Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 4

MUTTER DES HERRN
Heft Nr. 4 (Doppelheft)

Teil 8

von Sage 206 bis Sage 213


206

DER GEIST DES VERSTORBENEN

    Einst lebte zu Ardagger ein Gastwirt, der an einer schweren Krankheit verstarb. Sein Weib trauerte um den Verstorbenen und behielt ihm ein gutes Angedenken. Da sie aber die Arbeit in Haus, Geschäft und Wirtschaft nicht allein zu schaffen vermochte, nahm sie erneut einen Mann.

    Der zweite Ehemann Mathias Wintersberger, welcher nun ebenfalls Gastwirt geworden war, lag eines Nachts im Schlummer. Da erschien ihm der verstorbene Mann seiner Frau, Michl Edtmayr. Dies geschah auch noch ein andermal. Auch seinem Weibe widerfuhr dies. Diesem erschien der Geist ihres ehemaligen Gatten nach ein Uhr nachts, nahm sie bei der Hand, worauf sie erwachte. Obwohl im Schlafzimmer ein Nachtlicht brannte, war der Geist gekommen und hatte sie mit seiner kalten Totenhand berührt. Sie sah ihren einstigen Mann in leibhaftiger Gestalt vor sich stehen, worüber sie sehr erschrak. Doch faßte sie Mut und sprach zu ihm: „Alle guten Geister loben Gott den Herrn." Der Geist verschwand jedoch nicht, sondern antwortete. Sie fragte ihn nunmehr darnach, was er verlange, worauf er zu ihr sagte, sie solle durch ihren Mann beim Kalvarienberge in der Pfarre Rossatz eine heilige Messe lesen lassen, damit er erlöst werde. Als er dies gesprochen hatte, wandte er sich ab und verschwand. Des andern Tages erzählte sie das Erlebnis ihrem Mann, der ihr nun ebenfalls seine sonderbare Erscheinung mitteilte. Da nun beide Eheleute daraus erkannten, daß Edtmayr im Grabe scheinbar keine Ruhe finden konnte, wallfahrte der Mann nach dem Gnadenberge und erfüllte dortselbst den frommen Wunsch des ruhelosen Geistes. Seit dieser Zeit erschien dieser nie mehr im Hause, denn er hatte sicherlich durch das gute Werk Ruhe und Frieden gefunden.


Aus N. M. C. 1693. Seite 33, Mir. 30.

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207

LEIBESNOT IN DUNKLER NACHT

    In stockdunkler Maiennacht berief man einst den Landschaftsbalbierer Ferdinand Muhr und den Landschaftsmedico Franziskus Radokta von Krems nach Dürnstein zu einem Kranken. Auf der Heimfahrt gerieten die beiden Männer in arge Leibesnot, denn ihr Wagen fiel auf der holprigen Straße um und beide stürzten aus demselben. Dabei brach sich Muhr zweimal den Arm und mußte große Schmerzen erdulden. Da sie bereits nahe der Stadt Stein waren, leistete der Bader Christoph Grienthaler von Stein mit seinen Gesellen Hilfe und schaffte den Gebrechlichen heim. Da sich der Unfall Samstag, den 2. Mai 1693, ereignet hatte, litt er noch Sonntag heftige Schmerzen. Da gelobte er, im Falle, daß ihm Gott völlige Genesung angedeihen lasse, am Kalvarienberge ein Opfer darzubringen. Als sich der Landschaftsbalbierer Muhr bereits am Montag, dem 4. Mai, ohne Schmerzen von seinem Lager erheben konnte und durch wunderbare Fügung Gottes sein Arm heil, er selbst auch frisch und wohlauf war, entschloß er sich, nach dem Gnadenberge, wohin er sich verlobt hatte, zu pilgern und Gott zu lobpreisen. Um seinen Dank abzustatten, begab er sich am Freitag, dem 8. Mai, in Gefolgschaft von zwei Jesuiten dahin und brachte sein Opfer dar.


Aus N. M. C. 1693, Seite 16, Mir. 26.

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208

VOR DEM ERTRINKEN BEWAHRT

    Als einst Franz Ruch aus Etsdorf auf einer Roßplätte mit neun Pferden donauabwärts am Kalvarienberge vorbeifuhr, durchtrat ein Roß den morschen Schiffsboden und die Zille lief schnell voll Wasser. Dadurch gerieten Mensch und Tier in äußerste Lebensgefahr. Der Steurer trachtete in Weißenkirchen das rettende Ufer zu erreichen, doch konnte er sein Vorhaben nicht vollbringen, da das Schiff dem Ruder nicht mehr gehorchte. In dieser Leibesnot empfahl Ruch Mensch und Tier dem Schutze des Gnadenberges. Das Schiff wurde auf wunderbare Weise ohne menschliches Zutun bei Rossatz an Land getrieben und so Mensch und Tier dem Leben erhalten. Für diese wunderbare Rettung und Gnade dankte der Mann dem Herrgott am Kalvarienberge. (14. 9. 1694).


Aus N. M. C. 1693, Seite 33, Mir. 62.

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209

SCHIFFBRUCH

    Als noch im Weitentale die Traube reifte und der Winzer den edlen Traubensaft in tiefen Kellern aufbewahrte, geschah es, daß einmal der Handelsmann Johann Prantz und der Gastwirt Elias Kronstorfer aus Weiten auf einem Ruderschiffe viele große Fässer, die mit Wein gefüllt waren, donauabwärts verfrachteten. Das Schiff tauchte durch die schwere Ladung tief ins Wasser. Den beiden Fergen kostete es große Mühe das Boot wohlbehalten an mancher Felsklippe vorbeizusteuern, die aus dem Wasser ragte. Sie konnten es aber nicht verhüten, daß nahe der Tuchnerklippe bei Schallemmersdorf die Zille auf eine Steinkugel aufrann und leck wurde. Das Ruderschiff lief voll Wasser und drohte zu versinken. In ihrem Elend erflehten sie die göttliche Hilfe des Heilands vom Kalvarienberge. Kaum hatten sie diese erbeten und als Dank eine Wallfahrt dahin gelobt, als sie auch schon das rettende Land erreichten und sich und ihre kostbare Fracht in Sicherheit bringen konnten. Ein Dankesopfer brachten sie am Kalvarienberge dar.


Aus N. M. C. 1693, Seite 34, Mir. 64.
Aus N. M. C. 1693, Seite 39, Mir. 73.

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210

AUS WASSERNOT GERETTET

    Aus der lieblichen Wachaugemeinde Unter-Loiben war einst ein Fleischergeselle in die Stadt Wien zu einen Fleischermeister in Dienste getreten. Dortselbst hatte der brave Bursche Jakob Tausch, so hielt derselbe, sich so bewährt, daß er zum Oberknecht bestimmt wurde. Der Meister sandte diesen oft weit ins Land, um als Zuschratter Dienste zu leisten. So schickte er ihn einmal im Jahre 1692 nach Lilienfeld, um dort zwanzig Paar Ochsen einzukaufen. Zu diesem Zwecke führte er eine große Summe Geldes mit sich, die ihm der Meister anvertraut hatte. Die Reise machte er zu Pferde. Als er nun auf seinem Ritt in die Gegend von Stockerau kam, wo er die Donau übersetzen wollte, war durch reichliche Regengüsse das Gewässer so angeschwollen, daß die am andern Ufer befindlichen Kaufmannswägen sich nicht getrauten, die Furt zu durchfahren. Um in seiner Reisezeit keine Einbuße zu erleiden, wollte er nun das Wasser durchreiten. Kaum hatte er aber sein Pferd in das Wasser gelenkt, als dieses stürzte und ihn ins Wasser abwarf. Er erreichte mit Müh und Not einen im Wasser aufragenden Stein, während das Pferd weit abgetrieben wurde. Da der Wasserschwall ihn stark umbrandete, getraute er sich nicht, das Wasser zu durchwaten. In seiner Lage sah er sich ohne Hilfe auf sich selbst und Gott gestellt. Er rief in seiner Lebensnot nun den Herrgott an und empfahl sich dem Gekreuzigten vom Kalvarienberge zu Lorenzi. Er gelobte dahin nach seiner Errettung eine Wallfahrt zu unternehmen. Kaum hatte er dies Gelöbnis getan, als auch schon auf wunderbare Weise Rettung nahte. Das Pferd hatte stromab das Ufer erreicht, war stromauf getrabt und schwamm nun seinem Reiter zu. Wenige Augenblicke später stand es an seiner Seite, sodaß er gefahrlos aufsitzen und das Ufer erreichen konnte. Das Pferd durchschwamm mit seinem Reiter die Donauwogen und brachte ihn nunmehr auf seinem Ritte schnell vorwärts.


Aus N. M. C. 1693, Seite 6, Mir. 9.

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211

GERETTETE FERGEN

    Viele Tage hatte es in Strömen geregnet und noch immer hingen schwere Regenwolken über dem Dunkelsteinerwald. Der Himmel wollte einfach seine Schleusen nicht schließen. Alles troff vor Nässe und das kleinste Wässerlein schwoll an und wurde zum reißenden Wildbach, der alles mit sich fortzuschwemmen drohte. Da zeigte sich endlich ein lichter Streifen am Horizonte, der besseres Wetter verhieß. Die Sonne brach nun durch die Wolkendecke und spendete der Erde Licht und Wärme. Sie zerriß auch die Wolkenbank und nach vielen Tagen trüben Regenwetters erstrahlte der Himmel in tiefer Bläue. Da trat der Wirt zu Markersdorf bei Melk, Stefan Mayr mit Namen, vor die Tür seiner Schenke und hieß seinen Stiefsohn Tobias Scherr und den Knecht Thomas Schnirrl, drei Gäste, die schon manchen Tag auf den Weitermarsch gewartet hatten, in der kleinen Zille über die reißende Melk setzen, die durch den Regen angestiegen war und alle Stege mitgerissen hatte. Bald hatten die beiden Burschen das Boot losgeinacht und hießen die drei Wanderer in die Zille steigen. Kaum hatten sie vom Wirt Abschied genommen, als sie auch schon zum Ufer eilten und das Boot bestiegen. Der ,Wirt sah ihnen nach und schwenkte zum Abschied sein Hauskäppchen. Die Fahrt ging flott von statten. Da gewahrte plötzlich der Wirt, wie ein mächtiger Baumstrunk vom Wasser mitgerissen, auf der hochgehenden Flut daherschoß. Vor Schreck versagte ihm die Stimme, die warnende Rufe dem Boote nachsenden wollte. Und da war auch das Unglück schon geschehen. Der Klotz hatte die Zille erreicht und sie zertrümmert. Die Seinen und die Gäste trieben nun hilflos im Wasser. Da sank der Wirt in die Knie und flehte den Beistand Gottes an. Er versprach ein Opfer zum Kalvarienberge zu bringen, wenn den Todgeweihten Rettung zuteil würde. Seine Bitte wurde erhört, sodaß der Stiefsohn und der Knecht sich retten konnten, während die Fremden in den Fluten versanken. Er brachte am Kalvarienberge sein Opfer für die wunderbare Errettung dar.


Aus N. M. C. 1693, Seite 25, Mir. 45.

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212

RETTUNG AUS FEUERSNOT

    Eine sternklare, eiskalte Winternacht breitete ihre schwarzen Fittiche über das stille Donautal bei Rossatz. Alles war schon zur Ruhe gegangen und nur der Nachtwächter schritt auf frostharter Straße dahin. Lautlose Stille herrschte, die nur durch das Knirschen des Schnees gestört wurde. Da wurden plötzlich Stimmen laut, die angstvoll durch die Nacht gellten und die Bewohner aus dem Schlummer schreckten. Der Wächter vernahm aus dem Stimmengewirr den Feuerruf und schon schoß eine Flammengarbe zum Himmel empor. Nun rief auch sein Horn weithin ins Donautal. Der Wind peitschte die Flammen und entfachte eine schauerliche Feuersbrunst, der dreißig Häuser zum Opfer fielen. Das Vieh brüllte und angstvolle Rufe der bedrängten Menschen tönten durch die Nacht. Dazu prasselten die Flammen und krachten die stürzenden Balken. Das Feuer fraß sich immer weiter im Orte fort und viele Menschen sahen verzweifelt ihre Habe zu Grunde gehen. So stand auch der Rossatzer Ratsbürger Sternögger hilflos den Flammen gegenüber, die sich immer näher an sein Haus heranfraßen. In dieser Not sank er in die Knie und rief die Hilfe des Gekreuzigten vom Kalvarienberge an. Er versprach zum Gnadenberge, wenn ihm Hilfe zuteil würde, Meßgewand, Kelch und andere Kirchengeräte zu stiften. Als sieh tatsächlich das Feuer von seinem mit Heu und Stroh sowie mit anderen Feldfrüchten gefüllten Stadel und Haus abwandte, und diese auf wunderbare Weise verschont blieben, erkannte der gläubig vertrauende Mann den erbetenen Beistand Gottes. Voll Dankbarkeit pilgerte er zum Kalvarienberge in Sankt Lorenzi und erfüllte sein Versprechen durch sein Opfer. (12. 1. 1694).


Aus N. M. C. 1693, Seite 21, Mir. 37.

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213

DER GERETTETE FISCHER

    Als einst auch zu Pöchlarn ein strenger Winter die Donau durch große Kälte zum Zufrieren brachte, war für die Fischer eine schlechte Zeit gekommen. Sie mußten in die Eisdecke Löcher schlagen, damit sie einen bescheidenen Fischfang betreiben konnten. Sie waren daher froher Dinge, als der Tauwind einsetzte und den Abgang des Eisstoßes in Aussicht stellte. Meister Kolmann Süber aber konnte es nicht erwarten und zog daher mit seinem Lehrjungen Lorenz Dorfner trotz Warnung seiner Bekannten zum Fischzug aus. Schon waren im Eisstrom offene Stellen eingerissen und in diesen erwartete sich nun der Fischer einen guten Fang. Er hatte inmitten der Donau, bei einer kleinen Aue, einen reichen Fang gemacht, aber er wollte auch die Dämmerung nützen und blieb deshalb bis zu später Abendstunde mit seiner kleinen Fischerzille am Orte. Das linde Wetter ermöglichte ein längeres Ausharren auf dem Wasser. Da hörte er plötzlich ein Bersten und Krachen und der Eisstoß riß durch. Das Eis, das durch das milde Wetter losgegangen war, übereilte ihn und brachte Meisier und Lehrjunge in die große Gefahr, mitgerissen zu werden. Und so geschah es auch. Zwei Meilen Weges wurde er abgetrieben und war stets in Gefahr, vom Eise erdrückt zu werden. Krachend splitterte das Eis ringsum, doch weder er noch sein Junge konnten entfliehen. Es zeigte sich keine Möglichkeit mehr an Land zu kommen. Verzweifelt rang er die Hände und rief zu Gott um Rettung. Er erflehte die Hilfe des Gekreuzigten vom Kalvarienberge bei St. Lorenzi und versprach ein Meßopfer und Kerzen dahin. Und siehe! Kaum hatte er das Gelöbnis getan, öffnete sieh auf wunderbare Weise inmitten der Donau, wo er und sein Fischerjunge sich befanden, eine breite Rinne, die ein Entfliehen gestattete. Das Eis gab sie frei und schloß sich unmittelbar hinter ihnen wieder, wie es im fahlen Lichte des Mondes zu sehen war. Meister und Junge erreichten glücklieh das Land und dankten am Gnadenberge für die Gnade ihrer wunderbaren Rettung.


Aus N. M. C. 1693, Seite 22, Mir. 39. (1694).

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Diese Seite wurde am 30. Dezember 2002 erstellt.