich im Strome, der den ganzen gespensterhaften Schiffszug verschlang. Darauf legte sich der Sturm auf der Donau und der Strom wurde wieder still und ruhig. Der Fischer aber wagte erst am Morgen seine Heimkehr. Der erlittene Schreck hatte den Greis so arg hergenommen, daß er bald darauf starb.


Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“ Nr. 16, Seite 25, und Jahresbericht des Gymnasium Krems 1869, Seite 17. Aufz.: Prof. K. Landsteiner.

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87

DER SPUK BEI DEN DOMINIKANERN
ZU KREMS

    Bei den Dominikanern zu Krems ging es nach deren Abwanderung aus ihrem alten Kloster nicht immer mit rechten Dingen zu. Man erzählt von den verschiedenen Örtlichkeiten des Klosters, wie von der Gruft, dem heutigen Theaterraum, dem Klostergebäude selber, den Klostergärten und der Umgebung des Klosters manche Spukgeschichte, die sich hier zugetragen haben soll.

    So sagten die Schauspieler, die im Theaterraum des einstigen Klosters gespielt haben, daß sie vor Beginn der Schauspielvorstellung im Zuschauerraum eine Nonne sitzen sahen, die aber sofort verschwand, wenn sich die Theaterbesucher einstellten. Auch beim Eingang in das Stadtmuseum, das sich im ersten Stockwerke befindet, zeigte sich sehr oft ein geisternder Dominikanerpater, der sich im Habit vor dem Fenster bewegte und vom Theaterplatz deutlich zu sehen war. Im Klostergebäude mit seinen düsteren Gängen war es auch nicht geheuer. Hier erhielt mancher Besucher des Klosters von unsichtbarer Geisterhand eine schallende Ohrfeige. Andere waren an einer Stelle des Ganges festgebannt und konnten weder vor- noch rückwärtskommen, denn sie wurden von unbekannter Macht festgehalten. An gleicher Stelle gewahrte man auch oft einen Haufen glühender Kohlen, die sich aber beim Näherkommen in Nichts auflösten, sodaß manche Besucher aus großer Furcht diese unheimlichen Stätten mieden. Auch die Gruft des Klosters soll die Stätte manches geisterhaften Spuks gewesen sein. Von hier aus wurde auch vor Jahren ein „Geheimer Gang“ entdeckt, der bis zum Föhrenwäldchen des Kuhberges geführt haben soll.     Außerhalb des Klostergebäudes finden sich die einstigen Klostergärten, die nicht minder der Tummelplatz ruheloser Geister waren. Hier vernahm man des Nachts das Jammern und Hilferufen von armen Seelen.


Gew.: Dr. Wondrak, Josefine Pammer, Marie Brandtner, Buchbinder Forner, Krems. Aufz.: Dr. J. Plöckinger, Krems. 1925.

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88

DIE GESPENSTERHAFTEN NONNEN

    Vom Kleinen Passauerhofe, der einstmals einem Nonnenkloster eigen gewesen sein soll, erzählt man nachfolgende Sage.

    Eine alte Frau mit Namen Schiffauer bewohnte die heute bereits verfallenen Gemächer des Kleinen Passauerhofes zu Stein. Die unheimlichen Räume des alten Gebäudes waren der Schauplatz nächtlichen Spuks. Es erschienen um die Mitternachtsstunde in den Zimmern bei versperrten Türen Nonnengestalten in länger Reihe, die vor den Betten der Schläfer Aufstellung nahmen und diese aus ihrem Schlafe schreckten. Sobald die Geisterstunde vorüber war, verschwanden sie wie sie gekommen waren. Dies ließ die Bewohner nie zur Ruhe kommen. Darum mied man im alten Stein diese verrufenen Wohnungen. Sie verfielen der Verwahrlosung und sanken darum auch in Trümmer.


Gew.: Franz Wallachner, Stein. Aufgezeichnet 1954.

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89

GEISTERNÄCHTE IM KLEINEN
PASSAUERHOF

    In den winkeligen Gassen und Höfen der alten Stadt Stein findet sich manches Örtchen, von dem das Volk gar unheimliche Geschichten zu berichten weiß. So erzählte manch altes Weiblein und manch alter Mann auch vom sogenannten kleinen Passauerhof eine gar sonderbare Sage.

    Als einst wieder einmal ein Donaueisstoß die Bewohner der Steiner Donaulände und Landstraße zwang, die ebenerdigen Wohnstätten wegen Überschwemmungsgefahr zu räumen, mußten sie für die Zeit der Gefährdung eine neue Wohnmöglichkeit suchen. So traf es auch die Familie des Nachtwächters der alten Steiner Tabakfabrik sehr schwer, als sie ihre bisherige Wohnung verlassen mußte. Guter Rat war teuer, denn Wohnungen gab es in der Enge des alten Städtchens nur wenige und diese waren bereits vergeben, als Kroniker nach einer solchen für seine zahlreiche Familie nachsuchte. Nur ein Haus, der kleine Passauerhof, hatte noch Wohnungen frei, aber sie waren gemieden, denn im Gebäu dieses alten Hofes geisterte es gewaltig. Der Vater mußte aber dennoch zugreifen, denn er hatte für seine vier Kinder ein Heim zu schaffen. Und so zog nun die Familie in die Notwohnung ein. Es war ihr aber schon bekannt, daß es im Passauerhofe nicht mit rechten Dingen zugehe. Schon die erste Nacht wurde der Mutter und den Kindern bereits zur Qual, da der Vater als Nachtwächter abwesend, war. Kaum hatte es die elfte Stunde geschlagen, als ein unheimlicher Lärm das Haus erfüllte. Getöse und Gepolter, wie wenn über die Stiegen schwere Fässer kollern würden, schreckten die Schläfer aus der Ruhe. Am Morgen war keine Spur davon wahrzunehmen. In der zweiten Nacht erfüllte Kinderweinen die unheimlich gewordenen Räume des Hauses. Die dritte Nacht herrschte ein Gepolter, als wenn die Holzstöße über den Haufen geworfen würden. Am Morgen fand sich aber alles in bester Ordnung. Und als die vierte Nacht anbrach, rasselten durch zwei volle Stunden schwere eiserne Ketten über Stiegen und Gänge. Grauen erfüllte nach diesen Nachtstunden Weib und Kinder des Nachtwächters. Sie verließen das Gespensterhaus. - Und heute? - Der Spuk zu nächtlicher Stunde ist vorbei.


Gew.: Franz Wallechner, Stein. Aufgezeichnet 1954.

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Diese Seite wurde am 24. März 2003 erstellt.