Männer Gottes
Heft Nr. 3 (Doppelheft)
Teil 1
von Gedicht und
Sage 73 bis Sage 78
M Ä N N E R G O T T E S
Bei Faviana in der Klause, fern dem lauten Weltgetümmel,
Martin Greif. |
Der Heilige Severin Mit unserer Heimat ist die Gestalt eines heiligen Mannes unzertrennlich verbunden. Es ist Severin, der Apostel N o r i c u m s. Dessen Kloster stand einst zu Favianis, dem heutigen Mautern. Sein heiliges Leben brachte ihn bei Freund und Feind in hohes Ansehen, da er gerecht und hilfsbereit gegenüber beiden war. So ist es auch erklärlich, daß über seinen Tod hinaus seine Taten in zahllosen Sagen und Geschichten fortleben, die einer seiner Jünger auf unsere Zeit herübergerettet hat. Hören wir nun, was die Sage uns zu berichten weiß. |
73 SEVERIN ZU FAVIANIS Als einst die Römer unser Land beherrschten, lebte an der Grenze ihres Reiches, zu Favianis, der fromme Mann Severin. Nach weiter Wanderung hatte er seinen Wohnsitz in Mautern aufgeschlagen und vor den Mauern der Stadt ein Kloster errichtet. Hier führte er ein gottesfürchtiges Leben; er betete und fastete. Am Morgen sprach er in feierlicher Weise mit seinen Schülern die Morgengebete und am Abend beschloß er mit frommen Gesängen den Tag. Sein Lager hatte er in der Wohnzelle aufgeschlagen. Es bestand aus einer härenen Decke, die auf denn Boden ausgebreitet lag. Sein entsagendes Leben war erfüllt von Fasten und Beten. Er aß täglich erst dann, wenn die Sonne versunken war und sättigte in der Fastenzeit sich wöchentlich nur ein einziges Mal. Severin hatte die Gabe, Künftiges vorauszusehen und Verborgenes sowie Geheimnisse zu ergründen. Er war hilfsbereit gegenüber allen Menschen, die sich in ihrer Not an den frommen Mann Gottes wandten. Er heilte Kranke durch heilkräftige Mittel und speiste Hungrige und Arme durch reiche Gaben an Lebensmitteln. Daher war er weit und breit bekannt und beliebt. Sein Rat wurde vom niederen Volk und auch von Herrschern beachtet. Besonders der zu Stein residierende Rugenfürst erbat sich oft Severins Ratschläge. Als nun der Heilige sein Ende auf dieser Welt herannahen verspürte, sprach er zu seinen Schülern über den bevorstehenden Tod. Er teilte ihnen auch mit, daß die Tage der römischen Herrschaft an der Donau bald zu Ende sein würden. Severin sagte voraus, daß die Römer nach Italien heimkehren würden. Wenn zu dieser Zeit alle das Land und auch diese Stadt Favianis verlassen werden, sollten auch sie seine Gebeine mit sich nach Italien nehmen, da das menschenleere Land in eine wüste Einöde verwandelt werden würde. Als nun der heilige Severin an den von ihm vorausgesagten Tage starb, waren alle seine Schüler untröstlich. Sein Abschied war ihnen zu Herzen gegangen. Am fünften Jänner begann Severin an Seitenschmerzen zu leiden, die drei Tage anhielten. Noch um Mitternacht rief er die Brüder zu sich und gab ihnen Weisungen über die Bestattung seines Leibes. Dann nahm er herzlich Abschied von allen, indem er zu den ßriidern sprach: "Und jetzt empfehle ich euch Gott und seiner Gnade, in dessen Macht es liegt, euch zu erhalten und das Erbe zu geben unter allen, die geheiliget werden. Ihm sei Ruhm in alle Ewigkeit". Nach diesen Worten küßte er alle, empfing das Sterbesakrament und befahl den Anwesenden ihn nicht zu beweinen. Er bat sie den Psalm "Lobet den Herrn in seinen Heiligtümern, ein jeglicher Geist lobe den Herrn" zu singen. Und indem er ein großes Kreuzeszeichen machte, starb er beim Klang des Gesanges. In einem hölzernen Sarg wurde er nun bestattet. Als er in der Kapelle aufgebahrt lag, geschahen an den Menschen, die an seinem Sarge weilten, manche Wunder. So wurde ein Stummer wieder sprechend, ein Blinder wieder sehend. Hernach begrub man den Körper Severins. Als nach sechs Jahren, wie der Heilige vorausgesagt hatte, wirklich die Römer nach Italien zogen, nahmen die Brüder den Leichnam mit. Als man das Grab öffnete, fand man den Leib des Severin unverwest vor und ein süßer Duft erfüllte die Umgehung. In wunderbarer Weise war sein Körper erhalten geblieben. In einem bereits vorbereiteten Sarg gelegt, setzte sich, nachdem man diesen auf einen Wagen gehoben hatte, der Zug der Heimkehrenden in Bewegung. Die Römer folgten dem Sarge des Heiligen bei seiner letzten Fahrt in das ferne Italien, wo man ihn zu Neapel begrub.
Aus: "Vita Sancti Severini" des Eugypius. Kapitel 38, 40, 41, 43, 44 und 45. |
74 SEVERIN RETTET FAVIANIS AUS HUNGERSNOT Als der heilige Severin, aus Tulln kommend, in Mautern eintraf, fand er eine große Hungersnot vor. Die Bewohner baten den frommen Diener Gottes um Rat und Hilfe. Er begann den Bürgern folgendermaflen zu raten: "Durch Werke der Bußfertigkeit werdet ihr euch von dieser verderblichen Hungersnot befreien können". Während sie nun Buße taten, ließ er eine reiche Witwe, die in der Stadt wohnte, zu sich rufen. Gottes Offenbarung hatte ihn zu Wissen gemacht, daß dieses habgierige Weib große Getreidemengen versteckt hatte. Er sprach zu ihr: "Warum machst du, eine Frau aus vornehmster Familie, dich zur Magd der Habsucht und erweist dich als Sklavin des Geizes? Siehe der Herr sorgt barmherzig für seine Diener, du aber wirst mit deinem unrechten Besitz nichts tun können, außer daß du vielleicht das lange verheimlichte Getreide in die Fluten der Donau schüttest und du den Fischen gegenüber eine Menschlichkeit an den Tag legst, die du den Menschen verweigert hast. Deshalb hilf doch mehr dir selber als den Armen mit dem, was du noch aufspeicherst." Nach diesen Worten wurde Frau Procula von heftiger Furcht erfaßt und ging daran, ihre Vorräte bereitwillig unter die Armen zu verteilen. Kurze Zeit darnach erschienen unvermutet am Donauufer zahlreiche mit Waren übervoll beladene Schiffe aus Rätien, die im dicken Eise des Inn viele Tage stecken geblieben waren. Als es nun auf Gottes Geheiß plötzlich schmolz, brachten sie den Hungernden Lebensmittel in Hülle und Fülle. Da fingen alle an, Gott als den Spender der unerwarteten Hilfe zu lobpreisen, hatten sie doch infolge der langen Hungersnot einen elenden Tod befürchtet; und sie bekannten, daß ganz offensichtlich die Schiffe auf Fürbitte des Gottesknechtes vorzeitig vom Eise befreit worden und angekommen seien.
Vita sancti Severini, 3. Kap. |
75 SEVERIN UND DIE RÄUBER Als Mauterns Bürger argen Hunger litten, überfielen Räuber aus dem Rugierlande die Stadt und raubten alles Vieh und Gut vor den Toren der Stadt. Sie führten es weg. Da eilten einige Bürger weinend zum Manne Gottes und berichteten ihm von ihrem unheilvollen Mißgeschick, wobei sie ihm gleichzeitig die Spuren der jüngsten Räubereien zeigten. Severin befragte den Tribun M a m e r t i n u s, der später Bischof wurde, ob er einige Bewaffnete bei sich habe, mit denen er die Räuber unverzüglich verfolgen könnte. Jener antwortete: "Ich habe zwar ein paar Soldaten zur Verfügung, aber ich wage es nicht, mich mit einer so beträchtlichen Feindesschar in einen Kampf einzulassen. Doch wenn deine Ehrwürden es befiehlt -, wir glauben, daß wir trotz unserer waffenmäßigen Unterlegenheit dank deinem Gebete doch siegen werden. Und der Diener Gottes sprach: "Wenn auch deine Soldaten unbewaffnet sind, jetzt werden sie von den Feinden bewaffnet werden; denn weder zahlenmäßige Stärke noch menschliche Tapferkeit ist erforderlich, wo sich Gott als Vorkämpfer in allem erweist. Geh nur in Gottes Namen schleunig, geh voll Vertrauen; denn auch der Schwächste wird sehr mutig erscheinen. Der Herr wird für euch kämpfen und ihr werdet schweigen. Geh also schnell und beachte vor allem, daß du die Barbaren, die du gefangennimmst, unversehrt zu mir bringst." Die römischen Krieger rückten also aus und trafen beim zweiten Meilenstein an einem Bache, namens T i g u n t i a, auf die erwähnten Räuber. Sie schlugen sie blitzschnell in die Flucht und erbeuteten von allen die Waffen. Die übrigen aber fesselten sie und brachten sie als Gefangene züm Diener Gottes. Er ließ ihnen die Fesseln lösen, sie mit Speise und Trank laben und sprach kurz folgendes: "Geht und vermeldet euren Spießgesellen sie sollen sich ja nicht mehr unterstehen, aus Raubgier in unsere Nähe zu kommen, sonst wird sie unverzüglich das göttliche Strafgericht ereilen. Gott kämpft für die Seinen so sehr mit übernatürlicher Stärke und schützt sie, daß eure Geschoße ihnen keine Wunden zufügen können, sondern diese ihnen vielmehr noch Waffen liefern." Die Räuber wurden entlassen und verschonten fortan die Stadt.
Vita S. Severini, 4. Kapitel. |
76 ODOAKER UND SEVERIN Der Ruf des frommen Mannes Severin hatte sich weit über alle Lande verbreitet. Man schätzte seinen Rat bei arm und reich, beim niedrigen Volk und auch am Königshofe des Germanenlandes. Viele hatten schon aus Severins Mund ihr Heil vernommen, denn sie waren in frommer Ergebenheit vor der Klause des heiligen Mannes erschienen. Unter ihnen war auch Odoaker gekommen, der nachmals Italien beherrschte, ein hochgewachsener junger Mann, damals in ganz armseligen Gewande. Als er nun gebückt dastand, um nicht mit dem Scheitel an die Decke der niedrigen Zelle zu stoßen, erfuhr er vom Coltesmanne seine ruhmreiche Zukunft. Zum Abschied sagte ihm dieser auch: "Geh nach Italien, geh; zwar bist du jetzt mit armseligen Fellen bekleidet, aber bald wirst du viele reichlich beschenken."
Aus: Vita S. Severini, 3. Kap. |
77 DER RUGENKÖNIG FLACCITHEUS UND SEVERIN Der König Flaccitheus, der die Rugen beherrschte, hatte am Anfang seiner Regierung einen sehr schweren Stand, denn das große Gotenvolk war sein erbittertster Feind. Er befragte darum in seiner gefahrvollen Lage den heiligen Severin. Als er besonders beunruhigt war, kam er zu ihm Sand erzählte unter Tränen, er habe von dem Gotenfürst den Durchmarsch nach Italien erbeten. Weil ihm dies aber verweigert wurde, würden sie ihn zweifellos töten, Severin versicherte ihn aber, daß ihn weder die Übermacht der Goten noch die Feindschaft der Goten Kummer bereiten brauche, da er nach ihrem Abzug bald unbesorgt im ersehnten Glück regieren könne. Voraussetzung für seine glückliche Rcgierung sei aber die Beachtung der Ratschläge, die er ihm nunmehr gebe. Er riet dein König, daß er mit den geringsten Menschen seines Volkes Frieden halten solle. Er dürfe sich dessen nicht schämen. Auch dürfe er sich nie auf seine eigenen Kräfte allein verlassen, dürfe keinen Hinterhalt legen, müsse aber solche beachten. Weiters versicherte er den König, daß er bei Einhaltung dieser Ratschläge in Frieden leben und auch ein friedliches Ende im Bette finden werde. über diese Weissagung war Flaccitheus ermutigt und ging frohen Herzens fort. Da ereilte ihn auf seinem Heimwege die Kunde, das Räuber einige Rugen gefangen hätten. Er befragte nun Severin in dieser Sache, der ihm aber riet, von der Verfolgung der Räuber abzustehen, denn er würde bei dieser umkommen. Die Räuberbande hätte ihm an drei Stellen einen Hinterhalt gelegt. Würde er bei Übersetzung des Flusses in diesen geraten, wäre er verloren. Bald werde ein Bote kommen, der dem König genauen Bericht geben werde. So geschah es auch. Zwei Rugen entflohen aus der Gefangenschaft und brachten Flaccitheus Kunde vom Plan des Feindes. Der König war vor großem Unheil durch den Rat Severins gerettet worden. Er erweiterte auf friedliche Weise seine Macht und starb eines friedlichen Todes.
Aus: Vita S. Severini, 5. Kap. |
78 SEVERIN UND ODOAKERS ENDE
Odoaker wurde, wie es Severin vorausgesagt hatte, in
Italien mit hohen Ehren bedacht. Er wurde selbst zum Könige
des Landes. Als nun dieser Herrscher des Reiches war,
gedachte er in dankbarer Erinnerung der Weissagung des
heiligen Severin. Er erfüllte, wie er dem Diener Gottes versprochen
hatte, einen Wunsch. Severin bat den König um
die Begnadigung eines Verbannten mit Namen Ambrosius,
der fern seiner Heimat in der Verbannung lebte. Odoaker
willfahrte der Bitte des Apostels. Als die Kunde eintraf,
daß der König dem Wunsche entsprochen hätte, priesen
viele Edle des Landes in Anwesenheit des Heiligen den
Mann und die edle Tat. Severin, der dies hörte, fragte,
welchen König sie mit ihrem Lobe wohl meinten. Auf die
Antwort, "den Odoaker", sagte er: "Odoaker ist unbehelligt
dreizehn bis vierzehn", womit er nämlich die Jahre seiner
unbehelligten Regierung bezeichnen wollte. Bald sollte sich
die Richtigkeit seiner Voraussagung erfüllen, denn der König
fiel seinen Feinden zum Opfer.
Aus: Vita S. Severini, Kap. 32. u. 44. |