Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 6

Geister Feen Nixen
Heft Nr. 5 (Doppelheft)

Teil 8

von Sage 132 bis Sage 136



132

DAS PELZWEIBEL

    Hoch oben am Sandlberg steht das Haus des Sandlbauern. Um das Gehöft breiten sich die kargen Bergäcker aus und diese umschließt wieder der Wald. Einsam ist das Leben auf dem Berge zur Winterzeit und nur selten kommt ein Gast dahin, denn mühsam ist der Aufstieg. Darum steht auch die Tür jedem offen, der zu früher oder später Stunde ins Haus treten will.

    Da geschah es einmal, daß bereits Bauer und Bäurin zur Ruhe gegangen waren. Die schweren Zeiten erfüllten aber des Bauern Gemüt mit Sorgen und er konnte deshalb nicht den erquickenden Schlummer finden. Er lag wach im Bette. Da öffnete sich leise die Stubentür und im fahlen Lichte des Mondes sah der wache Bauer einen Menschen in die Stube treten, der sich an den Tisch setzte. Er saß still und sprach kein Wort. Auch die Hausleute redeten nichts. Der Bauer erhob sich aber, da er sah, daß der Fremde müde und hungrig war, stellte ihm Brot und Milch auf den Tisch und legte sich wieder zu Bette. Bei Tische war er erst gewahr geworden, daß das fremde Wesen ein altes Weiblein mit runzeligem Gesichte war. Nach einiger Zeit erhob sich die fremde Frau, nahm Milch und Brot und eilte damit zur Türe hinaus. Die Bauersleute schliefen aber nun ein und gewahrten nicht die Rückkunft des Weibes, das den leeren Topf zurückbrachte. Als sich Bauer und Bäurin am Morgen erhoben, sahen sie den Topf am Tische stehen und - daneben lag ein Silberatzen. Sie waren ob dieser unerwarteten Einnahme sehr erfreut und die Bäurin meinte, daß sie eine solche alle Tage gut brauchen könnte. In der stillen Hoffnung, daß das Weiblein die nächste Nacht wiederkäme, richtete die Frau des Bauern am Abend wieder Milch und Brot. Dies tat sie durch manche Woche, doch das geheimnisvolle Wesen ließ sich nicht mehr blicken. Schon wollte sie ihre Vorsorge aufgeben, da erschien das Weiblein wieder. Es hatte abermals eine große Gugel auf und einen großen Pelz an. Es nahm wie zuerst auch diesmal am Tische Platz und entfernte sich nach einiger Zeit. Unbemerkt hinterließ die Frau wiederum Geschirr und Geldstück. Die Bäurin merkte bald, daß das Weiblein in regelmäßigen Zeitabständen wiederkehrte. So währte es einige Zeit. Da mußte eines Tages der Bauer in die Kremserstadt, um Besorgungen zu machen. Zeitlich am Morgen verließ er sein Haus und machte sich auf den Weg. In der Stadt hielt ihn aber nach den Besorgungen die lockere Gesellschaft lange zurück, sodaß er zu später Stunde zu den Dürnsteiner Waldhütten gelangte. Auch hier hielten ihn seine Freunde vom Heimgang ab. Als er sich nun auf den Heimweg machte, führten ihn geheimnisvolle Lichter am Sandlberg in die Irre. Da stand er unversehens bei den Völkerwänden. Auf einmal gewahrte er nahe der Felswand das alte Weiblein im Pelze mit der großen Gugel stehen. Es winkte den Bauern zu sich heran und forderte ihn auf, ihr zu folgen. Der Laiulmann folgte und wurde vom Pelzweiblein zu einer großen Pforte in der Felswand geführt. Beide betraten durch diese eine weite Halle, von der zahlreiche Treppen in viele Gemächer emporführten. Als sie gemeinsam diese durchschritten, gewahrte der Bauer, daß aus dem alten verhutzelten Weib eine schöne, aber stolze Frau geworden war. Pracht und Glanz erfüllte jedes Gemach. Auf einem Tische stand eine kostbare Kassette und darinnen lagen Goldstücke. Die Frau forderte nun den Bauer auf, sich ein Andenken mitzunehmen. Er griff nach einem Goldstück und steckte es in seine Tasche. Die liebliche Schloßfrau führte nun den Mann zum Tore zurück und trat mit ihm ins Freie. Hier umfing nun tiefste Finsternis den Mann. Als sich seine Augen an die dunkle Nacht gewöhnt hatten, gewahrte er, daß er wieder vor der grauen Völkerwand stand. Durch den finsteren Bergwald tastete er sich nun empor zu seinen Äckern, um so sicherer den Weg zu seiner Hütte zu finden. Es graute bereits der junge Tag, als er sein Hans erreichte. Dort empfing ihn seine besorgte Gattin mit vorwurfsvoller Rede. Doch wie sie auch in ihn drang, wo er die Nacht verbracht hatte, verriet er nicht. Das Goldstück wurde ihm aber zum Verräter. Die Bäuerin ruhte nicht eher, bis der Mann alles mitgeteilt hatte. Er erzählte auch seiner Frau, daß die stolze Schloßfrau ihm streng aufgetragen hätte, das Goldstück wohl zu verwahren, denn der Besitz desselben würde ihn vor Krankheit und Not bewahren. Den Schatz wohl behütend, lebten nun Bauer und Bäuerin viele Jahre ohne Not und Krankheit auf ihrem Hofe. Kein Mensch wußte um das Geheimnis. Eines Tages war aber das Goldstück verschwunden. Seit dieser Zeit kehrte auch Krankheit im Hause ein. Man suchte vergebens nach dem Talisman, fand ihn aber nicht. Da wurde der Bauer krank und legte sich nieder zum Sterben.

    Obwohl die Bauersleute das Geheimnis streng gehütet hatten, wie ihnen das Pelzweibel befohlen hatte, war doch im Laufe der Zeit dieses bekannt geworden. Das sonderbare Weiblein erschien nicht mehr im Hause des Bauern. Als sich die Kunde vom Sterben des Sandlbauern bei den Waldbauern verbreitete, eilten alle, die ihn kannten, herbei, um Abschied von ihm zu nehmen. Er starb, friedlich hinüberschlummernd in ein sorgenloseres Jenseits.


Gew.: Der alte „Ebenhansl“, Raichaueramt. Aufz.: Franz Wallechner in Stein (1953).

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133

BEI DER BERGKÖNIGIN DES
JAUERLINGS

    In dem Tale, das vom Dorfe Groisbach zum Jauerling hinaufführt, hauste einst in einer Mühle eine arme Familie. Durch zwei Jahre lag die Müllerin schon an schleichender Brustkrankheit darnieder. Vergeblich waren viele Ärzte gefragt worden. Alles Geld und Gut hatte man bereits auf die Krankheitskosten zugesetzt. Unermüdlich pflegte das dreizehnjährige Gretlein, das einzige Kind, die kranke Mutter. In seinem Kummer vergoß es gar bittere Tränen. Da hörte das Mädchen von einem Einsiedler, der Wundertränklein zu bereiten verstünde. Sogleich suchte es ihn auf und erflehte seine Hilfe. Doch der fromme Mann sagte: „Das Kräutlein, welches deine Mutter gesund macht, kann nur ein unschuldiges Kind bekommen, welches nichts fürchtet. Wenn du es zu suchen, wagst, mußt du bei Vollmond zur Quelle des Groisbaches hinaufsteigen. Dort kannst du um die Mitternachtsstunde das Kräutlein Widertod finden, welches aber ganz unscheinbar ist.“ Freudig dankte das Kind und wanderte wirklich in der nächsten Vollmondnacht durch die Schlucht aufwärts. Klopfenden Herzens wartete die Brave bei der Felsenquelle auf die zwölfte Stunde. Aus einer Höhle in der Steinwand hörte es dumpfen Lärm und, als vom Kirchturm herauf die Mitternachtsschläge tönten, erstrahlte das Felsentor plötzlich in hellem Lichte, vor dem erstaunten Gretchen stand ein graues Männchen und lud es freundlich zum Eintritt ein, da die Bergkönigin seiner schon warte, um ihm das gesuchte Kräutlein zu geben. Da folgte das Kind ohn Zaudern und wurde durch ein langes Tal in eine wundervolle Landschaft geführt. Die prächtigsten Blumen leuchteten in herrlichsten Farben, entzückende Elfenkinder tanzten auf den hellgrünen Rasenflächen. Das Schönste aber war ein aus einem kristallklaren See herausragendes Feenschloß. Dieses war aus weißen, durchsichtigen Steinen gebaut. Alle Wände schimmerten herrlich und viele Springbrunnen ließen glitzernde Perlen tanzen. Aus einer Blumenlaube kam unter lieblichen Klängen die wunderschöne Feenkönigin, von magischem Lichte umstrahlt, mit ihrem ganzen Hofstaate herbei. Recht mutig begrüßte Gretchen die hohe Frau und bat um das Kräutlein Widertod. Diese hieß das Kind herzlich willkommen, versprach ihm das Erbetene und forderte es auf, mit den andern Kindern lustig umherzuspringen, ja überhaupt ganz im Zauberreiche zu bleiben, wo es keine Sorgen gebe. Das Müllermädchen wies aber das Anerbieten ab, weil es doch von seiner armen Mutter erwartet werde und daheim viel Arbeit zu machen sei. Dabei fing es bitterlich zu weinen an. Die Feenkönigin tröstete sie voll Rührung und sagte: „Habe keinen Kummer mehr, denn eben ist deine Mutter gesund geworden.“ Jubelnd küßte Gretchen der Herrscherin des Berges den Kleidsaum und eilte aus dem Feenreiche. Als es durchs Felsentor schritt, schien es ihm, als ob Regen auf sein Kleidchen niederfalle. Trotz der geschauten überirdischen Pracht freute sich die Maid, wieder in der liebgewordenen, schönen Heimat zu sein. Wie ein Reh huschte sie der Mühle zu und stürzte überglücklich in die Arme der genesenen Mutter. Voll Staunen lauschten dann die Eltern der Erzählung vom Besuche im Feenreiche. Da bemerkten sie, daß ihr Töchterchen Gretl ganz mit Gold behangen war. In pures Gold hatten sich die Regentropfen verwandelt, welche es netzten, als sie die Bergkönigin des Jauerlings verließ. Mit diesem Goldsegen war auch alle Not im Müllerhause beseitigt und Mutter, Vater und Töchterlein lebten glücklich bis an ihr Lebensende.


Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“, Nr. 25, Seite 33.

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134

DIE WAHNSINNIGE VOM AGGSTEIN

    Unter der Burg Aggstein saß auf einer Klippe an der Donau vor langer Zeit eine Wasserfee, die in hellen Mondnächten ihr goldenes Haar kämmte und dabei bezaubernde Lieder sang. Nahte ein Schiffer der Felsklippe, lachte die Wasserfee wie eine Wahnsinnige gellend auf, stürzte sich in die Flut und zog ihr Opfer mit hinein in ihren Wasserpalast am Grunde der Donau. Dort hielt sie die Seelen der Ertrunkenen unter Glasglocken gefangen. Die Wahnsinnige, wie die Fee genannt wird, wird jetzt selten gesehen, aber es ist immerhin ratsam, wenn man am Aggstein vorbeifährt, das Kreuz zu schlagen.


Aus Mailly, nö. Sagen; Nr. 101.

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2. Erzählform:

    Auf dem Rande des Rosengärtleinfelsens erschien, so erzählten sich in früheren Tagen die Donauschiffer, von Zeit zu Zeit eine weiße Gestalt mit fliegenden Haaren, wehmütig die Hände ringend. Wenn sie sich zeigte, dann suchten jene einen Landungsplatz, denn jedesmal verkündete diese Erscheinung einen nahenden Sturm. Sie wurde die „Wahnsinnige vom Aggstein“ genannt und mit folgenden Geschichten in Beziehung gebracht:

    Ritter Theobald v. Senftenberg führte seine Braut Rosamunde von Seisenegg zu Schiffe heim, wurde aber von Schreckenwald und seinen Reisigen überfallen, schwer verwundet und bewußtlos auf seinem ruderlosen Schiffe zurückgelassen, die Braut aber mit ihrem Brautschatz geraubt und auf Burg Aggstein gebracht. Hans v. Neudegg, Burgherr zu Oberranna, auf der Jagd zufällig in diese Gegend gekommen, ließ das Schiff ans Land führen und den noch lebenden Theobald in Oberranna heilen, worauf beide in Begleitung zahlreicher befreundeter Ritter nach Aggstein zogen, das Fräulein zu befreien und an dem Räuber Rache zu nehmen. Theobalds Aufforderung zur Übergabe der Feste wurde von Schreckenwald mit Hohn zurückgewiesen, welcher, von seines Feindes Speer getroffen, sterbend seinem Vertrauten Kuno befahl, Rosamunden aus ihrem Gemach ins Rosengärtlein zu bringen. Die Burg ging an die Sieger über, allein überall forschten sie vergeblich nach dem Fräulein, bis endlich Theobald in der Nacht die Stimme seiner Braut an ihrem leisen Klagegesang erkannte und dann am äußersten Gipfel des Felsens eine weiße Gestalt, die Hände ringend, erblickte. Zu Hilfe eilend, wurde er von der schon dem Wahnsinne Verfallenen für den verabscheuten Schreckenwald gehalten und zugleich mit ihr selbst in den Abgrund gerrissen. Die Leichen des unglücklichen Paares nahm eine gemeinschaftliche Gruft im Kreuzgange der Karthause Aggsbach auf. Schreckenwald wurde im Walde bei Aggstein verscharrt. Nicht lange überlebte Hanns Neudegg diesen traurigen Zug, starb 1459 und wurde in dem von ihm gestifteten Paulinerkloster zu Unterranna beigesetzt.


Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“, Nr. 34, Seite 43.

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3. Erzählform:

    Auf dem Felsen der Burg Aggstein zeigt sich in mondhellen Nächten eine lichte Frauengestalt, die sich die Haare kämmt. Sie hat mehrere „Töchter“, die als Gespenster auf den Wellen der Donau unterhalb der Burg tanzen. Die Mutter aber am Felsen soll der Geist einer Frau sein, die ein Raubritter, dem damals Aggstein gehörte, ins Rosengärtlein sperrte, und die darüber den Verstand verlor.


Aus „Frau Saga“, 7. Reihe, Nr. 173, Seite 110.

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4. Erzählform:

    Eine Nixe saß einst vor langen Zeiten in hellen Mondnächten auf einer aus den dunklen Waldbergen ragende Felsklippe, allwo später die Burg Achstein erbaut wurde, und kämmte sich ihr goldenes Haar. Dazu sang sie bezaubernde Lieder von Lust und Leid der Liebe. Tief im Tale tanzten zum Gesänge der Mutter ihre neun Töchter auf den Silberkämmen der Donauwogen ihren Reigen. Vergaß nun, was vorab leicht zu betörenden Jünglingen oft geschah, der Ferge des Ruderns, sodaß der Kahn im wild dahinstürmenden Gewässer umkippte, dann lachte die Wahnsinnige gell auf, stürzte sich von ihrem Thronsitze mächtigen Schwunges in die Donauflut, wirbelte den armen, jungen Schiffer in ihren Wasserpalast auf dem Grunde des Stromes, wo auch der Goldhort der Amelunge verborgen liegt, und hielt die Seele des Ertrunkenen unter einer Glasglocke gefangen. Diese böse Frau war die Nixe Raan, die räuberische Gemahlin des Winterstromgottes Agez. Wer aber beim Vorbeifahren am Aggsteine ein Kreuz schlägt, dem vermag der Spuk nichts anzuhaben.


Aus J. Wichners „Wachausagen“, Seite 48.

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135

DIE NIXE RAAN

    Im „Rosengärtlein“ der Burg Aggstein sitzt in gewissen Nachten, besonders dann, wenn der Mond scheint, eine Wasserjungfrau mit Namen Raan. Ihre Haut ist lilienweiß und ihr Haar wie Gold. Wenn sie singt, dann vergessen die unten am Felsen, an der Donau vorbeiziehenden Schiffer, namentlich die Jünglinge, ihren ganzen Kummer. Aber es ist gefährlich, dem Gesange der Raan zu lauschen, denn sie verleitet die Menschen, sich in die Donau zu stürzen.


Aus „Frau Saga“, 3. Reihe, Nr. 52, Seite 56.

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136

DIE DRUDENWAND BEI WÖSENDORF

    Auf den Höhen nördlich von Wösendorf liegen auf einer heideartigen Wiese, auf der sogenannten „Geis“, einige ungeheure Felsblöcke aufeinander getürmt. Daneben zeigt eine Steinplatte zwei Fußeindrücke. Deutlich sind einen Meter lange Plattfüße mit den Zehen erkennbar. Das Volk sagt, diese Eindrücke stammen von einer Drud her, welche einst hier bei dem Felsen gehaust hat. Alte Leute glaubten, daß diese Füße stets wachsen. Vor fünfzig Jahren seien sie noch viel kleiner gewesen. Merkwürdigerweise ist die eine Fußspur kürzer als die andere. Wie an anderen Orten suchten auch hier die Druden des Nachts Menschen auf und drückten sie während des Schlafes. Einmal war im Orte Wösendorf eine sehr böse Magd, die durch die Drud den Tod gefunden haben soll. Diese saugte ihr durch die Haut hindurch das Blut aus und verjüngte sich an dem Atem der Schlafenden.


Aus Dr. H. Plöckingers „Wachausagen.“, Nr. 52, Seite 62, und Kisslings „Frau Saga𔄬; 5. Reihe, Nr. 156, Seite 104.

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Diese Seite wurde am 13. April 2003 erstellt.