Geschichten und Sagen
des Kremser Bezirkes
2.
Teil 1
Von Sage 41 bis 49
41 DAS ROTE KREUZ ZU KAMMERN Als sich vor mehr als hundert Jahren einst über dem Manhartsberge ein schweres Unwetter entlud, stürzten große Wassergüsse von den Hängen zu Tale. Sie rissen alles Erdreich und große Felstrümmer mit sich und vermurten fruchtbares Land. Entwurzelte Bäume schwammen auf den hochgehenden Kampfluten, die Menschenwerk, ja selbst Mensch und Tier vernichteten. Nach dem Rückgang der Flut blieb zu Kammern ein großer Felsblock außerhalb des Ortes gegen Zöbing liegen. Dort errichtete man zum bleibenden Gedenken ein Marterl, das man auf der Rückseite mit einem großen roten Kreuze versah. Darum nannte es das Volk das "Rote Kreuz".
Volksgut aus Kammern. Aufgezeichnet durch Hermine Fischer (1952). |
42 DAS GAISSBERGKREUZ Zur Zeit, als die Landgerichte noch Mörder, Ehebrecher, Diebe und andere Übeltäter verurteilten, errichtete man an weit über das Land hin sichtbaren Örtlichkeiten die Hochgerichte. Dort richtete man die Verurteilten vom Leben zum zum Tode. Raben umkreisten diese Stellen, denn sie ließen sich in ganzen Scharen auf dem Galgen nieder, wenn ein Gehenkter dort zum abschreckenden Beispiel am Stricke baumelte. So war auch der Gaißberg, als er noch keine Weingärten trug, die Richtstätte des Landgerichtes Grafenegg. Vom dumpfen Kerkergelaß im Schlosse dortselbst mußte der Verurteilte seinen letzten Weg zu Fuß bis zur Richtstätte nördlich von Kammern nehmen. Im Angesichte des kahlen Gipfels, von dem der Galgen herabgrüßte, schritt der Henker mit seinem Opfer den Weg hinan. Am Fuße hielt der "Arme Sünder" seine letzte Rast. Manch Unglücklicher und oft unrecht Verurteilter schritt diesen Weg, ohne auf Vergebung hoffen zu können. Oft spottete das Volk am Wege noch seiner. Hatte er den Hochgerichtsplatz erreicht, dann blickte er zum letzten Male hinab, um hierauf dem Henker zu verfallen. Wo alle diese unglücklichen Menschen am Fuße des Berges ihre letzte Rast hielten, setzte man zur Mahnung das Gaißbergkreuz.
Bekanntes Volksgut des Dorfes Kammern. Aufgezeichnet von Hermine Fischer in
Kammern (1952). |
43 DAS WEISSE KREUZ Nächst Mollands steht in der Mollandser Freiheit ein kleines Wegkreuz, ein Geldkreuz. Von diesem erzählt man, daß Fuhrleute, welche von Zöbing kommend, an dieser Weggabelung vorbeimußten, nicht mehr weiterfahren konnten. Die im Joche einhergehenden Ochsen begannen an dieser Stelle plötzlich unruhig zu werden, stapften hin und her und schwitzten, daß ihnen der Schweiß in Bächlein vom Körper rann. Die Fuhrwerker mußten daher einen anderen Weg einschlagen, aufdaß sie nach Hause kamen. Dieses ging aber nur mit leerem Wagen. Die Gemeindebewohner erbauten daher an der Stätte dieser geheimnisvollen Vorgänge ein weißes Kreuz. Seit dieser Zeit steht dieses in Wind und Wetter. Den Fuhrleuten wird aber kein Hindernis mehr bereitet.
Gew.: Josef Pokorny, Mollands, Aufzeichner: Dr. Plöckinger (1926). |
44 DAS HAHNKREUZ VON FREISCHLING Als einst zur Zeit des siebenjährigen Krieges die Preußen als Feinde ins Land eindrangen und die Bevölkerung aus Angst um ihr Hab und Gut mit allen nur möglichen Dingen in die "Fernitz" flüchtete, trug es sich zu, daß eines Tages ein im Dorfe zurückgebliebener Hahn aus Leibeskräften zu krähen begann. Er war den nachstellenden Hühnerfreunden entwischt, die ihn bereits für ihre Tafel ausersehen hatten, und krähte nun sein helles "K i k e r i k i" mit voller Kraft weit hinaus in Wald und Flur. Durch den Hahnenschrei wurden die Freischlinger, die ihn in den Gräben der Fernitz ebenfalls vernommen hatten, neugierig. Sie spähten nun darnach aus, ob vielleicht der Feind gar schon den Ort geräumt hätte, sodaß sie in ihr geliebtes Heim zurückwandern könnten. Sie kamen deshalb alle aus ihren Verstecken hervor. Und, wie vermutet, war es gekommen. Die Preußen zogen auf der Straße dahin, begleitet von Volk und Kindern. Der Krieg war zu Ende. Dem Künder dieser frohen Botschaft aber, dem Hahn von Freischling setzte man zum Angedenken ein - "H a h n k r e u z".
Volksgut des Dorfes Freischling. Aufgezeichnet 1952 durch den Direktor der Schule, Höbarth. |
45 DIE BILDFICHTE VON KRIEGENREITH Vor vielen Jahrzehnten schritt eines Tages ein Bauer aus Kriegenreith rüstigen Schrittes dem Dorfe Freischling zu, denn er wollte dortselbst mit einem Manne zusammentreffen, der seinen ererbten Besitz in diesem Dorfe erstehen wollte. War man doch schon über den Kaufpreis in einer Aussprache einig geworden und nun sollte der Kauf endgültig abgehandelt werden. Nun war es soweit. Man trank den Leitkauftrunk, übergab das Geld und trennte sich mit Handschlag. Jeder ging seines Weges. Der Bauer suchte seine Schwester auf und diese begleitete den Bruder nach Kriegenreith, denn der Bruder wollte ihr einen noch ausständigen Rest gleich zur Auszahlung bringen, den er ihr noch schuldete. Sie schritten nun beide Kriegenreith zu. Da gewahrten sie, wie eine Männergestalt sich hinter Buschwerk verbarg, und sie glaubten den Käufer des Anwesens erkannt zu haben. Sie hatten sich nicht getäuscht. Dieser hatte dem Bauern aufgelauert und wollte ihn seiner Barschaft berauben, die er noch bei sich trug. Da er an seinem Vorhaben durch die Schwester des Mannes gehindert war, entfloh er der Stätte seiner verruchten Tat. Der Bauer war vielleicht vor dem Tode bewahrt worden. Über seine Rettung erfreut, gelobte er, den Ort, wo das schändliche Vorhaben zunichte wurde, durch ein Bildnis zu schmücken, das er an einer großen Fichte anbrachte, die seit dieser Zeit die Bildfichte heißt.
Aufgezeichnet durch Dir. Höbarth in Freischling, 1952. |
46 DAS TEUFELSBILD AM ALTARE Vor Dürnstein lauern in den Fluten der Donau viele Riffe, an denen schon manches Schiff zerschellte. Die Donauschiffer mußten, um die gefährlichen Felsklippen zu passieren, alle Achtsamkeit aufwenden. Trotz alledem versank so manches Schifflein in den Fluten des Stromes. Zwar hatte man schon seit vielen Jahrzehnten den A d l e r s t e i n gesprengt, der nahe dem Ufer unterhalb des Starhembergschlosses aus der Donau ragte, doch fand auch hernach so mancher Schiffmann sein nasses und kühles Grab in den Donauwellen. Darum hatten einst die "Schöffleut" den frommen Brauch, für ihre ertrunkenen Kameraden alljährlich in der Gruftkirche am Allerseelentage eine Totenmesse lesen zu lassen. Sie kehrten gerne in der altehrwürdigen Stiftskirche ein, denn Sankt Nikolaus, der Schutzpatron der Schiffer, stand stets auf der Rampe des Stiftsturmes auf Wacht und sein Engelein, das er zu Füßen hatte, wies ihnen mit dem roten Licht seines emporgehaltenen Herzens den rechten Weg. Da trug es sich zu, daß wieder einmal für die toten Kameraden die Schiffer ihre Totenmesse anhörten. Weil man bereits am Abend zuvor gerne in Dürnstein ankam, um auch bei einem guten Trunk im Schifferwirtshaus "Zum schwarzen Adler" ein frohes Stündchen zu feiern, so waren die Gemüter vieler Schiffleute am Morgen des Allerseelentages etwas erregt. Einige Männer waren darunter, die besonders an dem Teufelsbild des Gruftaltares Anstoß nahmen und beschlossen, den Teufel vom Altare zu entfernen. Gesagt, getan. Als die Messe vorüber war, griffen sie, als ihre Kameraden die Kirche bereits verlassen hatten und auch Mesner und Pfarrer nicht mehr anwesend waren, herzhaft zu und trugen das Teufelsbild aus der Kirche hinaus, zur Donau und warfen es dortselbst bei der "W e c h s e l w a n d" in die Fluten. Die Strömung trieb das Bildnis des Höllenfürsten im steten Wechsel stromabwärts und stromaufwärts, ließ ihn aber nicht aus dem Wirbel in die Strömung gelangen. So kreiste das Teuflein manche Stunde und manchen Tag vor Dürnstein in den Donauwellen. Das schwarze Ding ragte aber hie und da aus dem Wasser und das hatte die alte Schöpflin, ein verhuzeltes Schifferweib, deren Mann einst auch in der Donau ertrunken war, gesehen. Sie rückte deshalb, als sie wieder mit dem Schiffshaken Winterholz fischte, dem Teufel zu Leibe. Mit sicherer Hand zog sie den Luzifer ans Land, trug ihn heim, trocknete ihn mit Hadern und schlug ihm, als er am Herde noch vollends dürr geworden war, mit der Hacke in Trümmer, wobei sie meinte: "Der Teufel kann uns iatzt nima holln!" Als gelegentlich der Pfarrer an Frau Schöpfls Holzstoß vorbeiging, der an der Donau aufgeschlichtet war, gewahrte er zu seinem Schreck das Teufelsbildnis aus seiner Gruftkirche dortselbst. Flugs war der alte Herr bei der Alten und erfuhr nun die grause Tat der Schöffleut. Kopfschüttelnd verließ er mit den Resten des Teufels das Haus. Bald waren die Übeltäter gefaßt und vor das Gericht gestellt, wo sie wegen Gottesfrevel angeklagt waren. Als der strenge Richter an die Täter die Frage richtete, warum sie den Altar geschändet hätten, kam aus wortkargem Schiffermund die Antwort: "Herr Richta! Da Teifi g'hört nit auf'm Altar!" Dabei blickten die Schöffleut den Richter mit treuem offenen Auge an. Dieser mußte sich nun selbst eingestehen, daß der Leibhaftige wahrlich auf dem Tisch des Herrn nichts zu suchen hatte. Er sprach die Schiffer frei und entlieh sie mit einem strengen Verweis.
Gew.: Kernstock Georg, Dürnstein. Aufz.: Rudolf Riedel, Dürnstein. 1922. |
2. Erzählform: Eine andere Erzählform dieser Sage schreibt die Entfernung des Teufelsbildes jenem Pfarrherrn Dürnsteins zu, der auch die Engelsgestalten der Seitenemporen, welche musizierende Puttis waren, vom Dürnsteiner, namens Holzweher, krumm- und kleinhacken lieh. Seit dieser Zeit fehlt die Teufelsgestalt am Gruftaltare. |
47 DER SCHUSS AUF DIE HL. DREIFALTIGKEIT
Nächst dem Friedhof zu Stein befindet sich eine Darstellung
der heiligen Dreifaltigkeit. Diese weist Kugeleinschläge
auf, an die sich folgende Sage knüpft:
Gew.: Sturmer Ludwig, Stein. Aufz.: Riedel, Dürnstein. |
48 DAS MANDL OHNE KOPF Im Dreißigjährigen Kriege eroberten die Schweden im Jahre 1645 die Stadt Krems. Als Feinde benahmen sie sich in der Stadt sehr übermütig und plünderten nicht nur Häuser, sondern zerstörten viele Denkmäler und religiöse Standbilder. So trug es sich eines Tages zu, daß ein schwedischer Offizier, der protestantischen Glaubens war, im Übermute des Siegers auf der Fußgängerstiege zur Liebfrauenkirche, der heutigen Piaristenkirche, emporritt. In den heute noch vorhandenen Bildnischen fanden sich Heiligenbilder und auch ein Marienbild. Dieses erregte bei dem Schweden Mißfallen und er stach demselben mit seinem Degen die Augen aus. Hernach drang er auf dem Berge noch in die Kirche ein und trieb argen Unfug. Auf seinem weiteren Ritt kam er zu jener Selle "Auf der Burg" zu Krems, wo sich das Standbild des heiligen Ignatius befand. Auch dieses schändete er, indem er dortselbst den Kopf vom Körper des Heiligen mit einem Schwertstreich trennte. Der steinerne Kopf kollerte über die Felswand in die Lederergasse hinab, während der Rumpf am Berge blieb. Nun hatte der Offizier seinen Übermut ausgetobt und ritt heim in seine Unterkunft. Als am andern Tage der Schwede seine Runde bei den Wach auf der Stadtmauer machte, kam aus der Richtung "Am Steindl" eine Kanonenkugel der Kaiserlichen, die Geschützfeuer auf die Stadt unterhielten, geflogen und riß gerade an der Stelle, wo der Frevler am vorhergegangenen Tage dem Standbild des Ignatius den Kopf abschlug, den Kopf vom Leibe. So wurde seine Freveltat bestraft. Der Leichnam des Schänders wurde in der Pfarrkirche bestattet. Sein Geist fand aber im Grabe keine Ruhe und viele Jahre sah man ihn auf feurigem Rosse um die Liebfrauenkirche und durch die Auen hei Krems reiten. Man hörte sein Stöhnen und Seufzen. |
49 2. Erzählform: Als die Schweden im Jahre 1645 die Stadt Krems belagerten, schossen sie mit schwerem Geschütz in die Stadt und vor allem der Pulverturm lag unter dem Feuer der schwedischen Kanonen. Man konnte sich nicht erklären, warum gerade an dieser Stelle der Schwede solche Mühe aufwandte, die Mauern in Schutt zu legen, wo doch ein Sturm über die steilen Hänge des Kremstales fast ausgeschlossen war. Ununterbrochen fielen die Steinkugeln der schwedischen Artillerie rings um das Standbild des heiligen Ignatius ein. Da, ein Stürzen und dumpfes Auffallen. Was war geschehen? - Das Standbild des Heiligen lag mit abgeschlagenem Kopf auf dem Erdboden. Die Verteidiger liefen zusammen und besahen sich das unglückverheißende Ereignis. Die Schweden, welche das Zusammenlaufen der Männer beobachtet hatten, brachen in ein Freudengeheul aus, das laut zur Stadt herübertönte. In diesem Augenblick verstummte auch das Kanonenfeuer auf diese Stelle der Stadtbefestigung. Als man des andern Tages einen Schweden gefangen einbrachte, wurde er einem eingehenden Verhör unterzogen. Da stellte sich nun heraus, daß die Schweden am Vortage deshalb ein solches Siegesgeheul angestimmt hatten, da sie glaubten, einen unentwegten Verteidiger, der nie seinen Posten verließ, abgeschossen zu haben. Nun wußte man den wahren Grund des Bombardements. Das Standbild des heiligen Ignatius steht seit dieser Zeit ohne Kopf auf der Stadtmauer und hält nunmehr seit mehr als dreihundert Jahren als "Mandl ohne Kopf" Wache.
Dem Wachausagenbuche Dr. Piöckingers nacherzählt. S. 102, Nr. 99. |
3. Erzählform: Zur Zeit des Schwedenkrieges schnitt ein schwedischer General einem Marienbilde auf der Frauenbergstiege die Augen aus und schlitzte dem Ignatiusbilde am Ignatiustage den Bauch auf. Des Frevlers Lohn war sein Schlachtentod. Als man ihn begrub, hörte man in der Kremser Pfarrkirche lautes Hundegebell, Rufen und Schnalzen und die Leute sahen den Toten mit seinem Pferde auf einem Scheiterhaufen liegen, wo die Flammen ihn verzehrten. Man sah den Bilderschänder noch lange als Gespenst ohne Kopf herumwandeln und die Wachen schrecken.
"Frau Saga", 5, Reihe, S. 106, Nr. 159. |