Liebe Schwestern und Brüder! |
|
Mit der hl. Familie aus Nazaret verbinden wir bestimmte Vorstellungen: |
|
Der
hl. Josef ist der fleissige Handwerker und der zurückhaltende, gütige Vater; Maria
die umsichtige, vielleicht etwas zurückgezogen lebende Hausfrau und Mutter und
Jesus das aufmerksame Kind, das sich für alles, was die Eltern tun, interessiert und
ihnen zur Hand geht. |
|
Aber von all dem lesen wir im Evangelium nichts, weder im soeben
gehörten Abschnitt aus dem Lukas Evangelium, noch an anderen Stellen im Neuen Testament. Wir können
nur Vermutungen anstellen von dem, was gewesen sein könnte, mehr nicht. Doch
Vermutungen bergen die Gefahr, dass eigene Vorstellungen, Wünsche und Sehnsüchte auf andere übertragen werden, in unserem Fall auf Jesus, Maria und Josef. |
|
Die hl. Familie wird dabei so ideal gesehen, und ihr Beispiel so unerreichbar, dass
es mit unserem Leben nichts mehr zu tun hat. Immerhin gibt unser Evangelium einen kurzen Einblick in die Hl. Familie. Doch unseren Vorstellungen entspricht das nicht,
was wir hören. Von wegen alles in Harmonie, Liebe, Wonne und Eintracht. Auch
zwischen Jesus, Maria und Josef gibt es Meinungsverschiedenheiten. Der heranwachsende Jesus löst sich, wie jeder andere Jugendliche auch, vom Elternhaus.
Das sorgt für Unmut, Unverständnis, Kopfschütteln und Vorwürfe. |
|
Was sagen uns
dennoch die heutigen Lesungen über Familie und Familienleben? Wenn sie auch
nicht auf Einzelfragen antworten, was ist die große Linie, die sie verbindet und uns
weiterhilft? |
|
Sicher hat Jesus erfahren, wie wichtig Josef und Maria der Glauben an Gott ist und
dass dieser Glauben ihr Leben gestaltet. Aber auch wenn in einer Familie die Beziehung zu Gott an erster Stelle steht, ist das Leben in der Familie nicht automatisch ohne Spannungen. |
|
Sicher: Eltern tragen Verantwortung für ihr Kind. Aber irgendwann einmal muß jedes Kind eigene Wege gehen, sich eine eigene Meinung bilden, eigene Prioritäten setzen. Das geht nicht ohne Diskussionen,
ohne Meinungsverschiedenheiten, ohne Abgrenzungen. Dabei gibt es auch Verletzungen und Enttäuschungen. Das gilt auch für Jesus, Maria und Josef. |
|
Was
aber macht nun die drei zur Heiligen Familie? Jesus, Maria und Josef haben bei all
diesen normalen menschlichen Vorkommnissen versucht heraus zu finden, was
Gotte von ihnen möchte, welchen Weg er jedem einzelnen von ihnen zugedacht
hat. Der 12-jährige Jesus erkennt offensichtlich seinen Weg immer deutlicher. Maria und Josef ihrereseits haben die Offenheit und das Vertrauen sowie den unerschütterlichen Glauben an den Vater Gott, der immer auf der Seite seiner Kinder
ist. Alle, die diesen Glauben und dieses Vertrauen aufbringen, sind – wie Jesus
später sagt – seine Familie. |
|
Mit dieser Familie Gottes beschäftigt sich auch unsere Lesung aus dem 1. Joh.
Familie Gottes sind die Menschen, die der Vater mit seiner Liebe und mit seinem Geist beschenkt hat. Weil sie alle durch ihn leben, haben sie alle gleichen Wert und
gleiche Würde. Deshalb ist auch ihr Verhalten zueinander geprägt von gegenseitiger Liebe, Respekt und Achtung. Am Verhalten solcher Menschen wird sichtbar,
wie Gott ist und was er den Menschen zugedacht hat. |
|
Das hat Konsequenzen z.B.
für unsere Familie: Glauben wir, dass Gott mit uns als Familie geht; dass er jedes
Mitglied der Familie in seinem Alltag begleitet; dass er uns einander anvertraut
hat? Ist unser Verhalten so, dass wir einander helfen und stützen? Glauben wir,
dass Gott durch unser Miteinander seine Liebe sichtbar machen möchte? Ist das
Vertrauen der Eltern so groß, dass sie ihre Kinder Gott übergeben, wenn diese
ihre eigenen Wege gehen, Wege, die sie selbst nicht nachvollziehen oder mitgehen können? |
|
Und schauen wir auch auf unsere Pfarrgemeinde. Die Gemeinde Jesu wurde und
wird immer wieder als Familie bezeichnet. Sie hat auch Kennzeichen einer Familie:
das Wissen über ihre Zusammengehörigkeit, ihren Zusammenhalt, einen gemeinsamen Weg, den Auftrag, durch ihr Leben das Reich Gottes wenigstens ein Stück
weit zu verwirklichen. Und dann gibt es noch etwas, was uns als Gemeinde viel
stärker verbindet als die Verwandschaft: der Glaube. Er verbindet ganz unterschiedliche Menschen miteinander, ist stärker als Herkunft, Titel oder Einkommen
– er fordert uns aber auch dazu heraus, mit Widersprüchlichkeiten, gegensätzlichen Auffassungen, Feindseligkeiten und Ungleichheiten, um nur einige Beispiele zu
nennen, so umzugehen, wie es Menschen entspricht, die in Christus eins sind. |
|
Was ist nun eine christliche Familie? Eine Antwort auf diese Frage liebe Schwestern und Brüder, kann nur
unvollständig sein. Dennoch gibt es einige Kennzeichen. Es ist eine Familie, die im
Blick auf Gott eine Geborgenheit vermittelt, die immer gilt, auch wenn einmal etwas schief gegangen ist. In dieser Familie wird das Gespräch miteinander nicht
aufhören, auch wenn man in dem einen oder anderen Punkt nicht zusammenfindet. Dieser Familie ist es ein Anliegen, dass jeder das werden kann, was er nach
den Vorstellungen Gottes werden soll. Und die Mitglieder der Familie versuchen
einander zu fördern, zu dienen und zu lieben – wie Gott es an uns allen tut. |
|
Wie wir heute im Tagesgebet gehört haben: „Gib unseren Familien, dass auch sie in Frömmigkeit und Eintracht leben und einander in Liebe verbunden bleiben“. |
|
Heilig wird eine Familie und auch eine Pfarrgemeinde nicht dadurch, dass es keine
Konflikte gibt, sondern weil sie bei allem Auf und Ab des Lebens, bei allen Spannungen und Meinungsverschiedenheiten ihren Blick auf Gott richtet und nach seinem Willen zu leben versucht. Jesus, Maria und Josef haben uns ein Beispiel gegeben. |
|
Johannes hat in seinen Gemeinden das wieder in Erinnerung gerufen. |
|
Was er
den Christen damals gesagt hat, sagt er heute uns. Erfüllen wir seine Worte mit
Leben – hier und jetzt – in Familie und Gemeinde!
|
|