Liebe Schwestern und Brüder! |
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Es tut gut, einen Tag am Abend ausklingen zu lassen, noch einmal zurückzuschauen auf alles, was tagsüber war; die Eindrücke und Bilder zu ordnen, Begegnungen
und Erfahrungen zu verarbeiten und sich vom Gewesenen zu verabschieden. Was für
einen Tag gilt, kann erst recht für ein ganzes Jahr gelten. |
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Der hl. Ignatius, ein Meister
des geistlichen Lebens und Gründer des Jesuitenordens, rät für jeden Abend das Gebet
der liebenden Aufmerksamkeit zu üben. Was er für das Abendgebet anregt, können wir
auch am Ende eines Jahres tun. Dabei geht es zuerst nicht darum, uns selbst und allen
anderen die Fehler und Versäumnisse vorzuhalten. Das verengt unseren Blick, und wir
sehen zuerst alles, was nicht gut gelaufen ist. Wenn wir dem Rat des hl. Ignatius folgen,
dann schauen wir auf die gelebte Zeit mit wohlwollenden Augen. Dann kann es mir
aufgehen, dass mir verschiedene Menschen geholfen haben, durch ihr Dasein, ihr Zuhören und durch ihr behutsames oder beherztes Zureden. |
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Oder ich kann entdecken,
dass sich in mir oder auch im Nächsten bisher unbekannte Fähigkeiten entwickelt haben
und dass es Schätze im Leben gibt, an denen ich bislang achtlos vorbei gegangen bin.
Vielleicht lebe ich durch diese Achtsamkeit bewußter und aufmerksamer. Und es geht
mir der Sinn der Worte Jesu aus dem Evangeliums auf: „Sorgt euch nicht! Das Leben ist wichtiger
als Nahrung und Kleidung“. |
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Und vielleicht eröffnet sich mir dadurch eine neue Beziehung zu Gott, eine Vertiefung des Glaubens, den ich dann mehr als Kraftquelle und Geschenk erlebe, denn als lästige Pflicht und bedrückender Zwang. So werde ich mit gütigen und barmherzigen Augen mein eigenes Leben, meine Mitmenschen und die Welt
betrachten. |
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Dabei dürfen wir aber nicht verschweigen, dass dieses vergehende Jahr auch viele Sorgen gebracht hat, viel Not und Leid und Elend, im persönlichen wie im gesellschaftlichen
Bereich, im Großen wie im Kleinen. Jesus will nicht, dass wir davor die Augen schließen.
Er rüttelt uns wach, ob viele Sorgen nicht selbst verursacht sind oder wir uns mit Problemen belasten, die es eigentlich gar nicht wert sind. Stellen wir nicht oft das Geld, den
Konsum, das Haben-Müssen, gesellschaftliche Verpflichtungen und Zwänge in den Vordergrund und Mittelpunkt und vergessen, dass wir als Christen eine andere Berufung
haben: Das Reich Gottes und die Nachfolge Jesu. |
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Dehalb gehört in unseren Rückblick nicht nur liebende Aufmerksamkeit, sondern auch
kritische Selbstbestimmung. Nehmen wir alles, was uns beschäftigt und bewegt hat, was
uns beseelt und erfüllt hat, hinein in die Gelassenheit und Geborgenheit Gottes, die jedem von uns für immer zugesagt ist. Sorgt euch nicht und fürchtet euch nicht, so ermutigt uns Jesus heute, am Übergang vom Alten zum Neuen, an der Schwelle des Jahreswechsels. |
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Sagen wir ihm Dank für das Geschenk unseres Lebens, vertrauen wir auf
seine Nähe und lobpreisen wir seine Treue und Barmherzigkeit, gestern und heute und
auch in Zukunft. |
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